Richard Gutjahr

deutscher Moderator, Journalist und Blogger

Richard Gutjahr (* 1973 in Bonn) ist ein deutscher Moderator, Journalist und Blogger.

Richard Gutjahr (2019)

Leben und Wirken Bearbeiten

Ausbildung und Studium Bearbeiten

Gutjahr besuchte zwischen 1993 und 1998 die Deutsche Journalistenschule in München. In dieser Zeitspanne studierte er zudem Politik- und Kommunikationswissenschaften an der Ludwig-Maximilians-Universität München.[1] Er schloss das Studium mit einem Diplom in Journalistik ab.[2] Er nahm an einem Austausch des Centre de formation des journalistes de Paris und zwischen 1998 und 1999 an einem Semesterprogramm der American University in Washington, D.C. teil.[3]

Journalistische Tätigkeit Bearbeiten

Von 1992 bis 1996 arbeitete er als Nachrichtenredakteur, Live-Reporter und Moderator für Radio Gong, worauf ab 1996 bis 1999 eine Stelle bei Bayern 3 folgte.[4] Für die Süddeutsche Zeitung arbeitete Gutjahr als freier Mitarbeiter und Karikaturist. Ab Januar 1999 arbeitete er fünf Monate als Trainee für CNN im Büro in Washington. In der Folge arbeitete er für die öffentlich-rechtlichen Fernsehsender Das Erste und Bayerischer Rundfunk, etwa für Programme wie Live aus dem Alabama.

Richard Gutjahr war Mitarbeiter der Chefredaktion des Bayerischen Fernsehens und Moderator der Rundschau-Nacht.[5][6] Vom 14. Mai bis zum 7. Juni 2012 moderierte Gutjahr ein von ihm entwickeltes Social-TV-Projekt Rundshow mit wechselnden Co-Moderatoren, darunter Daniel Fiene, Sascha Lobo und Sandra Rieß.[7][8] Zudem schreibt er seit Mitte 2010 eine wöchentliche Kolumne in der Münchner Abendzeitung.[9] Daneben schreibt er auch für andere Tageszeitungen, wie z. B. den Berliner Tagesspiegel[10] oder für die Frankfurter Allgemeine Zeitung.[11]

2010 wurde er nach 23-stündigem Schlangestehen vor dem Apple-Store in New York als weltweit erster Käufer eines iPads bekannt.[12][13]

Einer größeren Öffentlichkeit wurde er durch eine Reportage aus Kairo während der Revolution in Ägypten 2011 bekannt.[14] Zu ihr entschloss sich Gutjahr spontan und ohne Auftrag beim Aufenthalt in Israel zur Reise nach Kairo.[15]

Gutjahr war Mitinitiator von LobbyPlag, einer Web-Plattform, die es sich zum Ziel setzte, die direkte Einflussnahme von Lobbyisten auf Politiker im Zusammenhang mit der geplanten EU-Datenschutzverordnung nachzuweisen.[16] Die Rechercheergebnisse, die unter anderem belegten, dass Parlamentarier weite Teile ihrer Gesetzesvorlagen aus Lobbypapieren abgeschrieben hatten, sorgten weltweit für mediale Aufmerksamkeit.[17]

Am 14. Juli 2016 war er zufällig Zeuge der Amokfahrt des Anschlags in Nizza, als er gerade ein Sabbatical mit seiner Familie in Südfrankreich machte.[18][19][20] Er berichtete über Twitter sowie im ARD-Nachtmagazin und im Bayerischen Rundfunk. Ein Video, das offenbar den Beginn des Anschlags zeigt, stellte er dem WDR zur Verfügung; er entschied sich ausdrücklich gegen eine Veröffentlichung des Materials in den sozialen Netzwerken, weil er es den Sendern überlassen wollte, welche Bilder gezeigt werden sollten.[21][22][23][24] Am 22. Juli 2016 berichtete Gutjahr unter anderem für die ARD-Tagesschau live von dem Anschlag am Olympia-Einkaufszentrum. Ursprünglich auf dem Weg zum Bayerischen Rundfunk, wurde er von einem Freund, späteren Veröffentlichungen zufolge von seiner Tochter,[25] über den Vorfall informiert[19] und traf als einer der ersten Reporter am Tatort ein.[26]

Über Gutjahr wurden in sozialen Netzwerken wiederholt Verschwörungserzählungen verbreitet.[27][28][29] Gegen diese sowie gegen eine unberechtigte Verwendung seiner Aufnahmen von der Tat in Nizza wehrt sich Gutjahr seither erfolgreich.[25]

Für seine Reporterleistungen u. a. in Nizza und in München wurde Gutjahr im Jahr 2016 vom Medium Magazin zum Reporter des Jahres (2. Platz) gewählt. In der Jury-Begründung hieß es: „Ein Vorreiter in der Digitalszene. 2016 bewies er in gleich drei großen Lagen, wie besonnene Reporterarbeit geht: beim Terroranschlag in Nizza, beim Anschlag in München und beim Mobile-Reporting-Experiment für den NDR bei der US-Wahl. Ein Gegenpol zu jenen, die sich in solchen Lagen zu gern im Spekulations-Dschungel verlaufen.“[30] Im Januar 2018 ließ er die Domain der rechtspopulistischen Zeitschrift Compact pfänden, nachdem diese für Prozesskosten nicht aufgekommen war, die entstanden waren, weil Gutjahr gegen ehrenrührige Verdächtigungen, die in Compact erschienen waren, eine einstweilige Verfügung erwirkt hatte.[31] Im Juni 2018 verlor er einen Prozess vor dem Oberlandesgericht Köln gegen Gerhard Wisnewski wegen einer Passage in dessen Buch verheimlicht – vertuscht – vergessen, weil „die Darstellung Wisnewskis viel zu vage“ sei, „um sich überhaupt als Verdachtsberichterstattung zu qualifizieren“.[32]

Gutjahr war bis Ende 2019 fester freier Mitarbeiter des BR; nach 22 Jahren beendete er dort seine Tätigkeit. In einem offenen Brief kritisierte er den BR und dessen Intendanten Ulrich Wilhelm für die aus seiner Sicht fehlende Unterstützung gegen die anhaltenden Angriffe von „Verschwörungstheoretikern, Neonazis und Reichsbürgern“.[33] Laut Gutjahr hätten Wilhelm und dessen engste Mitarbeiter versucht, „das Kontrollgremium des Bayerischen Rundfunks zu täuschen und hinter verschlossenen Türen immer wieder die Wahrheit zu verbiegen“. Der Bayerische Rundfunk wies die Vorwürfe zurück und erklärte, der Brief enthalte „keine neuen Aspekte und ist im Kern nicht zutreffend“. Weiter heißt es in der Stellungnahme: „Der BR weist insbesondere den Vorwurf der Lüge und Täuschung durch den Intendanten Ulrich Wilhelm strikt zurück.“[34][35]

2020 arbeitete Gutjahr bei Gabor Steingarts Firma Media Pioneer, wo er unter anderem das Technik-Podcast Tech-Briefing moderierte. Ende August beendete er seine Mitarbeit wegen Äußerungen Steingarts.[36][37] Seit September 2020 produziert Gutjahr mit Don Dahlmann den T-Online-Podcast „Ladezeit“ zum Thema Elektromobilität.[38][39]

Privates Bearbeiten

Richard Gutjahr war zwischen 2007 und 2017 mit der ehemaligen israelischen Knesset-Abgeordneten Einat Wilf (bis 2011 Arbeitspartei, danach unabhängig) verheiratet.[40] Er hat eine Tochter (* 1994)[41] und einen Sohn (* 2010).[42]

Auszeichnungen Bearbeiten

  • 2006: Ernst-Schneider-Preis für Wirtschaftsjournalismus für die Reportagereihe Der Hartz Check, zusammen mit BR-Rundschau-Redaktionsleiter Peter Marder[43]
  • 2011: Newcomer des Jahres (Medium Magazin)[44]
  • 2012: Netzjournalist des Jahres 2011 (Die Zeit)[45]
  • 2013: Nominierung für den Grimme Online Award; zum ersten Mal für die persönliche Leistung einer Einzelperson[46]
  • 2016: Reporter des Jahres (2. Platz; Medium Magazin)[30]

Schriften Bearbeiten

Weblinks Bearbeiten

Commons: Richard Gutjahr – Sammlung von Bildern

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. @1@2Vorlage:Toter Link/www.blm.deBayerische Landeszentrale für neue Medien: Kurz-Vita Richard Gutjahr (PDF; 33 kB), abgerufen am 10. Mai 2012 (Seite nicht mehr abrufbar, festgestellt im August 2018. Suche in Webarchiven)
  2. Christian Berg: Piraten im Bayerischen Rundfunk: Das Rundshow-Alphabet, 10. April 2012, abgerufen am 10. Mai 2012
  3. Richard Gutjahr: Xing-Profil, abgerufen am 10. Mai 2012
  4. Richard Gutjahr: Radio (Memento vom 8. Mai 2014 im Internet Archive), abgerufen am 10. Mai 2012
  5. Richard Gutjahr (PDF) DJV-Fachtagung, abgerufen am 10. Mai 2012
  6. Wer präsentiert die Rundschau-Sendungen?, Bayerisches Fernsehen, 18. Juli 2011, abgerufen am 10. Mai 2012
  7. Bayerisches Fernsehen: BR startet neues Social-TV-Projekt, 10. April 2012, abgerufen am 10. Mai 2012
  8. "Social-TV-Experiment "Rundshow" im BR: Wir twittern im Bademantel", Spiegel Online, abgerufen am 4. August 2013
  9. Richard Gutjahr: Von einem, der auszog, das Bloggen zu lernen In: t3n, 21. Februar 2012. Abgerufen am 10. Mai 2012.
  10. Lobbyismus: Mein persönliches Wurst-Erwachen, Tagesspiegel vom 26. Februar 2013, abgerufen am 26. Juli 2013.
  11. Israelische Piratenpartei: Schmuggler von Ideen, FAZ vom 13. September 2012, abgerufen am 26. Juli 2013.
  12. Erstes iPad geht nach München. In: Süddeutsche Zeitung. 5. April 2010, abgerufen am 20. Juni 2012.
  13. “First iPad sold goes to Bavaria”. In: Spiegel Online. 3. April 2010, abgerufen am 20. Juni 2012.
  14. Ulrike Langer: Ein Lanze für den Unternehmerjournalismus: Richard Gutjahr in Kairo (Memento vom 1. Juli 2012 im Internet Archive), 4. Februar 2011, abgerufen am 10. Mai 2012
  15. Richard Gutjahr: Unterwegs nach Kairo, 30. Januar 2011, abgerufen am 10. Mai 2012
  16. Blogpost, abgerufen am 26. Juli 2013.
  17. Blogpost, abgerufen am 26. Juli 2013.
  18. Richard Gutjahr. In: 1LIVE Talk. Archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar); abgerufen am 4. Dezember 2016.
  19. a b Caroline Scott: How one reporter covered the attacks in Nice and Munich with a mobile phone. Mousetrap Media Ltd, 25. Juli 2016, abgerufen am 25. Juli 2016.
  20. „Wir sahen, wie Leute getroffen wurden“. Hannoversche Allgemeine, 15. Juli 2016, abgerufen am 15. Juli 2016.
  21. Richard Guthahr, ARD Reporter, mit einem Augenzeugenbericht. ARD, 15. Juli 2016, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 14. Juli 2016; abgerufen am 15. Juli 2016 (Video).
  22. Die Momente der Tragödie. Tagesschau (ARD), 15. Juli 2016, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar); abgerufen am 15. Juli 2016 (Video).
  23. Augenzeuge Gutjahr: „Der Lastwagen passte nicht ins Bild“. In: Spiegel online. 15. Juli 2016, abgerufen am 15. Juli 2016.
  24. Kurt Sagatz, Joachim Huber: Filmen oder helfen? In: tagesspiegel.de. 15. Juli 2016, abgerufen am 16. Juli 2016.
  25. a b Hakan Tanriverdi: Streit mit Youtube: Richard Gutjahr kämpft seit dem Münchner Amoklauf gegen Verschwörungstheorien. In: sueddeutsche.de. 6. September 2016, abgerufen am 7. September 2016.
  26. Polizei: Verletzte und möglicherweise Tote bei Schüssen in München. Tagesschau (ARD), archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar); abgerufen am 25. Juli 2016.
  27. Inge Seibel: Wenn Reporterschicksal zum Alptraum wird. (PDF) Interview in: Medium Magazin, 9/2016, S. 36–39.
  28. Richard Gutjahr: Dirty old Internet - Leben mit Verschwörungstheorien und Hass, Vortrag beim Zündfunk Netzkongress 2018, BR Mediathek, 26. Oktober 2018
  29. Soziale Medien: "An Deiner Stelle würd ich mir in Die Hose scheissen, das meiner Tochter auch mal was passieren könnte.", Die Zeit 4/2018 vom 17. Januar 2018
  30. a b Richard Gutjahr – Medium Magazin Beta. Abgerufen am 21. Februar 2017.
  31. „Ich hab dann mal die Domain gepfändet“: Wie sich Richard Gutjahr gegen das umstrittene Compact Magazin wehrt. meedia.de, 23. Januar 2018; Markus Reuter: Öffentlichkeit: Richard Gutjahr lässt Domain von rechtsradikalem Magazin Compact pfänden. netzpolitik.org, 23. Januar 2018.
  32. Stefan Niggemeier: Verschwörungstheorie mit Folgen: Ein Sieg fürs substanzlose Raunen: Gutjahr unterliegt Wisnewski. uebermedien.de, 30. Juli 2018.
  33. In eigener Sache, 31. Dezember 2019
  34. „Mit Hass und Hetze alleingelassen“. Spiegel Online, 1. Januar 2020
  35. Fall Gutjahr: mit rechter Hetze allein gelassen? Zapp, 8. Januar 2019
  36. Media Pioneer: Richard Gutjahr wechselt ins Team von Gabor Steingart. Meedia, abgerufen am 17. April 2020.
  37. Simon Book, Anton Rainer: Die unbequeme Wahrheit über den Medienmacher Gabor Steingart. In: Der Spiegel. Nr. 42, 2020 (online).
  38. t-online startet Podcast rund um E-Mobilität. In: t-online.de, 2. Oktober 2020.
  39. t-online Ladezeit – der Podcast über Elektromobilität.
  40. 14 Couples Say “I Do” OR “I Do Again” Atop Empire State Building On Valentine’s Day (Memento vom 10. Juli 2011 im Internet Archive)
  41. So will Gutjahr den Journalismus retten. In: candid-com.com. 28. Januar 2016, ehemals im Original (nicht mehr online verfügbar); abgerufen am 26. April 2016.@1@2Vorlage:Toter Link/www.candid-com.com (Seite nicht mehr abrufbar. Suche in Webarchiven)
  42. Gil Stern Stern Hoffman: Labor MK Einat Wilf gives birth to baby boy. In: The Jerusalem Post. 13. Dezember 2010, abgerufen am 23. Januar 2018 (englisch).
  43. Preisträger. (Memento vom 11. Oktober 2007 im Internet Archive; PDF; 53 kB) Ernst-Schneider-Preis; abgerufen am 10. Mai 2012
  44. Die Journalisten des Jahres 2011, medium online, abgerufen am 10. Mai 2012
  45. Franziska Bulban, Alexandra Rojkov, Ulrich Stock, Heinrich Wefing, Falk Lüke, Jutta Schein, Evelyn Finger, Stefan Schmitt, Karsten Polke-Majewski, Khuê Pham: Unsere Internet-Top-Ten. In: Die Zeit, Nr. 1/2012.
  46. Grimme. abgerufen am 26. Juli 2013.