σ-Endlichkeit

mathematische Maßtheorie
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Der Begriff der -Endlichkeit (auch -Finitheit) wird in der mathematischen Maßtheorie verwendet und liefert eine Abstufung von (messbaren) Mengen von unendlichem Maß in -endliche und nicht -endliche Mengen. Er wird aus ähnlichen Gründen eingeführt wie der Begriff der Abzählbarkeit bezüglich der Anzahl von Elementen einer Menge. Allgemein ist die -Endlichkeit eine Eigenschaft von Mengenfunktionen in Verbindung mit einem Mengensystem. Oftmals wird aber auf die Angabe des Mengensystems verzichtet, wenn klar ist, um welches es sich handelt.

Definition für Maße Bearbeiten

Gegeben sei ein Messraum  . Dann heißt ein Maß   ein  -endliches Maß, wenn es eine der drei folgenden äquivalenten Bedingungen erfüllt:

  1. Es existieren abzählbar viele Mengen   aus  , die außerdem   für alle   erfüllen und die   überdecken. Es gilt also
     .
  2. Es existieren abzählbar viele disjunkte Mengen   aus  , die außerdem   für alle   erfüllen und die   überdecken. Es gilt also
     .
  3. Es existiert eine strikt positive (d. h.   für alle  ) messbare Funktion  , so dass
     .

Der Maßraum   wird dann auch als  -endlicher Maßraum bezeichnet. Allgemeiner wird ein signiertes Maß  -endlich genannt, wenn seine Variation  -endlich ist.

Beispiele Bearbeiten

Das Lebesgue-Maß   auf den reellen Zahlen, versehen mit der Borelschen σ-Algebra, ist nicht endlich, aber  -endlich. Denn betrachtet man die Mengen

 ,

so ist   und

 .

Somit erfüllt das Lebesgue-Maß das erste Kriterium in der obigen Konstruktion. Eine disjunkte Überdeckung mit Mengen endlichen Maßes wie im zweiten Punkt der Definition liefern beispielsweise die Mengen

 ,

wobei   ist. Dann ist   und es gilt wieder

 .

Eine strikt positive Funktion mit endlichem Integral wie im dritten Punkt der Definition gefordert erhält man beispielsweise durch

 .

Hierbei ist   die Indikatorfunktion auf der Menge  .

Zu beachten ist, dass  -Endlichkeit immer eine Eigenschaft eines Maßes in Kombination mit einem Messraum ist. So ist das Zählmaß auf einer Menge  , versehen mit der Potenzmenge als  -Algebra endlich, wenn   endlich ist und genau dann  -endlich, wenn   höchstens abzählbar ist.

Anwendung Bearbeiten

  • Nicht endliche Maße können pathologische Eigenschaften aufweisen, jedoch sind viele der häufig betrachteten Maße nicht endlich. Die Klasse der  -endlichen Maße teilt mit den endlichen Maßen einige angenehme Eigenschaften,  -Endlichkeit kann in dieser Hinsicht mit der Separabilität von topologischen Räumen verglichen werden. Einige Sätze der Analysis, wie der Satz von Radon-Nikodým und der Satz von Fubini, gelten zum Beispiel nicht mehr für nicht  -endliche Maße (mitunter ist jedoch eine Übertragung auf allgemeinere Fälle möglich, indem man den Satz für alle  -endlichen Teilräume anwendet).
  • Das Birkhoff-Integral für Banachraum-wertige Funktionen wird mit Hilfe von  -endlichen Maßen definiert.

Äquivalenz zu Wahrscheinlichkeitsmaßen Bearbeiten

Zwei Maße   und   auf einem gemeinsamen Messraum   heißen äquivalent, wenn sie dieselben Nullmengen besitzen. Das heißt, es gilt sowohl   als auch  , sie sind gegenseitig absolut stetig. Hierdurch ist tatsächlich eine Äquivalenzrelation auf Maßen erklärt. Wir nehmen im Weiteren an,   sei nicht das Nullmaß.

Viele der Anwendungen  -endlicher Maße ergeben sich nun aus dem folgenden Satz:

Jedes  -endliche Maß   ist äquivalent zu einem Wahrscheinlichkeitsmaß  .

Die Bedeutung des Satzes liegt in der Äquivalenz zu einem endlichen Maß, selbst dann, wenn   unendlich ist. Insbesondere gibt es stets eine  -integrierbare Funktion  , so dass   für alle   gilt.

Definition für Mengenfunktionen Bearbeiten

Definition Bearbeiten

Gegeben sei ein Mengensystem   auf der Grundmenge  , also  . Sei

 

eine positive Mengenfunktion. Dann heißt die Mengenfunktion  -endlich, wenn es eine abzählbare Folge   von Mengen aus   gibt, so dass

 

gilt und

 

gilt. Insbesondere muss die Menge   aber nicht im Mengensystem   enthalten sein.

Bemerkung Bearbeiten

Mit der obigen Definition lässt sich die  -Endlichkeit auf allgemeinere Mengenfunktionen ausweiten. Eine der wichtigsten Anwendungen dieses Begriffes ist der Maßerweiterungssatz von Carathéodory, nach dem jedes  -endliche Prämaß auf einem Halbring eindeutig zu einem Maß auf der erzeugten  -Algebra fortsetzbar ist. Ohne die  -Endlichkeit folgt hier nicht die Eindeutigkeit.

Verwandte Begriffe Bearbeiten

Ein dem  -endlichen Maß verwandter Begriff ist der eines moderaten Maßes. Hierbei handelt es sich um ein Borel-Maß, für das eine abzählbare Überdeckung der Grundmenge mit offenen Mengen endlichen Maßes existiert.

Zudem existiert ein Begriff der s-Finitheit. Man nennt ein Maß    -finit, falls es die abzählbare Summe von endlichen Maßen ist. Jedes  -endliche Maß ist immer  -finit, aber nicht jedes  -finite Maß ist  -endlich.

Literatur Bearbeiten