St.-Matthäus-Kirche (Berlin-Tiergarten)

Kirchengebäude in Berlin

Die St.-Matthäus-Kirche (auch: St.-Matthäi-Kirche) ist ein evangelischer Kirchenbau am südlichen Rand des Großen Tiergartens im Berliner Bezirk Mitte (Ortsteil Tiergarten). Sie steht heute als einziger historischer Bau mitten im Kulturforum.

Die St.-Matthäus-Kirche

Vorgeschichte des Kirchenbaus Bearbeiten

Im südlichen Tiergartenviertel entstand in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts eine großbürgerliche Wohnbebauung. Höhere Beamte, Unternehmer, Künstler und Wissenschaftler ließen sich hier nieder. Dies brachte diesem Viertel später den Namen „Geheimratsviertel“ ein. Das Gebiet wurde von der Dreifaltigkeitskirche aus betreut, die aber weit entfernt lag. So fanden Bestrebungen zur Gründung einer eigenen Gemeinde auch an höchster Stelle Gehör.

Am 5. Oktober 1843 wurde ein Kirchenbauverein gegründet, der für einen Kirchenbau im Viertel sorgen sollte. Den Vorsitz führte der Geheime Rat Emil von Koenen (1796–1883). Ein Bauplatz für die St.-Matthäus-Kirche wurde dem Verein bereits im selben Jahr, am 9. Dezember, durch den Mediziner Vetter geschenkt, der das Gebiet zwischen der damaligen Tiergartenstraße und der Grabenstraße, dem heutigen Reichpietschufer am Landwehrkanal, baulich erschließen wollte. Die Kirche sollte zentral in dieses Gebiet gebaut werden, damit eine Straße angelegt werden konnte – die Matthäi-Kirchstraße mit dem Matthäikirchplatz. Am 1. Januar 1844 schickte von Koenen ein Schreiben an den preußischen König Friedrich Wilhelm IV. mit der Bitte um die Baugenehmigung für die Kirche. Diese erfolgte am 27. Januar 1844, gemeinsam mit der Baugenehmigung für die Straße des Dr. Vetter.

Der Kirchenbau Bearbeiten

 
Blick von der gegenüberliegenden Staatsbibliothek auf die St.-Matthäus-Kirche
 
Der Altarraum der St.-Matthäus-Kirche mit einem temporären Altarbild von Yang Shaobin

Der Kirchenbau erfolgte im Anschluss daran nach einem Entwurf des Architekten und ranghohen preußischen Baubeamten Friedrich August Stüler bis zum Oktober 1845. Die Kirche wurde am 17. Mai 1846 eingeweiht. Als erster Pfarrer wurde der Erweckungsprediger Carl Büchsel aus der Uckermark nach Berlin berufen.

Stüler schuf einen dreischiffigen Kirchenbau. Die Schiffe verdeutlichte er von außen dadurch, dass jedes einen eigenen Giebel besitzt und drei gleichrangige Satteldächer die Schiffe bedecken. Im Norden schließt ein schlanker Turm das Mittelschiff ab. Im Süden wird jedes Schiff durch eine Apsis abgeschlossen. Das Gebäude orientiert sich an der oberitalienischen Romanik. Inmitten sehr moderner Neubauten wirkt dieser Bau noch immer relativ zeitgemäß.

Die Kirche wurde 1845 mit einer Orgel von Johann Friedrich Schulze aus Paulinzella ausgestattet, die 26 Register auf zwei Manualen und Pedal besaß.[1] Im Jahr 1900 ersetzten die Gebrüder Dinse diese Orgel durch eine neue mit drei Manualen und 42 Registern, der alte Prospekt der Schulze-Orgel wurde wiederverwendet.[2]

Die weitere Geschichte Bearbeiten

Am 15. November 1931 wurde Dietrich Bonhoeffer in der St.-Matthäus-Kirche zum Pfarrer ordiniert.

Das Viertel um die Kirche stand den Ausbauplänen für Berlin der Nationalsozialisten im Wege. In Vorbereitung des Ausbaus zur „Welthauptstadt Germania“ wurden für die Nord-Süd-Achse schon vor dem Zweiten Weltkrieg hier viele Häuser abgerissen. Auch das Pfarrhaus wurde abgetragen. Die Kirche selbst sollte abgebrochen und in Spandau wieder aufgebaut werden. Die Luftangriffe der Alliierten und die Schlacht um Berlin legten die Reste des Viertels in Schutt und Asche. Die St.-Matthäus-Kirche wurde durch die letzten Gefechte um das nahegelegene Regierungsviertel rund um die Wilhelmstraße und den Reichstag stark beschädigt.

Nach dem Krieg wurde der Bau nur äußerlich rekonstruiert, den Wiederaufbau 1956–1960 leitete der Architekt Jürgen Emmerich. Im Inneren tragen neue Betonbinder die Dachkonstruktion.

Das Umfeld der Kirche wurde nach dem Krieg einer völlig neuen Nutzung zugeführt. Es wurde – an der Nahtstelle zwischen Ost- und West-Berlin – zum Kulturforum entwickelt. 1987/1988 gewann Gisela Breitling den Wettbewerb zur Gestaltung des Turms.[3] Auch die Kirche ist inzwischen ein Teil des Kulturforums geworden. Sie wird weiter für Gottesdienste genutzt und ebenso als kultureller Veranstaltungsort. Für die Stiftung St. Matthäus ist dieser Kirchenbau ein hervorgehobener Ort für seine Tätigkeit.

In der St.-Matthäus-Kirche sind bedeutende Kunstwerke dauerhaft zu sehen, darunter ein Kruzifix von Gerhard Schreiter, ein Schmerzensmann der Riemenschneider-Werkstatt, ein Christuskopf von Gerhard Marcks sowie die Skulpturen Antlitz von Vadim Sidur und Ecce homo von Michael Morgner. Die Sakristei enthält fünf Glasfenster von Sigmund Hahn mit Themen der Apostelgeschichte.

Künstler werden zu Arbeiten für die Reihe „Das andere Altarbild“ eingeladen. Es gibt Ausstellungen zeitgenössischer Kunst, Konzerte, Podiumsdiskussionen, Predigtreihen und vieles mehr. Dienstags bis sonnabends finden um 12:30 Uhr Orgelandachten statt. Im Anschluss daran besteht die Möglichkeit zu einem seelsorgerlichen Gespräch. In den sonntäglichen hORA-Gottesdiensten um 18 Uhr predigen regelmäßig namhafte Theologen der Stadt Berlin und Gäste. Zahlreich mitwirkende Solisten und Ensembles tragen mit ausgesuchten Musikprogrammen zur Gestaltung der Gottesdienste bei. Regelmäßig erfolgen Uraufführungen neuer Musik in Gottesdiensten und Konzerten.

Die „Citykirche St. Matthäus“ ist eine offene Kirche. Führungen finden nach Vereinbarung statt. Durch ehrenamtliches Engagement ist die Kirche, außer montags, täglich von 11 bis 18 Uhr geöffnet. Im „Kirchenshop“ sind unter anderem die Publikationen der Edition St. Matthäus erhältlich, die viele Ausstellungen und Projekte der Stiftung dokumentieren. Der Turm ist während der Öffnungszeiten begehbar und bietet einen guten Rundblick. Eine temporäre Ausstellung zur Geschichte der St.-Matthäus-Kirche ergänzt das Angebot.

Trägerin der Veranstaltungen und Gottesdienste ist die 1999 gegründete Stiftung St. Matthäus, Kulturstiftung der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (EKBO). Die Stiftung dient dem besonderen Auftrag, den Dialog der Kirche mit den Künsten zu führen und zu fördern. Ihre Projekte und Aktionen sollen diesem Dialog immer wieder neue Impulse geben. Sie kooperiert mit Einrichtungen der evangelischen und katholischen Kirche und der Jüdischen Gemeinde, mit den Staatlichen Museen, insbesondere der Gemäldegalerie, mit privaten Galerien und mit anderen Kunstinstituten und Stiftungen im In- und Ausland.

Glocken Bearbeiten

Das dreistimmige Bronze-Geläut der Matthäuskirche wurde 1988 von der Glockengießerei Rudolf Perner in Passau gegossen. Es ersetzt ein Geläut von drei Stahlglocken in der Stimmung d' – f' – g', das 1960 vom Bochumer Verein angefertigt wurde. Vorige Glocken wurden in den beiden Weltkriegen beschlagnahmt und eingezogen.[4]

Nr. Durchmesser Gewicht Schlagton Inschrift
1 1220 mm 1070 kg e' CHRISTUS SPRICHT: KOMMT HER ZU MIR, ALLE, DIE IHR MÜHSELIG UND BELADEN SEID ICH WILL EUCH ERQUICKEN
2 1020 mm 635 kg g' CHRISTUS SPRICHT: BITTET, SO WIRD EUCH GEGEBEN SUCHET, SO WERDET IHR FINDEN KLOPFET AN, SO WIRD EUCH AUFGETAN
3 905 mm 450 kg a' CHRISTUS SPRICHT: SIEHE, ICH BIN BEI EUCH ALLE TAGE BIS AN DER WELT ENDE

Orgel Bearbeiten

Die heutige Orgel wurde 1966 von der Firma E. F. Walcker & Cie. geliefert. Sie besitzt 26 Register auf zwei Manualen und Pedal.[5]

Friedhöfe Bearbeiten

Die Kirchengemeinde erhielt 1856 einen ersten eigenen Kirchhof, den heutigen Alten St.-Matthäus-Kirchhof. 1899 folgte der Neue St.-Matthäus-Kirchhof Berlin, der aber schon bald an die Stadt Berlin verkauft wurde.

Literatur Bearbeiten

  • Geschichte der Gründung und der ersten fünfzig Jahre der St. Matthäus-Kirche zu Berlin. Im Auftrage der Gemeindeorgane dargestellt zur Feier des Kirchweihfestes am Sonntage Rogate 1896. Wiegandt und Grieben, Berlin 1896. Digitalisierung: Zentral- und Landesbibliothek Berlin, 2021. URN urn:nbn:de:kobv:109-1-15438104
  • Eva Börsch-Supan: Die St.-Matthäus-Kirche zu Berlin. (= Große Baudenkmäler, Heft 234.) 3. Auflage, München / Berlin 1991.
  • Guido Brendgens, Norbert König: Berlin Architektur. jovis-Verlag, Berlin 2003, ISBN 3-931321-46-0.
  • Hans J. Reichhardt, Wolfgang Schäche: Von Berlin nach Germania. Über die Zerstörungen der „Reichshauptstadt“ durch Albert Speers Neugestaltungsplanungen. überarbeitete und erweiterte Neuauflage, Transit Buchverlag, Berlin 1998, ISBN 3-88747-127-X.

Weblinks Bearbeiten

Commons: St.-Matthäus-Kirche – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. Berthold Schwarz & Uwe Pape: 500 Jahre Orgeln in Berliner Evangelischen Kirchen. Pape Verlag, Berlin 1991, Bd. I, S. 203–205.
  2. Roland Eberlein (Hg.): Hermann Mund Sammlung Orgeldispositionen Heft B/F. (walcker-stiftung.de [PDF; abgerufen am 24. Februar 2024] Disposition Nr. 110).
  3. Berliner Künstlerin Gisela Breitling mit 78 gestorben. In: sueddeutsche.de=. 13. März 2018, abgerufen am 25. August 2020.
  4. createsoundscape.de (Nationales Glockeninventar): Evang. Kirche St. Matthäus in Berlin-Tiergarten
  5. Organ database Informationen über die Orgel. Abgerufen am 1. März 2024.

Koordinaten: 52° 30′ 28,5″ N, 13° 22′ 3″ O