Prämenstruelles Syndrom

Beschreibung für emotionale und körperliche Beschwerden in Zusammenhang mit dem Menstruationszyklus
Klassifikation nach ICD-10
N94.3 Prämenstruelle Beschwerden
ICD-10 online (WHO-Version 2019)

Prämenstruelles Syndrom (PMS) bezeichnet komplexe körperliche und emotionale Beschwerden im Zusammenhang mit dem Menstruationszyklus, die vier bis vierzehn Tage vor dem Eintreten der Regelblutung in jedem Monatszyklus auftreten können und mit Beginn der Regel aufhören.[1] Bei einer Studie gab jede zehnte Frau im gebärfähigen Alter an, regelmäßig unter PMS-Symptomen zu leiden.[2]

Symptome Bearbeiten

Der Schweregrad des PMS variiert. Ein Viertel der Betroffenen klagt über stark ausgeprägte Symptome und drei bis 8 Prozent leiden unter einer besonders starken Form des PMS, das dann auch prämenstruelle dysphorische Störung (PMDS) genannt wird. Erstere leiden unter einer regelmäßigen Befindlichkeitsstörung, letztere sind in dieser Zeit in ihrem Arbeitsumfeld und sonstigen sozialen Kontakten erheblich eingeschränkt.

Zu den körperlichen Symptomen können gehören:

  • Wasseransammlungen im Gewebe (Ödeme)
  • Hautveränderungen
  • Müdigkeit, Abgeschlagenheit, Erschöpfungssymptome
  • Übelkeit und Kreislaufbeschwerden
  • Durchfall
  • Krämpfe im Unterbauch
  • Kopf- und Rückenschmerzen
  • Heißhunger oder Appetitlosigkeit
  • Schmerzhafte Spannungen, Schwellungen oder extreme Empfindlichkeit der Brüste (Mastodynie)
  • erhöhte Sensibilität auf Reize (Licht, Berührung, Lärm, Geruch, Zeit- und Arbeitsdruck)
  • Migräne
  • Ohnmacht
  • Völlegefühl
  • Schmerzen im Bereich der Geschlechtsorgane und im kleinen Becken beim Geschlechtsverkehr (Dyspareunie)
  • Schleimhautreizungen
  • Aktivierung von latenten Entzündungsherden im Körper

Zu den psychischen Symptomen können gehören:[3][4]

Geschichte Bearbeiten

Der Zusammenhang zwischen seelischem Befinden, insbesondere aber bestimmten Störungen und dem Menstruationszyklus ist seit langem bekannt. Hippokrates erklärte vor rund 2500 Jahren die Stimmungsschwankungen in Abhängigkeit von der Monatsblutung als Folge eines „verhinderten Abflusses des Menstruationsblutes“.

Zu Beginn des 18. Jahrhunderts wurden menstruationsabhängige seelische Erkrankungen wissenschaftlich genauer erforscht. Im 19. Jahrhundert gingen die Psychiater sogar davon aus, dass rund zehn Prozent aller seelischen Störungen aufgrund organischer Veränderungen (etwa Herz-Kreislauf, Magen-Darm, Störungen der Gehirnfunktion) bei Frauen mit ihrer Monatsblutung in Verbindung stünden.

Im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts erkannte man schließlich den engen Zusammenhang zwischen bestimmten seelischen Symptomen und Veränderungen im so genannten ovariellen Hormonhaushalt während des Menstruationszyklus. Insbesondere fand man heraus, dass depressive und ängstliche Verstimmungen hauptsächlich in der zweiten Zyklusphase nach dem Eisprung (luteale Phase oder Gelbkörperphase) auftreten, während sich psychisches Wohlbefinden häufiger in der ersten Hälfte (Follikelphase) des Menstruationszyklus beobachten lässt.

Robert T. Frank identifizierte prämenstruelle Beschwerden 1931 erstmals als eigene klinische Entität; er beschrieb diese als eine Kombination von physischen und psychischen Symptomen und nannte sie „premenstrual tension“.[5] Raymond Greene und Katharina Dalton betonten 1953 die Komplexität der Symptomatik und bezeichneten sie als „prämenstruelles Syndrom“.[5][6] Bis 1969 wurden 150 Symptome in der Literatur beschrieben.[5] Katherina Dalton machte 1980 auf die Notwendigkeit einheitlicher Kriterien zur Diagnosestellung aufmerksam.[5] 1985 wurde erstmals die Prämenstruelle Dysphorische Störung (PMDS) von der Amerikanischen Psychiatrischen Vereinigung in die Liste der seelischen Erkrankungen aufgenommen, damals noch unter dem Namen Dysphorische Störung der späten Lutealphase (LLPDD).[7]

Therapie Bearbeiten

Zur Linderung der Symptome des prämenstruellen Syndroms können pflanzliche Präparate wie der Mönchspfeffer (Agnus castus) oder bei entsprechenden Symptomen SSRI (Serotoninwiederaufnahmehemmer), Aldosteronantagonisten (z. B. bei Neigung zur Ödembildung) eingesetzt werden.[8] Invasive Therapiemaßnahmen (z. B. GnRH-Analoga) sind nur in Ausnahmefällen nötig.[9] Forscher haben nun auch herausgefunden, dass eine bestimmte Kombination aus Fettsäuren die Symptome lindern kann, was bei einer Nahrungsumstellung berücksichtigt werden könnte.[10][11]

Kritik Bearbeiten

Die unterschiedlichen verwendeten Definitionen von PMS haben zur Folge, dass die Angaben zur Prävalenz sehr stark variieren. In Deutschland wird im klinischen Alltag vornehmlich nicht nach DSM-5 diagnostiziert, sondern auf der Grundlage des ICD-10 der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Die Diagnosen PMS und PMDS sind dort in der Kategorie „Psychische und Verhaltensstörungen (F00-F99)“ nicht aufgeführt[12], PMDS ist allerdings in der neueren Version ICD-11, die 2022 in Kraft getreten ist, enthalten.

Die schwerere Form des PMS, die prämenstruelle dysphorische Störung (PMDS), wird an einigen Stellen als rein soziales Konstrukt gesehen, das von der Pharmaindustrie eingeführt worden sei, um die Verschreibung von Medikamenten zu legitimieren.[13] Kritiker der Diagnose PMDS befürchten, dass durch Stellen derselben natürliche Vorgänge pathologisiert würden.[14] Ein Review, das 2014 im Journal of Clinical Psychiatry publiziert wurde, fand keine Beweise für diese Befürchtungen und bestätigt das Vorkommen der Erkrankung.[15]

Siehe auch Bearbeiten

Literatur Bearbeiten

  • Michelle Harrison: Das prämenstruelle Syndrom. München 1985, ISBN 3-88104-150-8.
  • Lois Jovanovic, Genell J. Subak-Sharpe: Hormone. Das medizinische Handbuch für Frauen. (Originalausgabe: Hormones. The Woman’s Answerbook. Atheneum, New York 1987) Aus dem Amerikanischen von Margaret Auer, Kabel, Hamburg 1989, ISBN 3-8225-0100-X, S. 14, 91 ff., 384 und öfter.
  • David Hänggi-Bally: Das prämenstruelle Syndrom. In: Schweizerisches Medizinisches Forum. Band 7. 2007, S. 734–738.

Weblinks Bearbeiten

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. Prämenstruelles Syndrom. In: Pschyrembel. Klinisches Wörterbuch. 2014. Begründet von Willibald Pschyrembel. Bearbeitet von der Pschyrembel-Redaktion des Verlages. 265., neu bearbeitete Auflage. De Gruyter, Berlin 2013, ISBN 978-3-11-030509-8 (Pschyrembel kommerzielles Online-Portal Werbehinweis). Stichwort in der 255. Auflage online hier. Auf: books.google.de, von 2006, abgerufen am 12. November 2013.
  2. Prämenstruelles Syndrom (PMS), Monatsbeschwerden der Frau. auf: sprechzimmer.ch vom 15. November 2012, abgerufen am 12. November 2013.
  3. H. P. Zahradnik, B. Wetzka, W. Schuth: Zyklusabhängige Befindlichkeitsstörungen der Frau. In: Der Gynäkologe. 2000; 33(3), S. 225–238; doi:10.1007/s001290050539.
  4. Anzeichen und Beschwerden beim prämenstruellen Syndrom (PMS). Auf: experto.de, abgerufen am 12. November 2013.
  5. a b c d Katja Rolker: Über die Anwendung von Diagnoseleitlinien zum prämenstruellen Syndrom unter Ärzten. Dissertation. Berlin 2010 (online)
  6. R. Greene, K. Dalton: The premenstrual syndrome. In: Br. Med. J. 1953; 1, S. 1007–1014.
  7. Geschichte des PMS (online)
  8. D. E. Webster, J. Lu, S.-N. Chen, N. R. Farnsworth, Z. Jim Wang: Activation of the μ-opiate receptor by Vitex agnus-castus methanol extracts: Implication for its use in PMS. In: Journal of Ethnopharmacology. Band 106, Nr. 2, 2006, S. 216–221, doi:10.1016/j.jep.2005.12.025, PMID 16439081.
  9. H-P. Zahradnik: Prämenstruelles Syndrom. In: Gynäkologische Endokrinologie. 2004; May 2004, 2(2), S. 64–69.
  10. Fettsäuren gegen prämenstruelles Syndrom hilfreich. Auf: aerzteblatt.de, vom 19. Januar 2011, abgerufen am 12. November 2013.
  11. E. A. Rocha Filho, J. C. Lima, J. S. Pinho Neto, U. Montarroyos: Essential fatty acids for premenstrual syndrome and their effect on prolactin and total cholesterol levels: a randomized, double blind, placebo-controlled study. In: Reproductive health. Band 8, 2011, S. 2, ISSN 1742-4755. doi:10.1186/1742-4755-8-2. PMID 21241460. PMC 3033240 (freier Volltext).
  12. Carolyn Janda: Prämenstruelle Beschwerden verstehen, diagnostizieren und behandeln. Randomisiert kontrollierte Studien zur Untersuchungkognitiv-behavioraler Ansätze bei der prämenstruellen dysphorischen Störung. 2015, abgerufen am 31. Januar 2020 (deutsch).
  13. Alia Offman & Peggy J. Kleinplatz: Does PMDD belong in the DSM? Challenging the medicalization of women's bodies. Hrsg.: Canadian Journal of Human Sexuality. University of Toronto Press, 2004.
  14. J. C. Wakefield: DSM-5, psychiatric epidemiology and the false positives problem. In: Epidemiology and Psychiatric Sciences. Band 24, Nr. 3, Juni 2015, ISSN 2045-7960, S. 188–196, doi:10.1017/S2045796015000116 (cambridge.org [abgerufen am 31. Januar 2020]).
  15. S. Ann Hartlage, Cynthia A. Breaux, Kimberly A. Yonkers: Addressing Concerns About the Inclusion of Premenstrual Dysphoric Disorder in DSM-5: (Perspectives). In: The Journal of Clinical Psychiatry. Band 75, Nr. 01, 15. Januar 2014, ISSN 0160-6689, S. 70–76, doi:10.4088/JCP.13cs08368 (psychiatrist.com [abgerufen am 29. August 2021]).