Piero della Francesca

italienischer Maler und Mathematiker

Piero della Francesca (eigentlich Pietro di Benedetto dei Franceschi, auch Pietro Borghese; * um 1410–1420 in Borgo San Sepolcro; begraben 12. Oktober 1492 ebenda) war ein italienischer Maler der Frührenaissance, Kunsttheoretiker und Mathematiker.

Vermutetes Selbstporträt Piero della Francescas (Mitte links unten) in einem Fresko, das die Auferstehung Jesu Christi darstellt (Museo Civico, Sansepolcro)
Madonna del Parto (Madonna der Geburt)

Leben und Wirken Bearbeiten

Seine Ausbildung und Jugend verbrachte Piero wohl in Florenz, wo in den 1430er Jahren eine helle, pastellartige Farbigkeit gepflegt wurde, die 1435 auch von Leon Battista Alberti in seinem Malereitraktat (trattato della pittura) propagiert wurde. Vor allem Domenico Veneziano, dem Piero in Florenz 1439 nachweisbar zuarbeitete, aber auch Fra Angelico werden ihn in diesem Sinne beeinflusst haben, während er von Masaccio durch dessen bedachte Anordnung der Figuren im Raum beeindruckt wurde. Nach Florenz kehrte Piero nach 1440 wohl nicht mehr zurück, doch 1459 arbeitet er kurz für den Papst in Rom, sonst ist er ab 1442 in der toskanischen Provinz (Arezzo, Sansepolcro) und für Provinzfürsten in Urbino, Ferrara oder Rimini tätig. Da es nur wenige gesicherte Daten zum Leben und zu einzelnen Werken Pieros gibt, ist die Chronologie seiner Werke umstritten und die Angaben im folgenden Werkverzeichnis nennen entsprechend gespreizte Entstehungszeiträume. Hatte man früher versucht, aus der Stilentwicklung eine Werkabfolge abzuleiten, geht die jüngere Forschung eher von historischen (Ginzburg) und damit verbundenen ikonographischen Indizien (Roeck) aus, um Entstehungsanlässe einzelner Werke wahrscheinlich zu machen. Neben bürgerlichen Stiftern kirchlicher Fresken sind es vor allem höfische Kreise um die Herrscher in Rimini und Sansepolcro (Malatesta) oder Urbino (Montefeltro), deren untereinander geführte Auseinandersetzungen sich in verschlüsselten Bilddetails spiegeln. Pieros Bildsprache ist geprägt von antiken Reminiszenzen, zu denen er zwischen 1452 und 1466 im Künstler- und Humanistenkreis am Hofe von Federico da Montefeltro in Urbino Zugang hatte und die auch seine späteren theoretischen Arbeiten prägten. Zu den Künstlern, die er am Herzogshof kennenlernte, gehörte Melozzo da Forli.

Zu seinen Schülern gehörten vermutlich Luca Signorelli und Pietro Perugino sowie der aus seinem Heimatort stammende Mathematiker Luca Pacioli (um 1445–1514), der später durch Giorgio Vasari unter Plagiatsverdacht gestellt wurde[1].

Piero entwickelte unverwechselbar eigentümliche Stilbesonderheiten. Die Szenarien seiner Gemälde zeichnen sich durch ernste Feierlichkeit aus. Das alles durchflutende Licht mildert jedoch die Strenge dieser Figurenkompositionen. Ihr liegen geometrische Grundstrukturen, ein Raster von Vertikalen und Horizontalen zugrunde, die seinen Stil lebenslang bestimmten bis hin zu seinem theoretischen Alterswerk. So erklärt sich, dass sein lange wenig beachtetes Werk erst in den 1920er Jahren, der Zeit der Neuen Sachlichkeit und der Pittura metafisica, wiederentdeckt und bewundert wurde.[2]

Um 1478 hörte er auf zu malen, um sich ganz der Theorie zu widmen. So schrieb er wichtige kunsttheoretische Bücher, die sich in erster Linie mit der Perspektive, Geometrie und Trigonometrie beschäftigen: De prospectiva pingendi und Libellus de quinque corporibus regularibus. Piero della Francesca war der erste Maler, der versuchte, mit Hilfe der Mathematik perspektivische Probleme zu lösen bzw. den Umgang mit Perspektive durch geometrische und mathematische Hilfsmittel zu perfektionieren. Weiterhin existiert in der Biblioteca Laurenziana in Florenz ein Traktat namens Del Abaco von ihm. Er war für die Wiederentdeckung von sechs Archimedischen Körpern zuständig.[3]

Sein Testament erstellte er am 5. Juli 1487. Fünf Jahre später starb er erblindet und vereinsamt in seinem Geburtsort. Er übte auf die nachfolgende Malergeneration wie Andrea Mantegna und Luca Signorelli einen großen Einfluss aus, und auch Leonardo und Raffael müssen seine Werke gekannt haben.

Werke (Auswahl) Bearbeiten

Schriften Bearbeiten

  • De prospectiva pingendi. 3 Bde. Hrsg. von G. Nicco-Fasola. Florenz 1984.(Ms. Regg. A 41/2. Biblioteca Panizzi, Reggio Emilia)
  • Trattato d’abaco. Dal Codice Ashburnhamiano 280 (359-291) della Biblioteca Medicea Laurenziana di Firenze. A cura di Gino Arrighi. Pisa, Domus Galileana 1970. (Testimonianze di storia della scienza. 6.)
  • Libellus de quinque corporibus regolaribus . (Spätwerk) Hrsg. von C. Grayson, C. M. Dalai Emiliani, C.G.Maccagni Mancini. Florenz, Giunti 1995. (MS Urb.lat.632. Biblioteca Apostolica Vaticana Rom)
  • Piero’s Archimedes, [fac-sim of Codice Riccardiano 106 by Piero della Francesca]; von. Roberto Manescalchi, Sansepolcro 2007.[6]
  • Piero’s Archimedes, [fac-sim of Codice Riccardiano 106 by Piero della Francesca]; eds. Roberto Manescalchi, Matteo Martelli, James Banker, Giovanna Lazzi, Pierdaniele Napolitani, Riccardo Bellè. Sansepolcro, Grafica European Center of Fine Arts e Vimer Industrie Grafiche Italiane, 2007. 2 vol. (82 ff., XIV-332 pp. English, Français, Espanol, Deutsch, Italiano and Arabic) ISBN 978-88-95450-25-4.

Literatur Bearbeiten

Rezeption Bearbeiten

Der 1997 erschienene Roman Ombra des Schweizer Schriftstellers Urs Faes entwirft eine Biographie von Piero dell Francesca.

Weblinks Bearbeiten

Commons: Paintings by Piero della Francesca – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. M. Jordan: Der vermisste Traktat des Piero della Francesca über die fünf regelmäßigen Körper. JSTOR:4301707 (Es könnte sich auch um die bloße Absicht der Übersetzung von Picos Abhandlung ins Italienische handeln.).
  2. Zur Rezeption siehe das Vorwort von Martin Warnke zu Ginzburg, Erkundungen, S. 7–13.
  3. Seiten 241, 253 und 274 in: J. V. Field: Rediscovering the Archimedean polyhedra. Piero della Francesca, Luca Pacioli, Leonardo da Vinci, Albrecht Dürer, Daniele Barbaro, and Johannes Kepler. In: Archive for History of Exact Sciences. Band 50, Nr. 3–4, September 1997, S. 241–289, doi:10.1007/BF00374595 (direkter Link [abgerufen am 7. April 2016] doi defekt).
  4. Bernd Roeck: Mörder, Maler und Mäzene. Piero della Francescas „Geißelung“. Eine kunsthistorische Kriminalgeschichte. München: Beck, 2006, ISBN 978-3406614231
  5. Ingeborg Walter: Piero della Francesca – Madonna del parto. Ein Kunstwerk zwischen Politik und Devotion. Frankfurt: Fischer, 1992, ISBN 978-3596107629
  6. On the Sphere and the Cylinder; On the Measurement of the Circle; On Conoids and Spheroids; On Spirals; On the Equilibrium of Planes; On the Quadrature of the Parabola; The Sand Reckoner. In: World Digital Library. 1450, abgerufen am 13. Juli 2013.