Klassifikation nach ICD-10
H92.0 Otalgie
ICD-10 online (WHO-Version 2019)
Anatomie des Ohres
1 – Schädel
2 – Äußerer Gehörgang
3 – Ohrmuschel
4 – Trommelfell
5 – Fenestra ovalis
6 – Hammer
7 – Amboss
8 – Steigbügel
9 – Labyrinth
10 – Schnecke (Cochlea)
11 – Hörnerv
12 – Eustachi-Röhre

Als Otalgie (altgriechisch οὖς oús [Gen. ὠτός ōtós] „Ohr“ und ἄλγος algos „Schmerz“) bezeichnet man in der Medizin Ohrenschmerzen verschiedener – auch unbekannter – Ursache. Die Otalgie ist das Leitsymptom aller entzündlichen Erkrankungen des Mittelohrs und des äußeren Ohres. Man unterscheidet zwischen primärer und sekundärer Otalgie. Ohrenschmerzen werden durch den Plexus tympanicus über den Nervus glossopharyngeus vermittelt. Auch der Nervus vagus ist in Trommelfellnähe beteiligt.[1]

Primäre Otalgie Bearbeiten

Primäre Otalgien entstehen durch Erkrankungen oder Verletzungen des Ohres.

Otitis media Bearbeiten

Unter einer Otitis media versteht man die Mittelohrentzündung, die wiederum in die akute Mittelohrentzündung und die chronische Mittelohrentzündung unterteilt wird.

Otitis media acuta Bearbeiten

Die akute Mittelohrentzündung kann serös oder eitrig verlaufen. Es handelt sich um eine schmerzhafte, in der Regel durch virale oder bakterielle Infektion verursachte Entzündung der Schleimhäute des Mittelohrs.

Klinisch wird die akute Mittelohrentzündung mit den Sonderformen Scharlach-Otitis, Masern-Otitis und Grippe-Otitis von der chronischen Mittelohrentzündung (Otitis media chronica) unterschieden.

Mastoiditis Bearbeiten

Die Mastoiditis ist eine Komplikation der akuten Mittelohrentzündung, die ebenfalls Otalgien hervorruft. Unter einer Mastoiditis versteht man eine akute Entzündung im Warzenfortsatz (Processus mastoideus) des Schläfenbeines mit Knocheneinschmelzung.

Gradenigo-Syndrom Bearbeiten

Das Gradenigo-Syndrom (Syn. Lannois-Gradenigo-Syndrom, Pyramidenspitzensyndrom, englisch Gradenigo’s triad) ist Folge einer infektiösen Entzündung der Zellen der Felsenbeinpyramide (Petrositis). Das Syndrom ist eine seltene Komplikation der akuten Mittelohrentzündung.

Otitis externa Bearbeiten

Die Otitis externa (lat. „Außenohrentzündung“) ist eine Entzündung des äußeren Ohres, vor allem des äußeren Gehörganges, in weiterem Sinne auch der Ohrmuschel. Einer Phlegmone, bzw. dem Gehörgangsekzem des Gehörganges (Otitis externa diffusa) wird der Gehörgangsfurunkel (Otitis externa circumscripta) gegenübergestellt. Eine besonders schwere Form der Gehörgangsentzündung ist die Otitis externa maligna (progredient nekrotisierende Otitis).

Seromukotympanon Bearbeiten

Das Seromukotympanon entsteht aus einer Ansammlung nicht eitriger Flüssigkeit unterschiedlicher Viskosität in den Mittelohrräumen infolge einer Tubenfunktionsstörung, beispielsweise durch den Verschluss der Tube durch ein Adenoid.[2]

Sekundäre Otalgie Bearbeiten

Bei einer sekundären Otalgie kann es sich um Schmerzen handeln, die über sensorische Fasern des Nervus trigeminus, Nervus facialis, Nervus glossopharyngeus, Nervus vagus sowie die zweite und dritte Zervikalwurzel (C2, C3 der Halswirbelsäule) in die Ohrregion fortgeleitet werden.[2]

Perichondritis Bearbeiten

Als Ohrmuschelperichondritis wird eine Entzündung der Knorpelhaut der Ohrmuschel bezeichnet, die Ohrenschmerzen verursacht.

Traumata Bearbeiten

Trommelfellverletzung Bearbeiten

Mit harten Gegenständen kann eine direkte Verletzung (Perforation) des Trommelfells entstehen, die mit einer Otalgie einhergeht. Die Verletzung kann durch einen Schlag aufs Ohr oder eine Explosion entstehen, wodurch eine indirekte Trommelfellzerreißung (Ruptur) resultiert. Auch eine Mittelohrentzündung, ein Barotrauma oder ein Schädelbruch können eine Verletzung des Trommelfells bewirken.

Schädelbasisfraktur Bearbeiten

Ein Schädelbasisbruch entsteht durch eine starke Gewalteinwirkung im Kopfbereich und ist eine lebensbedrohliche Verletzung. Eine Otalgie kann vor allem durch die otobasale (Ohr und Schädelbasis) oder laterobasale Fraktur entstehen.

Peritonsillarabszess Bearbeiten

Bei einem Peritonsillarabszess handelt es sich um eine Abszessbildung zwischen der Gaumenmandel und dem Musculus constrictor pharyngis. Er kann als Komplikation einer Angina lacunaris auftreten. Die Patienten haben eine kloßige Sprache und klagen über stechende Ohrenschmerzen.

Neuralgien Bearbeiten

Zoster oticus Bearbeiten

Zoster oticus bezeichnet einen Befall des Gehörgangs und/oder der Ohrmuschel durch das Varizella-Zoster-Virus (VZV), auch als Humanes-Herpes-Virus-3 (HHV-3) bezeichnet („Gürtelrose“), das eine Otalgie auslöst.

Trigeminusneuralgie Bearbeiten

Die Trigeminusneuralgie ist ein extrem schmerzhafter Reizungszustand des fünften Hirnnerven, des Nervus trigeminus, der das Gesicht und den Kopfbereich mit drei Ästen, dem Augenast, dem Oberkieferast und dem Unterkieferast, versorgt und auch eine Otalgie auslösen kann.

Neuralgien des Nervus auriculotemporalis

Psychosomatische Otalgie Bearbeiten

Psychogene Otalgien können nach Ausschluss somatischer Ursachen Teil einer Depression und/oder Somatisierungsstörung sein. In einer Untersuchung von Minnigerode beklagen 17 % depressiver Patienten Kopf- und Ohrenschmerzen mit Schwindel und Tinnitus.[3]

Tumoren Bearbeiten

Hypopharynxkarzinom Bearbeiten

Die Symptome eines Hypopharynxkarzinoms sind meist uncharakteristisch, beispielsweise unklare Schluckbeschwerden, Globussyndrom, übler Mundgeruch oder ein „Kratzen im Hals“. Diese Beschwerden können allerdings auch viele andere Ursachen haben. Spätsymptome sind Schluckunfähigkeit, Spucken von Blut, bis in die Ohren ausstrahlende Schmerzen und Halslymphknotenmetastasen.[4]

Kiefergelenksarthropathie Bearbeiten

Kraniomandibuläre Dysfunktion (Craniomandibuläre Dysfunktion, CMD) ist ein Überbegriff für strukturelle, funktionelle, biochemische und psychische Fehlregulationen der Muskel- oder Gelenkfunktion der Kiefergelenke. Diese Fehlregulationen können schmerzhaft sein. Aus diesem Befund resultieren die Diagnosen Okklusopathie, Myopathie und Arthopathie.

Weblinks Bearbeiten

Wiktionary: Otalgie – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. H. Beck et al., AINS Schmerztherapie, Thieme Verlag; 1., Auflage (2002) ISBN 3-13-114881-0.
  2. a b Leitlinie Nr. 7, Ohrenschmerzen@1@2Vorlage:Toter Link/leitlinien.degam.de (Seite nicht mehr abrufbar, festgestellt im April 2024. Suche in Webarchiven)  Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. (PDF; 984 kB) der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin
  3. F. Ye, X. Li, Q. Lu: [Symptoms of depressive state in otolaryngology]. In: Zhonghua er bi yan hou ke za zhi. Band 32, Nummer 2, April 1997, S. 121–123, ISSN 0412-3948. PMID 10743145.
  4. Uniklinik Heidelberg, Bösartige Erkrankungen des Kopf-Hals-Bereiches (Memento des Originals vom 19. April 2017 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.klinikum.uni-heidelberg.de