Sängerkrieg auf der Wartburg

Sammlung mittelhochdeutscher Sangspruchgedichte

Der Sängerkrieg auf der Wartburg oder Wartburgkrieg ist eine schrittweise gewachsene Sammlung mittelhochdeutscher Sangspruchgedichte des 13. Jahrhunderts um einen angeblichen Dichterwettstreit auf der thüringischen Wartburg. Sie gilt als bedeutendstes Zeugnis thüringischer Spruchdichtung. Der Wartburgkrieg reflektiert die literarische Blüte am Hof des Landgrafen Hermann I. um 1200. Als Rückschau auf diese Glanzzeit wurden mehrere Jahrzehnte später berühmten Dichtern dieser Generation (Wolfram von Eschenbach, Walther von der Vogelweide) und fiktiven Konkurrenten (Klingsor als Romanfigur aus Wolframs Parzival, Heinrich von Ofterdingen) dialogische Strophen eines Sängerwettstreits in den Mund gelegt.

Miniatur des Sängerkriegs aus dem Codex Manesse, 14. Jahrhundert

Quellengeschichte Bearbeiten

Als älteste Gedichte des Wartburgkrieges gelten das „Rätselspiel“ (Rätselwettstreit zwischen Klingsor und Wolfram von Eschenbach) und „Aurons Pfennig“ (Anklagen gegen die Geistlichkeit), beide im Schwarzen Ton um 1239 entstanden. Dem „Rätselspiel“ vorangestellt wurde das in der 2. Hälfte des 13. Jahrhunderts entstandene „Fürstenlob“ in 24 Strophen im Thüringer Fürstenton, in dem sechs Sänger (Heinrich von Ofterdingen, Walther von der Vogelweide, der tugendhafte Schreiber, Biterolf, Reinmar von Zweter und Wolfram von Eschenbach) vor dem Landgrafen und der Landgräfin von Thüringen darum streiten, wer den besten Fürsten auf die beste Weise zu rühmen verstehe. Der unterlegene Heinrich von Ofterdingen erhält schließlich die Erlaubnis, den in der Nigromantie bewanderten Klingsor aus Ungarn herbeiholen zu dürfen, was zum „Rätselspiel“ überleitet. Ebenfalls zum Wartburgkrieg gehören „Zabulons Buch“ (Fürstenton, Wettstreit Klingsor – Wolfram) und die „Totenfeier“ (Schwarzer Ton, Trauer um den Tod des Landgrafen und des Grafen von Henneberg).

Den einen Wartburgkrieg, quasi in einer ,Ausgabe letzter Hand‘, gibt es nicht. Jeweils abweichende Fassungen sind in die großen Liederhandschriften des Spätmittelalters (Codex Manesse, der auch eine Miniatur mit der Darstellung des Sängerstreits enthält, Jenaer Liederhandschrift, Kolmarer Liederhandschrift) eingegangen. Thüringische Geschichtsschreiber wie Dietrich von Apolda (nach 1298) und Johannes Rothe (15. Jahrhundert) spannen aus der Dichtung ein historisches Ereignis aus. Die Dichtung bleibt dort noch der Panegyrik des thüringischen Herrscherhauses verpflichtet, der sie ihre Entstehung verdankt.

Die immer noch gängigste Übersetzung ins Neuhochdeutsche fertigte Karl Simrock 1858 an.[1]

Rezeption Bearbeiten

 
Moritz von Schwind: Der Sängerkrieg (Fresko auf der Wartburg im Sängersaal, 1855)

Die literarische Wirkung war offenbar enorm. Bis ins 15. Jahrhundert hinein wird am Wartburgkrieg um- und weitergedichtet. So dokumentiert er das Kunst- und Selbstverständnis des Meistersangs. Eine Version des Rätselspiels mit 32 Strophen bildet im 14. Jahrhundert den Eingang des ebenfalls im Schwarzen Ton gedichteten Lohengrin-Romans. Dadurch erscheint Wolfram, einer der beiden Akteure des Rätselspiels, als Erzähler des ganzen Romans.

Die Geschichte der Texte in der Neuzeit beginnt mit der Wiederentdeckung des Mittelalters im 18. Jahrhundert, als deren Pionier J. J. Bodmer gelten kann. Vor allem auf seine Minnesängerausgabe griff man in der Romantik zurück. Als Künstlererzählung aus dem deutschen Mittelalter, in der man das Verhältnis von Dichtertum und Gesellschaft verhandelt fand, erlangte die Sage in der Romantik große Popularität. Deutlichstes Signal eines neuen Interesses war der Heinrich von Ofterdingen des Novalis (erschienen 1802), ein groß konzipierter, aber unvollendet gebliebener Dichterbildungsroman. Während Novalis den eigentlichen Sängerwettstreit hier gar nicht mehr gestaltete, steht er im Zentrum von E. T. A. Hoffmanns Erzählung Der Kampf der Sänger (1818) und Friedrich de la Motte Fouqués Dichterspiel Der Sängerkrieg auf der Wartburg (1828).

Am bekanntesten dürfte jedoch die dramatische Umsetzung durch Richard Wagner sein (Oper Tannhäuser und der Sängerkrieg auf Wartburg 1843), die gegen die mittelalterliche Überlieferung zum ersten Mal den Tannhäuser-Stoff mit dem Wartburgkrieg verschmilzt, wobei sich das Sängerkriegsthema dem Erlösungsthema ganz unterordnet. Der mythische Zauberer Klingsor als Widerpart christlicher Gesinnung ist die Figur, die diese Anlagerung ermöglicht hat, weil sie dieselbe dämonisch-sinnliche Lebens- und Liebesauffassung verkörpern konnte, die den spätmittelalterlichen Tannhäuser in den Bann der Frau Venus zwang.

Im Kontext der Wiederentdeckung der Wartburg als Symbolort deutscher Geschichte und ihrer Restaurierung ab 1838 malte Moritz von Schwind im Auftrag Großherzog Carl Alexanders zwischen 1854 und 1856 mehrere Räume mit Fresken aus. Das Sängerstreitfresko ist das größte von ihnen. Es macht den Betrachter glauben, dass er sich am historisch wahren Ort des Geschehens befinde. Die Inschrift vermeldet:

IN DIESEM SAALE WURDE DER SÆNGER= / STREIT GEHALTEN DEN 7ten JULI 1207 / DEM GEBURTSTAG DER HEIL. ELISABETH.

1857 beauftragte Carl Alexander den Dichter Joseph Victor von Scheffel mit dem Verfassen eines Romans über den Sängerkrieg auf der Wartburg. Scheffel scheitert letzten Endes mit seinem großangelegten Vorhaben eines allumfassenden Wartburgromans, der sein Werk hatte krönen sollen. Er veröffentlicht aber einige für den Roman bestimmte Lieder (Frau Aventiure. Lieder aus Heinrich von Ofterdingens Zeit, 1863) und ein Fragment des Romans als eigenständige Novelle (Juniperius, 1867).

In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurde der Wartburgkrieg Motiv diverser zunehmend nationalistisch geprägter Romane wie Wilhelm ArminiusWartburg-Kronen (1905), Wilhelm Kotzde-Kottenrodts Wolfram (1920) oder Rudolf Leonhard Heubners Wolfram von Eschenbach (1934). Sie stilisierten insbesondere Heinrich von Ofterdingen als vermeintlichem Verfasser des Nibelungenliedes zum deutschen Dichter par excellence hoch, der dem „welschen Minnetand“ Wolframs von Eschenbach und Walthers von der Vogelweide den Kampf ansagt. Das (nach Motte Fouqué) erste Bühnenstück über den Wartburgkrieg wird 1903 uraufgeführt, Friedrich Lienhards Heinrich von Ofterdingen, der erste Teil einer Wartburg-Trilogie.

Im September 2002 wurde im Palas auf der Wartburg ein dreitägiges Mittelalterfest als Sängerkrieg aufgeführt. Die in mittelalterlicher Kostümierung erschienenen Künstler spielten mit musikalischen Klängen und Gesängen auf dem mit etwa 900 Besuchern ausverkauften Gastspiel.[2]

Im Jahre 2008 verwendete die Rockband In Extremo den Sängerkrieg auf der Wartburg als Thematik für ihr Album Sængerkrieg.

2012 veröffentlichte der Autor Robert Löhr mit Krieg der Sänger eine neue Interpretation der Sängerkriegssage.

Der Liedermacher Reinhold Andert verwendete das Sujet in seinem Lied Sängerkrieg. Er ergreift Partei für Heinrich von Ofterdingen, denn Den eigenen Fürsten zu loben erfordert im Ausland viel Mut. Allerdings instrumentalisiert er die Handlung im weiteren Text im Sinne der aktuellen DDR-Kulturpolitik: Denn heute noch singen Kollegen beim Fremdgehen gerne auf Knien, für ein paar fremde Münzen und Plätze an Akademien.

Literatur Bearbeiten

Weblinks Bearbeiten

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. Karl Simrock (Hrsg.): Der Wartburgkrieg. Stuttgart 1858.
  2. (eol/rbr): Sängerkrieg: Wiederholung nach fast 800 Jahren. WartburgkreisOnline, 9. September 2002, abgerufen am 6. September 2011: „Der Einladung zum Sängerstreit folgten namhafte Sänger und Musikanten. Gekommen waren Karsten Wolfewicz («Truchsess von Weissensee») Gesang und gotische Harfe, Exaquier; Marc Lewon («Markus von Schadeck») Gesang und Mandora, Nyckelharpa; Dr. Almut Kirchner («La Trobadora») Gesang und gotische Harfe; Peter Rabanser («Pirino da Selva») Gesang und Tanburita, Ud; Duo Robert Weinkauf («Anselm an der Amselalm») und Kay Krause («Kroesus Kraushaar») Gesang und Mittelalterlaute; Hans Hegner («Der Fundevogel») Gesang, Symphonia, Einhandflöte und Borduntrommel. Landgraf und Sophie wurden von Jan Seidel und Jana Pardeß dargestellt, Jörg Peukert war der «Orator de Novo Castro» und Cornelia Schütte tanzte als «Yasmina, die liebliche Tänzerin». Drei Abende mit Gesang, Unterhaltung, Lyrik, Tanz und Musik machten die Zeit des Mittelalters lebendig.“