Reinhold Schünzel

deutscher Schauspieler und Regisseur (1888-1954)

Reinhold Schünzel (* 7. November 1888 in Hamburg-Groß Borstel[1]; † 11. September 1954 in München) war ein deutscher Schauspieler, Filmregisseur, Drehbuchautor und Filmproduzent.

Reinhold Schünzel um 1921 auf einer Fotografie von Alexander Binder

Leben und Werk Bearbeiten

Nach seiner kaufmännischen Ausbildung war er nebenberuflich zunächst Statist, später Schauspieler auf Bühnen in Hamburg, Bern und Berlin. Sein Filmdebüt gab er 1916 unter Carl Froelich und wurde gleich im selben Jahr von Richard Oswald entdeckt. Fortan war er in der Rolle des Schurken Teil der Oswaldschen Stammbesetzung mit Anita Berber, Werner Krauß und Conrad Veidt. Mit Veidt spielte er 1919 in Anders als die Andern, wo er den Erpresser eines homosexuellen Geigers (gespielt von Veidt) verkörpert. Seit 1918 führte Schünzel auch selbst Regie.

In der zweiten Hälfte der 1920er Jahre entstand eine Reihe von Schünzel-Filmen, episodischen Komödien, in denen Schünzel die Hauptrolle bekleidete, selbst produzierte und die Ober-Regie übernahm. Diese Meisterwerke der deutschen Filmkomödie wurden erst in den letzten Jahren wiederentdeckt und beim CineGraph-Kongress und beim CineFest in Schünzels Heimatstadt Hamburg sowie beim Internationalen Filmfestival in Karlovy Vary wieder aufgeführt.

Er trat 1931 in Georg Wilhelm Pabsts Verfilmung von Die 3-Groschen-Oper als Polizeichef Tiger Brown auf und verkörperte im selben Jahr den Staatsminister Herlitz in Ihre Hoheit befiehlt nach einem Drehbuch von Billy Wilder.

 
Reinhold Schünzel zwischen den Boxern Max Schmeling (rechts) und Jose Santa bei den Dreharbeiten zum Film Liebe im Ring (1930)

Mit Beginn des Tonfilms kam Schünzels komisches Talent als Regisseur besser zur Geltung, so vor allem bei Viktor und Viktoria (1933), Die englische Heirat, Die Töchter ihrer Exzellenz (1934) und Amphitryon – Aus den Wolken kommt das Glück (1935), die alle auch in französischer Version für den Export entstanden. Er durfte allerdings nur mit Sondererlaubnis des Nazi-Propagandaministers Joseph Goebbels arbeiten, da Schünzel als „Halbjude“ galt.

Im Jahr 1937 emigrierte er schließlich in die Vereinigten Staaten. Dort kehrte er, da seinen eigenen Regiearbeiten wenig Erfolg beschieden war, wieder zur Schauspielerei zurück und spielte in zahlreichen Filmen. Wegen seines Akzents wurde er gerne in der Rolle des bösen Nazi besetzt, so 1943 in Fritz Langs Auch Henker sterben und 1946 in Alfred Hitchcocks Berüchtigt.

Im Jahr 1949 kehrte er nach Deutschland zurück. Erstaunt und enttäuscht fand er in den Filmzulassungsbehörden die gleichen Beamten wieder, die ihm in der Zeit des Dritten Reichs das Arbeiten erschwert hatten. Und auch jetzt kam es wieder zu den gleichen Schwierigkeiten. Einen eigenen Film gestaltete Schünzel nach dem Krieg nicht wieder, übernahm jedoch 1951 auf Wunsch des Produzenten Franz Tapper kurzfristig die Co-Regie bei der Verfilmung von Die Dubarry.

Er arbeitete am Theater in München, sowie als Nebendarsteller im Film. 1954 erhielt er den Bundesfilmpreis als „Bester männlicher Nebendarsteller“ für seine Rolle in Gerhard Lamprechts Literaturverfilmung Meines Vaters Pferde II. Teil Seine dritte Frau.

Reinhold Schünzel war in fast 200 Filmen engagiert. Aus seiner Ehe mit der Schauspielerin Hanne Brinkmann ging die Tochter Annemarie hervor, die in den USA als Marianne Stewart als Schauspielerin Karriere machte.

Ehrungen Bearbeiten

Im Jahr 1988 widmete CineGraph – Hamburgisches Centrum für Filmforschung aus Anlass des 100. Geburtstags den 1. Internationalen Filmhistorischen Kongress in Hamburg dem Werk des Regisseurs und Schauspielers. Angeregt durch die daraus resultierende Buchpublikation drehte Hans-Christoph Blumenberg 1995 eine filmische Auseinandersetzung mit der Biografie Schünzels unter dem Titel Beim nächsten Kuß knall’ ich ihn nieder.

Seit 2004 vergibt eine internationale Jury jeweils zur Eröffnung von CineFest – Internationales Festival des deutschen Filmerbes einen Reinhold Schünzel-Preis als Ehrenpreis für langjährige Verdienste um die Pflege, Bewahrung und Verbreitung des deutschen Filmerbes.

Ausgezeichnet wurden bisher:

  • 2004 Ingrid Scheib-Rothbart, langjährige Filmprogramm-Verantwortliche im Goethe-Haus New York.
  • 2005 Manfred Klaue, ehemaliger Direktor des Staatlichen Filmarchivs der DDR und Präsident des internationalen Verbands der Filmarchive FIAF, Erkner.
  • 2006 der italienische Filmhistoriker Vittorio Martinelli (†).
  • 2007 der Filmhistoriker Gero Gandert (†), Berlin.
  • 2008 Vladimír Opěla, ehemaliger Direktor des NFA – Národní filmový archiv, Prag.
  • 2009 der Filmjournalist Volker Baer (†), Berlin.
  • 2010 die Filmwissenschaftlerin Heide Schlüpmann, Frankfurt.
  • 2011 Barton Byg, Gründer der DEFA Film Library an der University of Massachusetts, Amherst.
  • 2012 der französische Filmhistoriker Bernard Eisenschitz, Paris.
  • 2013 der Filmpublizist und Kritiker Wolfram Schütte, Frankfurt.
  • 2014 der Filmhistoriker Horst Claus, Bristol.
  • 2015 Vera Gyürey, ehemalige Direktorin des Ungarischen Filmarchivs, Budapest.
  • 2016 die Literatur- und Filmwissenschaftlerin Heike Klapdor, Berlin.
  • 2017 der Filmhistoriker und Kurator Lenny Borger, Paris.
  • 2018 der Filmhistoriker und Archivar Jan-Christopher Horak, UCLA, Los Angeles.
  • 2019 der Filmhistoriker und Festivaldirektor Giovanni Spagnoletti, Rom.
  • 2020 die Filmhistorikerin und Kulturpolitikerin Kathinka Dittrich van Weringh, Köln.
  • 2021 die Filmhistorikerin und Autorin Christiane Mückenberger, Potsdam-Babelsberg
  • 2022 die Filmhistorikerin Sabine Hake, Austin (Texas) und Freiburg/Breisgau

Filmografie (Auswahl) Bearbeiten

Schauspieler

Regisseur

Drehbuchautor

Literatur Bearbeiten

  • Jörg Schöning: Reinhold Schünzel – Schauspieler, Regisseur. In: CineGraph – Lexikon zum deutschsprachigen Film, Lieferung 6, 1986.
  • Jörg Schöning, Erika Wottrich (Red.): Reinhold Schünzel. Schauspieler und Regisseur (revisited). Edition Text + Kritik, München 2009, ISBN 978-3-86916-040-5, 175 S.
  • Kay Weniger: 'Es wird im Leben dir mehr genommen als gegeben …'. Lexikon der aus Deutschland und Österreich emigrierten Filmschaffenden 1933 bis 1945. Eine Gesamtübersicht. S. 451 ff., ACABUS-Verlag, Hamburg 2011, ISBN 978-3-86282-049-8
  • Kay Weniger: Das große Personenlexikon des Films. Die Schauspieler, Regisseure, Kameraleute, Produzenten, Komponisten, Drehbuchautoren, Filmarchitekten, Ausstatter, Kostümbildner, Cutter, Tontechniker, Maskenbildner und Special Effects Designer des 20. Jahrhunderts. Band 7: R – T. Robert Ryan – Lily Tomlin. Schwarzkopf & Schwarzkopf, Berlin 2001, ISBN 3-89602-340-3, S. 200 ff.
  • Ulrike Krone-Balcke: Schünzel, Reinhold. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 23, Duncker & Humblot, Berlin 2007, ISBN 978-3-428-11204-3, S. 640 f. (Digitalisat).
  • Schünzel, Reinhold, in: Werner Röder; Herbert A. Strauss (Hrsg.): International Biographical Dictionary of Central European Emigrés 1933–1945. Band 2,2. München : Saur, 1983, S. 1054

Weblinks Bearbeiten

Commons: Reinhold Schünzel – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. Quelle: Geburtsurkunde Nr. 5834, Standesamt Hamburg 03, Staatsarchiv Hamburg.