Satz von Fubini

mathematischer Satz

Der Satz von Fubini ist ein Satz in der Integralrechnung. Er gibt an, unter welchen Bedingungen und wie man mehrdimensionale Integrale mit Hilfe von eindimensionalen Integralen ausrechnen kann. Erstmals wurde dieser Satz 1907 von Guido Fubini (1879–1943) bewiesen.[1]

Beschreibung Bearbeiten

Mit Hilfe des Riemann-Integrals oder des Lebesgue-Integrals kann man die Integration von Funktionen über mehrdimensionale Gebiete definieren. Das Problem hierbei ist, dass diese Integrale über einen Grenzwert mit Hilfe einer Zerlegung des Gebiets in kleine Teile definiert sind. Diese ergibt allerdings keine nützliche, konstruktive Methode, um solche Integrale zu berechnen. Bei eindimensionalen Integralen kann man diese Grenzwertbildung vermeiden, wenn sich zu der zu integrierenden Funktion eine Stammfunktion finden lässt (Hauptsatz der Differential- und Integralrechnung).

Mit Hilfe des Satzes von Fubini können nun mehrdimensionale Integrale auf eindimensionale zurückgeführt werden, welche wiederum mit Hilfe einer Stammfunktion (sofern bekannt) berechnet werden können. Der Satz sagt zudem aus, dass die Reihenfolge der eindimensionalen Integrationen keine Rolle spielt. Dieser Trick ist in naiver Weise (vor einer exakten Definition der Integrationsrechnung) schon im 16. Jahrhundert verwendet worden und ist im Spezialfall von Volumenberechnungen unter dem Prinzip von Cavalieri bekannt.

Satz von Fubini für das Riemann-Integral Bearbeiten

Sei   stetig.

Dann ist   mit   stetig und es gilt

 .

Satz von Fubini für das Lebesgue-Integral Bearbeiten

Seien   und   zwei  -endliche Maßräume und   eine messbare Funktion, die bezüglich des Produktmaßes   integrierbar ist, das heißt, es gelte

 

oder es gelte   fast überall.

Dann ist für fast alle   die Funktion

 

und für fast alle   die Funktion

 

integrierbar bzw. nichtnegativ. Man kann deshalb die durch Integration nach   beziehungsweise   definierten Funktionen

 
 

betrachten. Diese sind auch integrierbar bzw. nichtnegativ und es gilt

 

Satz von Tonelli (auch Satz von Fubini-Tonelli) Bearbeiten

Eine nützliche Variante dieses letzten Satzes ist der Satz von Tonelli. Hier wird die Integrierbarkeit bezüglich des Produktmaßes als Voraussetzung nicht benötigt. Es reicht, dass für   die iterierten Integrale existieren:

Sei   eine reelle messbare Funktion wie oben. Falls eines der beiden iterierten Integrale

 ,
 

existiert, dann existiert auch das andere,   ist bezüglich des Produktmaßes integrierbar und es gilt:

 

Folgerungen Bearbeiten

Durch komponentenweise Betrachtung ergibt sich sofort, dass der Satz von Fubini nicht nur für reellwertige Funktionen, sondern entsprechend auch für Funktionen mit Werten in endlichdimensionalen reellen Vektorräumen gilt. Da der Körper   der komplexen Zahlen ein zweidimensionaler  -Vektorraum ist, gilt der Satz von Fubini ebenso für komplexwertige Funktionen oder Funktionen mit Werten in endlichdimensionalen  -Vektorräumen.

Stochastik Bearbeiten

Mithilfe des Satzes von Fubini kann man folgende Identitäten beweisen, die zum Beispiel Anwendung in der Stochastik finden.

  • Sei   Lebesgue-integrierbar, dann gilt:
 
  • Sei   Lebesgue-integrierbar, dann folgt induktiv:
 

Dies ist die Cauchy-Formel für mehrfache Integration.

Faltung zweier Funktionen Bearbeiten

Zudem liefert der Satz einen einfachen Beweis der Wohldefiniertheit der Faltung zweier Funktionen: Seien   aus dem  -Raum.   bezeichne das Lebesgue-Maß. Definiere die Funktion

 ,  .

Dann gilt

 .

Also existiert gemäß Fubini-Tonelli auch das Integral

 

und ist gleich dem obigen Integral.

Insbesondere sind die (messbaren) Funktionen  ,   für fast jedes   absolut integrierbar. Also ist die Faltung der Funktionen   und  , gegeben durch

 ,

wohldefiniert.

Zudem ist die Funktion   auch in   enthalten, und es gilt  .

Exemplarische Anwendung Bearbeiten

Arkussinusintegral Bearbeiten

Das Arkussinusintegral ist eine nicht elementare Funktion. Aber das Arkussinusintegral weist elementare Funktionswerte auf. Zur Ermittlung dieser Werte integriert man die Ableitung des Arkussinusintegrals, welche der Kardinalisierte Arkussinus ist. Und dementsprechend ist das Arkussinusintegral exakt die ursprüngliche Stammfunktion des kardinalisierten Arkussinus. Für die Integration dieser Funktion dient der Satz von Fubini als Schlüssel, welcher das Integral mittels Austausch der Integrationaparameter aufschließt. Denn auf richtige Weise angewendet führt der Satz von Fubini direkt zu einer auf elementare Weise integrierbaren Stammfunktion, welche bei folgender Formel in einem royalen Cyanton eingeblendet ist:

 
 
 

Dirichletsche Etafunktion Bearbeiten

Die Dirichletsche Reihe definiert die Dirichletsche Etafunktion so:

 

Der Wert η(2) ergibt π²/12 und dies kann mit dem Satz von Fubini bewiesen werden:

 

Das Integral vom Produkt aus Kehrwertfunktion und Logarithmus Naturalis von der Nachfolgerfunktion ist polylogarithmisch beschaffen und hat keine elementar darstellbare Stammfunktion. Aber der Satz von Fubini schließt dieses Integral auf eine kombinatorische Weise auf, indem bei einer Bilanz aus gebrochen rationalen Funktionen mit Brüchen aus linearen und quadratischen Nennern die Doppelintegration mit dem Satz von Fubini durchgeführt wird:

 
 
 

Die hier in royalem Cyanton eingeblendete ursprüngliche Stammfunktion führt direkt zum Werte von η(2) hin:

 

Literatur Bearbeiten

  • Jürgen Elstrodt: Maß- und Integrationstheorie. 7. Auflage. Springer, Berlin/Heidelberg 2011, ISBN 978-3-642-17904-4, Kapitel V.
  • Achim Klenke: Wahrscheinlichkeitstheorie. Springer-Verlag, Berlin Heidelberg 2008, ISBN 978-3-540-76317-8, S. 279.
  • Konrad Königsberger: Analysis 2. 5. Auflage, Springer, Berlin 2004.

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. Fubini, Guido (1907), "Sugli integrali multipli", Rom. Acc. L. Rend. (5), 16 (1): 608–614.