Riesending-Schachthöhle

Höhle in den Berchtesgadener Alpen

Die Riesending-Schachthöhle ist eine Höhle im Untersberg in den Berchtesgadener Alpen auf dem Gebiet der bayerischen Gemeinde Bischofswiesen.[3] Mit vermessenen 25,2 Kilometern Länge[1] und 1149 Metern Tiefe[2] ist sie die längste und tiefste bekannte Höhle Deutschlands. Die Höhle ist vom Bayerischen Landesamt für Umwelt (LfU) als besonders wertvolles Geotop ausgewiesen.[4] Sie war im Herbst 1996 von Forschern der Arbeitsgemeinschaft für Höhlenforschung Bad Cannstatt e. V. entdeckt worden.[5] Durch die aufwändige Rettung 2014 von Johann Westhauser erfuhr sie internationales Medienecho.

Riesending-Schachthöhle

Querschnitt der begangenen Teile, Stand Januar 2014.
Querschnitt der begangenen Teile, Stand Januar 2014.

Querschnitt der begangenen Teile, Stand Januar 2014.

Lage: Bayern, Deutschland
Höhe: 1843 m ü. NHN
Geographische
Lage:
47° 41′ 49,3″ N, 12° 59′ 5″ OKoordinaten: 47° 41′ 49,3″ N, 12° 59′ 5″ O
Riesending-Schachthöhle (Bayern)
Riesending-Schachthöhle (Bayern)
Katasternummer: 1339/336
Geologie: Dachsteinkalk
Typ: Schachthöhle
Entdeckung: 1996, Forschungsbeginn 2002
Gesamtlänge: 25,2 km[1]
Niveaudifferenz: –1149 m[2]
Besonderheiten: tiefste und längste Höhle Deutschlands
(Stand Oktober 2022)
Höhlenforscher in der Eingangsdoline der Höhle

Name Bearbeiten

Der Name geht auf den erstaunten Ausruf „Das ist ja ein Riesending!“ bei der Entdeckung der Höhle zurück.[6]

Charakteristik Bearbeiten

Die Karsthöhle entstand durch Lösung des Kalkgesteins[7] und ist „mit ihrer Anlage an Störungen und ihrem Stockwerksbau ein Musterbeispiel für die Höhlenentstehung in den Nördlichen Kalkalpen“.[5] Große Sedimentmengen weisen auf eiszeitlich bedingte Höhlenbildungsprozesse hin.[5]

Direkt nach dem Einstieg auf dem Karstplateau des Untersbergmassivs in etwa 1843 Metern Höhe führt eine Folge von Schächten 350 Meter senkrecht nach unten. Hier durchfließt auf einer Höhe von 1400 m ü. NHN, auf dem die Höhle ein erstes Horizontalniveau erreicht, ganzjährig ein Bach eine enge Canyon-Passage, der sich zahlreiche Schachtstufen anschließen. Der Bach, Sammler genannt, wird aus zahlreichen Zubringern, meist aus hohen Schloten, gespeist.[5] Nach einer weiteren Schachtserie von etwa 450 Metern Tiefe erstreckt sich ein verzweigtes Horizontalniveau. Durch mehrere Zuläufe führt der die Höhle durchfließende Bach auf diesem Niveau deutlich mehr Wasser als auf der oberen Ebene. Von hier aus führen mehrere Schacht- und Horizontalserien sowohl in die Länge als auch in die Tiefe der Höhle bis auf die derzeit bekannte Tiefe von 1148 Metern unter dem Einstiegspunkt. Die Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft für Höhlenforschung Bad Cannstatt e. V. vermuten, dass die Höhle deutlich länger ist, als zurzeit durch Vermessungen belegt werden kann. Diese Vermutungen basieren auf dem starken Höhlenwind in 900 m Tiefe und werden durch Radonmessungen bekräftigt, die auf eigenständige Windbewegungen und Luftaustausch mit der Atmosphäre hinweisen, für die der bisher bekannte Eingang „nur eine untergeordnete Rolle spielt“.[2]

Die Höhle umfasst mehrere Wasserfälle und einen 30 Meter langen See, der nur im Schlauchboot überquert werden kann.[2] Besonders bei Schneeschmelze (bis Ende Juni) und bei Unwettern ist die gesamte Höhle stark hochwassergefährdet, Teile der Höhle werden dann vollständig überschwemmt.[8] Im Eingangsteil besteht zudem die Gefahr von Eis- und Steinschlag. Die Temperatur beträgt ganzjährig zwischen 1,5 °C und 5 °C, die Luftfeuchtigkeit fast 100 Prozent.[7] In einer Kammer in 720 m Tiefe finden sich Tropfsteine, die „vollständig mit einer dünnen Schicht an Feinstsedimenten (Silt) überzogen“ sind.[5]

Das Höhlensystem führt sein Wasser wie der Großteil des Plateaus[9] sehr wahrscheinlich im Norden des Untersbergs ab, vermutlich über die rund vier Kilometer entfernte Fürstenbrunner Quellhöhle in der Salzburger Gemeinde Grödig; diese Verbindung konnte bisher aber nicht direkt nachvollzogen werden.[5] Eine ehemals von einem Höhlenbach durchflossene Höhle zieht sich mit starkem Höhlenwind in Richtung der Quellhöhle.[9] Es wird vermutet, dass diese gemeinsam mit der Kolowrat-Höhle und den Windlöchern ein mindestens 70 km langes, den gesamten Berg durchziehendes Höhlensystem bilden, die Verbindungshöhlen dürften jedoch größtenteils unter Wasser stehen.[9]

Begehung Bearbeiten

Als die Höhle 1996 von Hermann Sommer und Ulrich Meyer entdeckt wurde, blieb sie zunächst unbeachtet; erst ab 2002 wurde sie erforscht.[7] Erstbefahrer[10] und weitere Erschließer mit Beitrag zur Erforschung der Riesending-Schachthöhle im Untersberg waren Lars Bohg, Jürgen Kühlwein, Anja und Thomas Matthalm, Ulrich Meyer, Marcus Preißner und Johann Westhauser sowie ab 2004 Florian Schwarz und Wolfgang Zillig.[11] 2003 wurde das erste Biwak in 350 m Tiefe errichtet, 2005 in 500 m und 700 m Tiefe weitere, das vierte folgte 2006 in 850 m Tiefe, im Folgejahr Biwak fünf.[5] Seit 2010 wird ein Cave-Link-Kommunikationssystem verwendet. Dieses erlaubt den Austausch von Textnachrichten durch eine Kombination unterschiedlicher Funktechnologien. Während in der Höhle geerdete Antennen das Signal über Relais-Stationen weitergeben, überträgt die Oberflächenstation die Nachricht in das Mobilfunknetz. Nützlich ist dies beispielsweise, um aktuelle Wetterdaten zu empfangen.[5] Die Höhlenforscher, die mehrmals im Jahr meist zu viert oder zu fünft in die Höhle gehen, übernachten in Biwaks und sind teils „mehrere Tagesreisen entfernt von der Oberfläche“ auf sich gestellt.[12] Die Erforschung ist wegen tiefer Schächte im Gangverlauf, die nur mit technischem Klettern überwunden werden können sowie der großen Tagferne und Tiefe schwierig.[2] Bis Mai 2014 hatte nicht einmal ein Dutzend Menschen die Höhle betreten, der einzige bekannte Zugang in der Flurnummer 94 der Gemarkung Bischofswiesener Forst[13] wurde geheim gehalten.[12] Es handelt sich um eine „ab dem ersten Meter […] technisch anspruchsvolle Schacht- und Wasserhöhle“, die im Mai 2014 über neun Kilometer an Fixseilen in Schächten und Canyons verfügte.[14] Zwischen dem Forschungsbeginn im Jahr 2002 und Mai 2014 wurden 19,2 Kilometer Ganglänge bis in eine Tiefe von 1148 Metern unter dem Eingang vermessen.[14] In der Höhle wird in Kooperation mit verschiedenen Universitäten zu Höhlenentstehung und Hydrologie geforscht.[14] Es werden Daten zu „Wasserqualität, Abflussdynamik sowie zum Eintrag von Stäuben und Sedimenten in den Hochgebirgskarst“ erhoben, was für die Trinkwasserversorgung Salzburgs relevant ist.[15]

Als Folge der Rettungsaktion im Juni 2014 kündigte Bayerns Innenminister Herrmann am 19. Juni 2014 an, dass die Begehung zukünftig nur noch in Ausnahmefällen für Forschungsarbeiten möglich sein soll. Wegen eines drohenden „Risikotourismus“ wurde das Betreten der Höhle per Gemeindeverordnung nach § 26 Abs. 1 LStVG[13] verboten[16] und der Eingang mit einem Stahlgitter mit einer versperrbaren Luke verschlossen.[17] Von der Gemeinde Bischofswiesen[18] werden Einzelgenehmigungen bei „berechtigtem Interesse“ und körperlicher wie fachlicher Eignung erteilt.[3]

Unfall des Höhlenforschers Johann Westhauser Bearbeiten

 
Eingang der Höhle, Rettung des Verletzten

Im Juni 2014 wurde der Höhlenforscher Johann Westhauser in rund 950 Metern Tiefe etwa 6,5 km vom Einstiegsschacht entfernt bei einem Steinschlag schwer am Kopf verletzt und erlitt ein Schädel-Hirn-Trauma.[19][20][21] Einer seiner Begleiter blieb bei ihm, während der andere Begleiter aufbrach, um Hilfe zu holen. Die Rettung gestaltete sich wegen der komplizierten Höhlenstruktur äußerst schwierig, benötigte fünf Tage Vorbereitungszeit und dauerte unter der Mitwirkung hunderter Helfer aus fünf Nationen weitere sechs Tage.[22][23] Über die Rettungsaktion, die als „Kapitel alpiner Rettungsgeschichte“[16] bezeichnet wurde, wurde international berichtet.[24][25][26][27]

In den folgenden sechs Jahren holten Forscher an fünf bis zehn Tagen pro Jahr ehrenamtlich insgesamt über eine Tonne Material und Abfall der Rettungsaktion von 2014 mit Muskelkraft aus der Höhle.[28]

Film Bearbeiten

Literatur Bearbeiten

  • Thomas Matthalm, Ulrich Meyer: Die Riesending-Schachthöhle im Untersberg. In: Verband Österreichischer Höhlenforscher, Verband der deutschen Höhlen- und Karstforscher e. V. (Hrsg.): Die Höhle – Zeitschrift für Karst- und Höhlenkunde. Band 60, 2009, S. 33–43 (zobodat.at [PDF; 18,0 MB]).
  • Lars Abromeit: „An diesen geschundenen Strick soll ich mein Leben hängen?“ In: GEO. Nr. 1, 2010, S. 100–114 (Artikel und Fotogalerie auf GEO.de).
  • Ulrich Meyer, Thomas Matthalm: Die Riesending-Schachthöhle im Untersberg. In: Mitteilungen des Verbands der Deutschen Höhlen- und Karstforscher e. V. Band 57, Nr. 2, 23. Mai 2011, ISSN 0505-2211, S. 36–44 (vdhk.de [PDF; 2,6 MB; abgerufen am 25. Oktober 2012]).
  • Ulrich Meyer: Auf der Suche nach dem Barbarossa-System im Untersberg. In: Akten des 13. Nationalen Kongresses für Höhlenforschung, 2012 – Actes du 13e Congrès national de Spéléologie. Muotathal 2012, S. 68–74 (agsr.ch [PDF; 462 kB; abgerufen am 25. Oktober 2012]).
  • Ulrich Meyer: Das Riesending im Untersberg. Arbeitsgemeinschaft für Höhlenforschung Bad Cannstatt e. V. (Hrsg.), Bad Cannstatt 2015.

Weblinks Bearbeiten

Commons: Riesending-Schachthöhle – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. a b Längsten und tiefsten Höhlen Deutschlands - Arge Grabenstetten. Thilo Müller und Andreas Wolf, ARGE Höhle & Karst Grabenstetten e.V., März 2024, abgerufen am 3. März 2024.
  2. a b c d e Riesending-Schachthöhle Untersberg. In: lehmpfuhl.org. Arbeitsgemeinschaft für Höhlenforschung Bad Cannstatt e. V., 8. Januar 2023, abgerufen am 9. Januar 2023.
  3. a b Kilian Pfeiffer: „Riesending“ wird geschlossen. In: Berchtesgadener Anzeiger. 20. Juni 2014, abgerufen am 23. Juli 2023.
  4. Bayerisches Landesamt für Umwelt, Geotop Riesending-Schachthöhle im Untersberg. In: umweltatlas.bayern.de. Abgerufen am 17. Dezember 2017.
  5. a b c d e f g h Ulrich Meyer, Thomas Matthalm: Die Riesending-Schachthöhle im Untersberg. In: Mitteilungen des Verbands der Deutschen Höhlen- und Karstforscher e. V. Band 57, Nr. 2, 23. Mai 2011, ISSN 0505-2211, S. 36–44 (Online [PDF; 2,6 MB; abgerufen am 25. Oktober 2012]).
  6. Martina Scherf: In der tiefsten Höhle Deutschlands. In: sueddeutsche.de. 10. Juni 2014, abgerufen am 23. Juli 2023.
  7. a b c Stephanie Geiger: Bayerns tiefster Punkt. In: Die Welt. 21. September 2008, abgerufen am 23. Juli 2023.
  8. Riesending-Schachthöhle: Arzt kommt vorerst nicht weiter. In: Stuttgarter Zeitung. 11. Juni 2014, abgerufen am 23. Juli 2023.
  9. a b c Ulrich Meyer: Auf der Suche nach dem Barbarossa-System im Untersberg. In: Akten des 13. Nationalen Kongresses für Höhlenforschung, 2012 – Actes du 13e Congrès national de Spéléologie. Muotathal 2012, S. 68–74 (agsr.ch [PDF; 462 kB; abgerufen am 16. Juni 2014]).
  10. Franz Lindenmayr: Landschaft und Höhlen auf der bayrischen Seite des Untersbergs. In: lochstein.de. Abgerufen am 23. Juli 2023.
  11. Thomas Matthalm, Ulrich Meyer: Die Riesending-Schachthöhle im Untersberg. In: Verband Österreichischer Höhlenforscher, Verband der deutschen Höhlen- und Karstforscher e. V. (Hrsg.): Die Höhle – Zeitschrift für Karst- und Höhlenkunde. Band 60, 2009, S. 33–43 (zobodat.at [PDF; 18,0 MB; abgerufen am 25. Januar 2022]).
  12. a b Deutschland von unten. In: Terra X. Erstausstrahlung: 17. Mai 2014.
  13. a b Tagesordnung zur Sitzung des Gemeinderates der Gemeinde Bischofswiesen am Dienstag, den 24.06.2014 um 18.30 Uhr, Gemeinde Bischofswiesen. abgerufen am 19. Juni 2014 (PDF) (Memento vom 14. Juli 2014 im Internet Archive)
  14. a b c Kilian Pfeiffer: Dem »Riesending« auf den Grund gegangen. In: Berchtesgadener Anzeiger. 14. Mai 2014, abgerufen am 23. Juli 2023.
  15. Andreas Frey: Höhlenforscher: Extremisten der Erkenntnis. In: FAZ.NET. 17. Juni 2014, abgerufen am 23. Juli 2023.
  16. a b Stephanie Geiger: Nach Forscher-Unglück: Bayerns Innenminister will Riesending-Höhle schließen. In: FAZ.NET. Frankfurter Allgemeine Zeitung, 18. Juni 2014, archiviert vom Original am 31. Oktober 2020; abgerufen am 29. Dezember 2022.
  17. Riesending-Höhle nun verschlossen. In: salzburg.ORF.at. Österreichischer Rundfunk, 27. Juni 2014, abgerufen am 29. Dezember 2022.
  18. Eingang der Riesending-Höhle aufgebrochen. In: salzburg.ORF.at. Österreichischer Rundfunk, 2. November 2015, abgerufen am 29. Dezember 2022.
  19. Verunglückter Forscher Johann Westhauser: Rettungsaktion nach Höhlendrama zieht sich hin. In: FAZ.NET. 11. Juni 2014, abgerufen am 23. Juli 2023.
  20. Internationaler Höhlenrettungseinsatz (Memento vom 26. Juni 2014 im Webarchiv archive.today), Bergwacht Bayern, 25. Juni 2014.
  21. Riesending-Höhle: Höhlen-Drama: Chirurg will notfalls in 1000 Metern Tiefe operieren. In: Augsburger Allgemeine. 11. Juni 2014, abgerufen am 23. Juli 2023.
  22. Chronologie der Rettungsaktion (Memento vom 7. Juli 2014 im Internet Archive), Deutsches Rotes Kreuz.
  23. Bilanz der Riesending-Retter: „Es war eine Mammutaufgabe“. Spiegel Online, 19. Juni 2014.
  24. Germania, speleologo intrappolato a mille metri sotto terra. In: Corriere della Sera. 12. Juni 2014, abgerufen am 23. Juli 2023 (italienisch).
  25. Une opération d’envergure pour secourir un spéléologue allemand. In: Le Figaro. 10. Juni 2014, abgerufen am 23. Juli 2023 (französisch).
  26. German cave rescue of Johann Westhauser under way. In: BBC. 16. Juni 2014, abgerufen am 23. Juli 2023 (englisch).
  27. German cave rescue of Johann Westhauser can begin, doctors say. In: CBC news. 12. Juni 2014, abgerufen am 23. Juli 2023 (englisch).
  28. Riesending-Höhle mühsam gereinigt. In: orf.at. 3. November 2018, abgerufen am 3. November 2018.
  29. Das Riesending – Die ganze Doku. In: arte.tv. 22. Januar 2022, ehemals im Original (nicht mehr online verfügbar); abgerufen am 22. Januar 2022.@1@2Vorlage:Toter Link/www.arte.tv (Seite nicht mehr abrufbar. Suche in Webarchiven)