Internationaler Verband zum Schutz von Pflanzenzüchtungen

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Die Union internationale pour la protection des obtentions végétales (französisch, kurz UPOV; deutsch Internationaler Verband zum Schutz von Pflanzenzüchtungen) ist eine zwischenstaatliche Organisation zum Schutz von Pflanzenzüchtungen. Sie hat ihren Sitz in Genf.

UPOV-Hauptquartier in Genf

Präsidenten Bearbeiten

Bisherige Präsidenten des UPOV-Rates (ab 1991):

  • Ricardo López de Haro y Wood (1991–1994)[1]
  • Bill Whitmore (1994–1997)[2]
  • Ryusuke Yoshimura (1997–2000)[3]
  • Karl Olov Öster (2000–2003)[4]
  • Enriqueta Molina Macías (2003–2006)[5]
  • Doug Waterhouse (2006–2009)[6]
  • Choi Keun-Jin (2009–2012)[7]
  • Kitisri Sukhapinda (2012–2015)[8]
  • Luis Salaices Sánchez (2015–2016)[9]
  • Raimundo Lavignolle (2016–2019)[10]

Geschichte Bearbeiten

Die UPOV wurde 1961 durch das Internationale Übereinkommen zum Schutz von Pflanzenzüchtungen eingerichtet. Ziel des Übereinkommens ist es, das Recht des geistigen Eigentums so fortzuentwickeln, dass es Pflanzenzüchtungen schützt und damit die Entwicklung neuer Pflanzensorten begünstigt. Die Mitgliedschaft erfordert die Umsetzung der Kernelemente des Übereinkommens in nationales Recht.[11]

Das ursprüngliche Abkommen 1961 wurde von sechs westlichen Industriestaaten ratifiziert: Deutschland, Frankreich, Dänemark, Schweden, UK und von den Niederlanden. An den Verhandlungen teilgenommen haben überdies die Schweiz, Israel, Italien, Belgien, Spanien und Südafrika.[12] Das Südafrika der Apartheid war folglich der einzige Staat des globalen Südens, der an den Verhandlungen über das Abkommen anwesend war.

In den folgenden Jahren wurde UPOV mehrmals überarbeitet. In den Jahren 1972, 1978 und zuletzt 1991. Zu diesem Zeitpunkt war die Anzahl der Mitgliedstaaten erst auf 20 angewachsen. UPOV 91 beinhaltet gegenüber früheren Versionen des Abkommens einen deutlich stärkeren Sortenschutz.[13]

Seit der Ratifizierung von UPOV 91 ist eine Vielzahl neuer Staaten dem Abkommen beigetreten. Heute hat UPOV 78 Mitglieder.[14] Das rasante Wachstum insbesondere auch im globalen Süden ist allerdings vor allem darauf zurückzuführen, dass Industrienationen die Ratifizierung von UPOV in Verhandlungen mit anderen Wirtschaftszonen als Bedingung für das Abschließen von Freihandelsabkommen festlegen. Beispiele sind die Staaten Peru, Marokko und Costa Rica. Ihr Beitritt zu UPOV war eine von Voraussetzung der Europäischen Freihandelsassoziation für ihre später mit den Ländern abgeschlossenen Freihandelsabkommen.[15]

Kritik Bearbeiten

Kritiker werfen der UPOV vor, seine Fokussierung auf strikte intellektuelle Eigentumsrechte schade der kleinbäuerlichen Landwirtschaft in Entwicklungsländern, weil es sie vom Gebrauch von geschütztem oder gespeichertem Saatgut abhalte. Profitieren würden in erster Linie reiche Industrienationen.[16]

Eine vom Quaker United Nations Office in Auftrag gegebene Studie von 2012 kam zum Schluss, dass UPOV-Beamten zu wenig gut darüber Bescheid wissen würden, wie Kleinbauern neue Sorten entwickeln und produzieren. Stattdessen beschränke sich ihre Expertise weitgehend auf kommerzielle Züchtung.[17]

Der UN-Sonderberichterstatter zum Recht auf Nahrung, zeigte sich 2009 besorgt darüber, dass IP-bezogene Monopolrechte dazu führen können, dass Landwirte zugunsten der Agrarindustrie "zunehmend abhängig von teuren Inputs" werden und dem Risiko der Verschuldung ausgesetzt seien.[18] Das UPOV-System gefährde außerdem traditionelle Systeme des Saatgutsparens – und damit die biologische Vielfalt. Bekräftigt wurde diese Kritik 2019 in einem Bericht des UN-Generalsekretärs. Die Einschränkung der informellen Saatgut-Bewirtschaftung könne demnach zu einem Verlust von Biodiversität führen und die genetische Basis schwächen, "auf die wir alle für unsere Versorgung mit Nahrungsmitteln angewiesen sind".[19]

Situation in Entwicklungsländern Bearbeiten

UPOV wurde mehrheitlich von entwickelten Ländern der Nordhemisphäre gegründet und die UPOV-Konvention ist entsprechend auf die dortigen stark arbeitsteiligen Formen der Landwirtschaft angepasst. Hingegen ist sie wenig geeignet für Entwicklungsländer, in denen meist nur ein kleiner Teil des Saatguts aus dem formellen Saatgutsektor stammt und der Großteil des Saatgut von Bäuerinnen und Bauern selber produziert wird. Bestätigt wird diese Kritik von einer 2015 veröffentlichten Studie. Demnach lasse sich in Industrienationen eine positive und signifikante Korrelation zwischen der Stärkung des Sortenschutzes und der landwirtschaftlichen Wertschöpfung feststellen. In Entwicklungsländer bestehe hingegen keine signifikante Korrelation: Mehr Sortenschutz erhöhe die landwirtschaftliche Wertschöpfung in Entwicklungsländern demnach nicht.[20] Viele Entwicklungsländer haben sich zudem nicht aus freien Stücken dazu entschieden, UPOV beizutreten, sondern wurden durch Freihandelsabkommen dazu verpflichtet.[21] Gegen Vorgaben zu UPOV in Freihandelsabkommen entsteht zunehmend Widerstand: In der Schweiz sind bei den verantwortlichen Personen über 1'300 Beschwerdebriefe aus verschiedenen Ländern eingetroffen.[22]

Menschenrechte Bearbeiten

Die strenge Auslegung der intellektuellen Eigentumsrechte wie sie es in der UPOV-Konvention festgeschrieben ist, steht in Konflikt mit den Menschenrechten. Insbesondere das bäuerliche Recht, das Saatgut wiederzuverwenden, zu tauschen und zu verkaufen, wie es in der UN-Deklaration für die Rechte von BäuerInnen und anderen Personen im Ländlichen Raum (UNDROP) sowie im International Treaty on Plant Genetic Resources for Food and Agriculture (ITPGRFA) verankert ist. Da Menschenrechte vor nationalen Rechten und zwischenstaatlichen Abkommen vorgehen, wären die UNO-Mitgliedsstaaten verpflichtet, ihre Sortenschutzgesetze und die UPOV-Konvention anzupassen.[23]

Biopiraterie Bearbeiten

Das Kriterium der Neuheit in der UPOV-Konvention bezieht sich lediglich darauf, dass eine Sorte im entsprechenden Land zuvor nicht geschützt war und kommerziell vermarktet wurde. So können Saatguthersteller auch Sorten schützen, die zuvor schon als traditionelle Sorten im Umlauf waren, wodurch der Biopiraterie Tür und Tor geöffnet wird. Tatsächlich ist aus Westafrika ist ein Fall von Biopiraterie belegt: In Niger wurde für die bäuerliche Zwiebelsorte "Violet de Galmi" Sortenschutz beantragt, ohne dass eine züchterische Leistung erbracht wurde.[24]

Biodiversität Bearbeiten

Da nur uniformes Saatgut geschützt werden kann, fördert der Standard von UPOV einseitig homogenes Saatgut und ist nicht geeignet für Populationssorten, die eine hohe genetische Diversität aufweisen. Dabei hätten solche Sorten insbesondere für die ökologische oder für eine dem Klimawandel angepasste Landwirtschaft ein großes Potential[25].

Mangelnde Dialogbereitschaft Bearbeiten

Zivilgesellschaftliche Organisationen wie Oxfam, das Third World Network, Via Campesina oder die Koalition "Recht auf Saatgut" kritisieren, dass das UPOV-Sekretariat und die Mitgliedstaaten sich gegenüber einem Dialog mit Betroffenen nicht offen zeigen würde:

-       indem Sitzungen geheim gehalten werden,

-       indem der UPOV Dokumente wie etwa Protokolle nicht öffentlich zugänglich macht,

-       indem Bauernorganisationen kein NGO-Beobachtungsstatus zuerkannt wird.[26]

Siehe auch Bearbeiten

Weblinks Bearbeiten

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. Internationaler Verband zum Schutz von Pflanzenzüchtungen: Bericht zur fünfundzwanzigsten ordentlichen Tagung des Rates vom 24. und 25. Oktober 1991 in Genf
  2. Internationaler Verband zum Schutz von Pflanzenzüchtungen: Bericht zur achtundzwanzigsten ordentlichen Tagung des Rates vom 9. November 1994 in Genf
  3. Internationaler Verband zum Schutz von Pflanzenzüchtungen: Bericht zur einunddreißigsten ordentlichen Tagung des Rates vom 29. Oktober 1997 in Genf
  4. Internationaler Verband zum Schutz von Pflanzenzüchtungen: Bericht zur vierunddreißigsten ordentlichen Tagung des Rates vom 26. Oktober 2000 in Genf
  5. Internationaler Verband zum Schutz von Pflanzenzüchtungen: Bericht zur siebenunddreißigsten ordentlichen Tagung des Rates vom 22. Oktober 2003 in Genf
  6. Internationaler Verband zum Schutz von Pflanzenzüchtungen: Bericht zur vierzigsten ordentlichen Tagung des Rates vom 19. Oktober 2006 in Genf
  7. Internationaler Verband zum Schutz von Pflanzenzüchtungen: Bericht zur dreiundvierzigsten ordentlichen Tagung des Rates vom 22. Oktober 2009 in Genf
  8. Internationaler Verband zum Schutz von Pflanzenzüchtungen: Bericht zur sechsundvierzigsten ordentlichen Tagung des Rates vom 1. November 2012 in Genf
  9. Internationaler Verband zum Schutz von Pflanzenzüchtungen: Bericht zur neunundvierzigsten ordentlichen Tagung des Rates vom 29. Oktober 2015 in Genf
  10. Internationaler Verband zum Schutz von Pflanzenzüchtungen: Bericht zur fünfzigsten ordentlichen Tagung des Rates vom 28. Oktober 2016 in Genf
  11. 50 Jahre Internationales Übereinkommen zum Schutz von Pflanzenzüchtungen. Bundessortenamt, 31. Oktober 2011, abgerufen am 21. Mai 2012.
  12. Both ENDS: UPOV 91 and Trade Agreements. 2018 (bothends.org [PDF]).
  13. Intellectual property rights in plant varieties. Abgerufen am 17. Juni 2021.
  14. Mitglieder des internationalen Verbandes zum Schutz von Pflanzenzüchtungen. Abgerufen am 1. Dezember 2021.
  15. Recht auf Saatgut: Replik der Schweizer Koalition Recht auf Saatgut auf die Stellungnahme des Staatssekretariats für Wirtschaft (Seco) zu den Schreiben von besorgten Bäuer*innen und Bürger*innen aus aller Welt. Abgerufen am 17. Juni 2021.
  16. D+C 2010/04 - Meienberg - Strict enforcement of intellectual property rights hurts farmers - Development and Cooperation - International Journal. 1. Januar 2011, archiviert vom Original am 1. Januar 2011; abgerufen am 2. Juni 2021.
  17. Graham Dutfield: Food, Biological Diversity and Intellectual Property: The Role of the International Union for the Protection of New Varieties of Plants (UPOV). In: The Quaker United Nations Office (Hrsg.): Global Economic Issue Publications. Intellectual Property Issue Paper Number 9, 2011 (archive.org [PDF]).
  18. Olivier De Schutter: Seed policies and the right to food: enhancing agrobiodiversity and encouraging innovation. Hrsg.: UN General Assembly. Juli 2009 (srfood.org [PDF]).
  19. Secretary-General of the United Nations: Agriculture development, food security and nutrition. Report of the Secretary-General. Hrsg.: UN General Assembly. Januar 2015 (un.org [PDF]).
  20. Intellectual property protection in plant varieties: A worldwide index (1961–2011). In: Research Policy. Band 44, Nr. 4, 1. Mai 2015, ISSN 0048-7333, S. 951–964, doi:10.1016/j.respol.2014.11.003 (sciencedirect.com [abgerufen am 2. Juni 2021]).
  21. UPOV 91 and trade agreements. In: Both ENDS discussion paper. Both ENDS, Oktober 2018, abgerufen am 14. Juli 2021 (englisch).
  22. Seco geht nicht auf die Anliegen der rund 2’400 Bäuerinnen und Bürger ein. In: Recht auf Saatgut. Alliance Sud, Brot für alle, Fastenopfer, FIAN, HEKS, Public Eye, SWISSAID, 30. Juni 2020, abgerufen am 14. Juli 2021.
  23. Christophe Golay: Research Brief: The Right To Seeds and Intellectual Property Rights. Hrsg.: Geneva Academy. November 2020.
  24. Mohamed Coulibaly, Robert Ali Brac de la Perrière, with contributions from Sangeeta Shashikant: A Dysfunctional Plant Variety Protection System: Ten Years of UPOV Implementation in Francophone Africa. Hrsg.: APBREBES and BEDE, together with Third World Network, Development Fund, Public Eye and Swissaid.
  25. Tove Mariegaard Pedersen, Abco de Buck, Clemens Flamm, Frederic Rey: Guidelines for adapted DUS and VCU testing of organic varieties. In: Véronique Chable, Frederic Rey, Monika Messmer (Hrsg.): Liveseed. 11. Februar 2021.
  26. Berne Declaration - UPOV to decide on farmers’ and civil society participation in its sessions. 10. Januar 2011, archiviert vom Original am 10. Januar 2011; abgerufen am 2. Juni 2021.