Samarra (arabisch سامراء, DMG Sāmarrāʾ) ist eine Stadt im Irak, nördlich von Bagdad, mit 158.968 Einwohnern (Stand 1. Januar 2005), Ausgrabungsstätte britischer Archäologen und einer der bedeutendsten Pilgerorte der Schiiten. Die Stadt liegt am linken Ufer des Tigris in der Provinz Salah ad-Din.

Samarra
Lage
Samarra (Irak)
Samarra (Irak)
Samarra
Koordinaten 34° 12′ N, 43° 52′ OKoordinaten: 34° 12′ N, 43° 52′ O
Staat Irak Irak
Gouvernement Salah ad-Din
Basisdaten
Höhe 80 m
Einwohner 158.968 (2005)
Spiralminarett der großen Moschee von Samarra
Spiralminarett der großen Moschee von Samarra
Spiralminarett der großen Moschee von Samarra

Vorgeschichte Bearbeiten

Geschichte Bearbeiten

Am Ort des heutigen Samarra war einst eine der größten Städte Mesopotamiens, die noch von den Sassaniden gegründet wurde. Diese vorislamische (damals nur noch aus Ruinen bestehende) Stadt wurde 833 vom Kalifen al-Muʿtasim durch das jetzige Samarra ersetzt und ist ebenso wie große Teile der frühen islamischen Stadtanlage von Ernst Herzfeld zwischen 1911 und 1914 freigelegt worden. (Der älteste Palast des von 833 bis 842 regierenden Kalifen, der von deutschen und später irakischen Grabungsteams untersucht wurde, ist der um 836 erbaute Kalifenpalast Dar al-Khalifa bzw. Jawsaq al-Khaqani[1]).

Der historische Name der Stadt ist Surra Man Ra'a was so viel bedeutet wie „Erfreut wer sie sah“. Sie wurde vom achten Kalifen der Abbasiden al-Muʿtasim, für seine türkmenischen Soldaten, in seiner neunjährigen Kalifatszeit gebaut und war von 836 bis 892, als al-Muʿtadid die Hauptstadt wieder nach Bagdad verlegte, Regierungssitz des Abbasidenreiches.[2]

Samarra als Residenz der Kalifen Bearbeiten

Al-Muʿtasims Nachfolger, al-Wāthiq, entwickelte Samarra zu einem Handelszentrum, ihre Blütezeit erlebte die Stadt am oberen Tigris unter Kalif al-Mutawakkil. Letzterer finanzierte im Jahre 847 den Bau der Großen Moschee von Samarra mit ihrer Malwiya und verdoppelte die Stadtfläche. Er ließ ebenso Parks anlegen und einen Palast für seinen Sohn al-Muʿtazz bauen. Obwohl Samarra nur zeitweilig Residenz der abbasidischen Kalifen war, sind die wissenschaftlichen Errungenschaften dieser Stadt in der islamischen Geschichte bis heute legendär.

Neuere Geschichte Bearbeiten

Von 1911 bis 1913 forschten der deutsche Altorientalist, Archäologe und Inschriftenforscher Ernst Herzfeld und der deutsche Kunsthistoriker Friedrich Sarre in Samarra und erlangten hierdurch internationales Renommée, da sie hier 8000 Jahre alte (6. Jahrtausend v. Chr.) bemalte Keramikware fanden, die sogenannte Samarra-Ware. Die archäologischen Funde der deutschen Samarra-Expedition, von denen sich Teile heute im Museum für Islamische Kunst in Berlin befinden, sollen im internationalen Projekt samarrafinds dokumentiert und einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.[3]

Weitere Objekte aus den Grabungen gelangten unter anderem in das British Museum, das Victoria and Albert Museum, das Museum für Islamische Kunst in Kairo, die Sammlung des französischen Archäologischen Institutes in Damaskus, das Museum für angewandte Kunst in Kopenhagen, den Louvre in Paris, das Museum of Fine Arts in Boston, das Metropolitan Museum of Art in New York, das University of Michigan Museum of Art und das Cleveland Museum of Art.[4] Sämtliche Ausgrabungsberichte, Zeichnungen und Fotoaufnahmen befinden sich heute im Archiv der Freer Gallery in Washington, DC.

Samarra wurde seit 2014 von der Terrororganisation Islamischer Staat belagert, deren Anführer Abu Bakr al-Baghdadi in Samarra geboren ist. Mehrere Versuche in die Stadt vorzudringen scheiterten jedoch am Widerstand der irakischen Armee. Es kam zu zum Teil verheerenden Terroranschlägen.[5]

Kultur und Sehenswürdigkeiten Bearbeiten

Samarra besitzt noch Ruinen zahlreicher, ursprünglich mit Marmor und kostbaren Mosaiken verkleideter[6] Kalifenpaläste und anderer Bauwerke. Die Große Moschee von Samarra erhielt ein spiralförmiges Minarett, das einer altmesopotamischen Zikkurat ähnelt. Dieses berühmte Minarett von Samarra befindet sich im Osten der heutigen Stadt. Die etwas kleinere und jüngere Abu-Dulaf-Moschee erhielt eine Nachbildung. 2007 erklärte die UNESCO die Ruinen und archäologischen Fundstätten zum Weltkulturerbe. Gleichzeitig trug sie sie auf der Roten Liste des gefährdeten Welterbes ein.[7]

Die heutige, viel kleinere Stadt Samarra liegt inmitten der weitläufigen Ruinenviertel am Ostufer des Tigris etwa 125 Kilometer nördlich von Bagdad.

Bedeutung für Schiiten Bearbeiten

Für Schiiten ist Samarra von großer Bedeutung, weil hier der zehnte und elfte Imam ʿAlī al-Hādī an-Naqī und Hasan al-ʿAskarī für längere Zeit lebten und auch begraben sind, und außerdem der zwölfte Imam Muhammad al-Mahdī hier in die Verborgenheit eingetreten sein soll. Der Kalif al-Mutawakkil hatte ʿAlī al-Hādī im Jahre 848 von Medina aus nach Samarra bringen lassen, um ihn hier besser kontrollieren zu können. 868 starb er und wurde in seinem Haus begraben. Sein Sohn Hasan al-ʿAskarī lebte hier weiter bis zu seinem Tode im Jahre 874 und wurde neben seinem Vater begraben.[8]

Dort, wo sich ihre Gräber sowie die Gräber verschiedener ihrer Angehörigen befinden, entstand später der Al-Askari-Schrein, eine der wichtigsten Wallfahrtsstätten der Schiiten.[9] Das Gebäude war für seine goldene Kuppel aus dem Jahr 1905 bekannt, die jedoch am 22. Februar 2006 durch einen Anschlag von sunnitischen Extremisten zerstört wurde. Am 13. Juni 2007 wurden die beiden verbleibenden Minarette bei einem Anschlag gesprengt.

Ein zweiter Schrein markiert die Stelle, wo Imam Muhammad al-Mahdi nach zwölfer-schiitischer Vorstellung in die Verborgenheit eintrat. Der Schrein hat eine Kuppel und ist bekannt für seine Verzierung mit blauen Fliesen, darunter ist der Sardab („Keller“), wo der Imam angeblich verschwand.

Ausstellung Bearbeiten

Wirtschaft Bearbeiten

Etwa 70 % aller Männer der Stadt zwischen 18 und 35 Jahren waren im Jahre 2003 arbeitslos. Hauptgrund für die hohe Arbeitslosigkeit im ganzen Land war die prekäre Sicherheitslage.

Galerie Bearbeiten

Töchter und Söhne Bearbeiten

Literatur Bearbeiten

  • A. Northedge: Sāmarrāʾ. In: The Encyclopaedia of Islam. New Edition. Band 8, S. 1039–1041.
  • Imranali Panjwani: The Shi'a of Samarra: the heritage and politics of a community in Iraq. London 2012.
  • Friedrich Sarre, Ernst Herzfeld (Hrsg.): Die Keramik von Samarra (= Forschungen zur islamischen Kunst. Band 2: Die Ausgrabungen von Samarra. Band 2). Reimer, Berlin 1925.

Siehe auch Bearbeiten

Weblinks Bearbeiten

Commons: Samarra – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Smithsonian Institution:

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. Maria Vittoria Fontana: Frühislamische Kunst. In: Wilfried Seipel (Hrsg.): 7000 Jahre persische Kunst. Meisterwerke aus dem Iranischen Nationalmuseum in Teheran: Eine Ausstellung des Kunsthistorischen Museums Wien und des Iranischen Nationalmuseums in Teheran. Kunsthistorisches Museum, Wien 2001, S. 296–325, hier: S. 296–298.
  2. Markus Hattstein: Islam Kunst und Architektur. Hrsg.: Markus Hattstein, Peter Delius. Könemann, 2005, ISBN 978-3-8331-6103-2, S. 102.
  3. samarrafinds.info: Die archäologischen Funde aus Samarra im Irak
  4. Das Schicksal der Funde aus Samarra (Memento vom 3. November 2013 im Internet Archive)
  5. ntv.de, wne/dpa: Heilige Schiiten-Stadt in Gefahr: Iraks Armee wehrt IS-Angriff ab. In: n-tv.de. 8. Januar 2015, abgerufen am 10. Februar 2024.
  6. Maria Vittoria Fontana: Frühislamische Kunst. 2001, S. 298.
  7. UNESCO World Heritage Centre: Samarra Archaeological City. Abgerufen am 23. September 2017 (englisch).
  8. Vgl. Northedge 1040b.
  9. Vgl. dazu das Buch von Panjwani.