Massoud Rajavi

Iranischer Politiker und Führer der Volksmudschahedin

Massoud Rajavi (persisch مسعود رجوی Masud Radschawi, * 18. August 1948 in Tabas, Iran) war Mitbegründer des Nationalen Widerstandsrates des Iran (NWRI) und ideologischer Führer der Volksmudschahedin (Modschahedin-e Chalgh). Er gilt seit dem Irakkrieg 2003 als „verschwunden“[1][2] oder tot.[3]

Familie Bearbeiten

Massoud Rajavi ist jüngster von fünf Brüdern und soll, nach der Selbstdarstellung des NWRI, einen Abschluss in Politologie der Universität Teheran haben.[4] Sein ältester Bruder, Kazem Rajavi, wurde im April 1990 in Genf ermordet.[5] Seine einzige Schwester, Monireh, wurde 1988 hingerichtet.[6] Ashraf, seine erste Frau, heiratete Rajavi nach Angaben des NWRI im Sommer 1979. Sie starb im Februar 1982 in Teheran. Die Trennung von seiner zweiten Frau, einer Tochter Abolhassan Banisadrs, erfolgte im Exil in Paris.[7] Die Heirat mit seiner dritten Frau Maryam Azodanlu fand im Jahre 1985 statt.[8]

Politische Ausrichtung Bearbeiten

In seiner Zeit als Oberschüler war Massoud Rajavi Sympathisant von Ajatollah Mahmud Taleghani und Mehdi BāzargānsFreiheitsbewegung“. An der Universität kam er in Kontakt mit den Volksmudschahedin und trat ihnen 1966 bei. Er stand in direkter Verbindung zu einem Gründer der Volksmudschahedin, Mohammad Hanifnedschad, und wurde später Mitglied des Zentralkomitees.[4] Massoud Rajavi wurde im Jahr 1971 festgenommen und blieb bis 1979 in Haft.[9] Im Laufe des Jahres 1979 begann Rajavi eine Vortragsreihe über Philosophie in der Scharif-Universität für Technologie. Jede Woche nahmen 10.000 Studenten an diesen Vorlesungen teil, und über 100.000 im ganzen Iran sahen sich deren Videoaufnahmen an. Die Skripten wurden jede Woche in Auflagen von Hunderttausenden veröffentlicht und im gesamten Iran verbreitet.[10] Massoud Rajavi erhoffte sich von Ruhollah Chomeini durch die Unterstützung der Islamischen Revolution eine Beteiligung an der Macht. Dazu soll Ahmad Chomeini, der Sohn des Ayatollah, Rajavi von Paris aus kontaktiert haben. Die Volksmudschahedin, die in erheblichem Maße am Sturz des Schah-Regimes beteiligt waren, verloren jedoch die Auseinandersetzung um die Vormachtstellung im Iran. Bei den ersten Parlamentswahlen im März 1980 erhielten die Mudschahedin nur 20 Sitze, während die Islamisch-Republikanische Partei 130 Sitze errang.[11]

Am 4. Juni 1980 schloss Chomeini die Universitäten, eine Basis der Volksmudschahedin. Anfang 1981 erklärte Rajavi in einer Serie ausführlicher Interviews den Standpunkt der Volksmudschahedin gegenüber Chomeini und anderen politischen Strömungen zur damaligen Zeit und schlug die Bildung einer Front gegen den Mullah vor.[12] Als Reaktion auf die blutige Verfolgung ihrer Mitglieder verübten die Volksmudschahedin 1981 mehrere schwere Bombenattentate auf iranische Regierungsmitglieder, u. a. Mohammad Ali Radschāʾi, Mohammed Dschawad Bahonar, Seyyed Ali Chamene’i, sowie das Parteigebäude der Islamisch-Republikanischen Partei mit über 70 Toten. Nach dem anschließenden Verbot der Volksmudschahedin floh Rajavi am 28. Juli 1981 zusammen mit Abolhassan Banisadr an Bord einer Boeing 707 der Iranischen Luftwaffe, nach Frankreich.

Exil Bearbeiten

Im Jahr 1981 gründete Massoud Rajavi zusammen mit Abolhassan Banisadr in Paris den Nationalen Widerstandsrat des Iran (NWRI). Innerhalb der Volksmudschahedin kam es 1985, dem Jahr der Heirat zwischen Maryam Azodanlu und Massoud Rajavi, zu der „ideologischen Revolution“, während der alle Ehepaare geschieden wurden und den Frauen Führungsposten innerhalb der Organisation zugeteilt wurden, um einen Kontrapunkt zu der aus Sicht der Organisation frauenfeindlichen Politik im Iran zu setzen. Maryam Rajavi wurde zur „gewählten Präsidentin“ der Organisation ernannt, und ein exzessiver Personenkult um das Führungspaar wurde installiert.[13][14]

Massoud Rajavi wurde im Juni 1986 von der französischen Regierung zur Ausreise aus Frankreich gezwungen. Das neue Hauptquartier der Volksmudschahedin und des NWRI (Camp Ashraf) wurde mit dem Wohlwollen und der finanziellen Unterstützung Saddam Husseins nahe Bagdad errichtet. Im Ersten Golfkrieg beteiligten sich die Mudschahedin aufseiten der Iraker unter Führung von Massoud Rajavi. Im Juni 1987 gründeten sie offiziell einen bewaffneten Arm, die National Liberation Army of Iran (NLA, „Nationale Befreiungsarmee Irans“). Waffen, Fahrzeuge, Ausbildung und finanzielle Unterstützung erhielten die Mudschahedin von Saddam Hussein und dem irakischen Geheimdienst.[1][15] Im Gegenzug wurden sie später für das irakische Militär als Söldner tätig und beteiligten sich u. a. an der blutigen Niederschlagung der Aufstände von Kurden und Schiiten im Irak durch die irakische Armee im Jahre 1991.[15][16][17][18]

Bis zum Jahr 2000 wurden durch NLA-Kommandos Angriffe auf Militär- und Polizeigebäude und Anschläge auf Repräsentanten des iranischen Staates sowie US-Soldaten durchgeführt,[19][1] bis 2003 der Stützpünkt Camp Ashraf von amerikanischen Truppen während des Irakkrieges eingenommen wurde. Seit dieser Zeit gilt Massoud Rajavi als verschwunden.

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. a b c Verfassungsschutz NRW, August 2005 (Memento vom 11. Juni 2007 im Internet Archive) Imagewandel der Volksmodjahedin Iran, von der Guerilla zur demokratischen Exilbewegung? (abgerufen am 20. Februar 2011)
  2. economist.com, vom 8. April 2009 Iranian dissidents in Iraq (abgerufen am 20. Februar 2011)
  3. AAWA-Aktuell Nr. 3, August 2005 (PDF; 706 kB) Wo ist Massoud Rajavi?
  4. a b Der Präsident des NWRI – Massoud Rajavi
  5. One person's story – Mr. Kazem Rajavi
  6. Women's Activism for Freedom in Iran (Memento vom 5. Oktober 2009 im Internet Archive)
  7. nytimes.com vom 24. September 2005 An implacable opponent to the mullahs of Iran
  8. Profile: Maryam Rajavi. In: news.bbc.co.uk. 17. Juni 2003, abgerufen am 24. Februar 2024.
  9. Islamic Fundamentalism (Memento vom 11. November 2009 im Internet Archive)
  10. Dynamic Nature of the Quran
  11. http://www.ipu.org/parline-e/reports/arc/IRAN_1980_E.PDF
  12. Missing the Mark on Iran
  13. Ehemalige iranische Volksmujahedin im Irak ohne Ausweg. In: Neue Zürcher Zeitung, 26. März 2008
  14. Interview mit Batoul Soltani. In: www.achtung-mojahedin.org. Archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 12. März 2014; abgerufen am 30. Dezember 2022.  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.achtung-mojahedin.org
  15. a b Information on the People’s Mujahedin of Iran (PMOI). (PDF) In: refworld.org. Country of Origin Research and Information (CORI), abgerufen am 11. November 2023 (englisch).
  16. Bahman Nirumand: Die mit den schwarzen Mappen. Die Volksmudschaheddin: Einst eine iranische Widerstandsorganisation, dann Saddams Söldner, heute im Dienst des CIA. AG Friedensforschung, abgerufen am 11. November 2023 (Wiedergabe eines Beitrags aus der taz vom 13. Dezember 2006).
  17. Gesellschaft für bedrohte Völker distanziert sich entschieden vom „Nationalen Widerstandsrat des Iran“. Gesellschaft für bedrohte Völker, 26. November 2008, abgerufen am 11. November 2023.
  18. Angelika Beer, Cem Özdemir: Entschließungsantrag – B6‑0249/2009 – Entschließung des Europäischen Parlaments zu der humanitären Lage der Bewohner des Lagers Ashraf. Europäisches Parlament, 23. April 2009, abgerufen am 11. November 2023.
  19. Mujahedin-e Khalq Organization (MEK or MKO) – National Liberation Army of Iran (NLA) – People’s Mojahedin of Iran (PMOI) – National Council of Resistance (NCR) – National Council of Resistance of Iran (NCRI) – Muslim Iranian Student’s Society. In: globalsecurity.org. Abgerufen am 11. November 2023 (englisch).