Lucas Watzenrode

Fürstbischof des Ermlandes

Lucas Watzenrode (* 30. Oktober 1447 in Thorn; † 29. März 1512 ebenda) war Fürstbischof des Ermlandes. Sein Vater Lukas Watzenrode der Ältere (1400–1462) war Bürger und Handelsmann in Thorn.

Lucas Watzenrode der Jüngere

Leben Bearbeiten

Die Familie stammte aus Weizenrodau in Schlesien.[1] Wie damals üblich, wurde der Herkunftsort nach Wegzug der Familie nach Thorn als Familienname weitergeführt (hier in der Form Watzenrode, auch Watzelrode und Weisselrodt).[2]

Studium Bearbeiten

Lucas Watzenrode studierte zunächst 1463/1464 an der Universität Krakau. Am 8. Juni 1465 schrieb er sich in der Artistenfakultät der Universität Köln ein, wo er drei Jahre später, am 8. April 1468, zum Magister der freien Künste (magister artium) promoviert wurde.

1470 begann er ein Studium an der damals in der Jurisprudenz berühmtesten Universität Europas, der Universität Bologna. Am 6. Januar 1472 wurde er dort zum obersten Vorsteher (Procurator) der Deutschen Studentenschaft (Natio Germanorum) gewählt, der Jahre später auch seine beiden Neffen und Ziehsöhne Andreas und Niklas Koppernigk (Nikolaus Kopernikus) angehörten. Am 18. Dezember 1473 beendete Lukas Watzenrode sein Studium mit der Promotion zum Doktor des kanonischen Rechts (Doctor in jure canonico).

Culmsee und Leslau Bearbeiten

Nach seiner Rückkehr in die Heimat wurde er spätestens 1475 Domherr in Culmsee. Im April 1477 verlieh ihm Papst Sixtus IV. zusätzlich ein Kanonikat in Leslau. Dort freundete er sich mit dem Bischof von Leslau, Zbigniew Oleśnicki an, der 1482 Erzbischof von Gnesen und später Primas von Polen wurde. Lukas Watzenrode folgte ihm nach Gnesen und war bis 1489 sein vertrauter Rechtsberater und ständiger Begleiter.

Fürstbischof des Ermlandes Bearbeiten

Als Nikolaus von Tüngen, der Bischof des Ermlandes, im Jahre 1489 starb, folgte Watzenrode nach. Als Fürstbischof war er gleichgestellt mit den anderen kaiserlichen Reichsfürsten, und wie sie regierte er sein Land selbst. Watzenrode war erwählt, aber Elisabeth von Habsburg und ihr Mann, der polnische König Kasimir IV., wollten ihren Sohn Friedrich zum Bischof von Ermland ernannt haben. Sie wollten die Regierung des Deutschen Ordens entfernen, um Preußen zu Polen zwangsweise zu annektieren. Watzenrode wurde jedoch vom Papst als Bischof und Herrscher des Ermlandes geweiht.[3] Kasimir IV. versuchte es weiter mit Eroberungen und im Jahre 1492 plante er die militärische Übernahme. Sein Tod vereitelte jedoch diesen Plan. Das Ermland blieb ein exemtes Bistum.

Watzenrode konnte nun ein freundliches nachbarschaftliches Verhältnis zu den Söhnen Kasimirs, Johann Albrecht, dann Alexander, dann Sigismund I. halten. Er war auch einige Male deren Ratgeber und unterhielt zur gleichen Zeit eine gute Arbeitsgemeinschaft mit dem Deutschen Orden, aber wenn nötig, verteidigte er den unabhängigen Status des Ermlandes.

Watzenrode gründete eine Schule in Frauenburg und plante eine Universität in Elbing. Er unterhielt eine große Buchsammlung und setzte sich dafür ein, dass die ersten Literaturbücher für das Ermland Bistum gedruckt wurden. Er war auch ein Kunstliebhaber und stiftete eine große Anzahl von Gemälden, Skulpturen, Altären etc.

Der „Bericht über die letzten Tage des Fürstbischofs“ Bearbeiten

Sein Kanzler Paul Deusterwald schrieb einen Bericht über die letzten Tage des Fürstbischofs, in dem er auch auf seine Wesensart einging:[4]

Am 15. Januar 1512 verließ der Hochwürdigste Herr Lucas, Bischof von Ermland, die Burg Heilsberg (Lidzbark Warmiński) in Richtung Krakau. Dort fand die Hochzeit seiner Majestät, des Königs Sigismund von Polen, statt, die am Sonntag, den 8. Februar, gefeiert wurde. Sie wurde mit großem Glanz und Freigiebigkeit aufwändig gefeiert. Gleichzeitig fand dort eine allgemeine Versammlung statt. Er befand sich bei der Fahrt zur Hochzeitsfeier anfangs wohl und war voller Freude, aber bei der Rückkehr war er betrübt wegen unerwarteten Ungemachs. So erging es nämlich dem Bischof Lucas in Krakau anfangs. Später bei der Rückkehr fing ihm an, von den Fischen in der Fastenzeit wider seine Gewohnheit übel zu werden. Und die Übelkeit begann mit der Zeit immer schlimmer zu werden, so dass es von uns, die wir mit ihm täglich zu Tisch die Mahlzeiten einnahmen, klar bemerkt wurde. Nach wenigen Tagen begann ihm nämlich Essen und Trinken nicht mehr zu schmecken und man konnte beobachten, wie seine Lebenskraft von Tag zu Tag immer weniger wurde. Und das war noch mehr zu bemerken in Lentschütz (Łęczyca) am 23. März, besonders aber am folgenden Tag in der Festung Mosebrock (Moosburg = Przedecz), wo der Magen die aufgenommene Speise nicht mehr halten konnte, sondern umgehend wieder zurückgab. Und dann begann die Krankheit noch schlimmer zu werden und die Kräfte schwanden dahin bis zu einer unheilvollen Erkrankung, so dass er aus eigener Kraft nicht mehr gut gehen, ja sich nicht einmal mehr auf den Beinen halten konnte. Dazu kam dann noch ein unauslöschlicher Durst und Fieber, was ihn, wie er versicherte, gleichbleibend heftig und ohne Unterbrechung quälte.

In diesem schweren Krankheitszustand und dem Tode nah wurde er am 26. März, welches der Freitag nach dem Sonntag Judica [5. Fastensonntag] war, nach Thorn gebracht, einem Hingeschiedenen nicht unähnlich, wo er am folgenden Tag, da er noch mehr an Kräften verlor und in großem Maße die Fähigkeit, zu sprechen (das behinderte Sprechen beruhte nämlich auf Schwierigkeiten mit dem Atem, der nur mit großer Anstrengung aus der Brust hervorkam), auf ein privates Krankenlager gebettet worden ist. Tags darauf legte er bei schlimmer werdendem Zustand die Beichte ab und empfing mit höchster Hingabe den Leib des Herrn. Und obwohl er die Worte mit zitternder Zunge und undeutlich aussprach, versuchte er doch jenen, die ihm vertraut waren, vieles zu sagen, und sie verstanden auch manchmal, was er wollte, wenn auch mehr aus Zeichen und Gesten, die ihnen bekannt waren, als aus den eigentlichen Worten. Manchmal sprach er auch einen vollständigen und richtigen Satz aus, wenn auch mit großer Anstrengung; er bemühte sich nämlich meiner Ansicht nach Schleim aus der Brust heraus zu befördern, was die blockierten Atemwege aber nicht zuließen.

Auch war kein erfahrener Arzt anwesend gewesen, der mit Heilmitteln der Natur hätte Beistand leisten können. Zwar wurde nach auswärtigen Ärzten gesandt, aber als sie dann kamen, fanden sie ihn schon tot vor. Es war nämlich am Montag, den 29. März, da er, nachdem er das Messamt gehört und die letzte Ölung empfangen hatte, in Anwesenheit des Ehrwürdigsten Vaters in Christo, Herrn Johannes [Konopacki], des Bischofs von Kulm, und seiner Freunde, in glühender Hingabe an Gott, was man an vielen Zeichen sehen konnte, und wie es zu erwarten war, schließlich die Seele aushauchte und redlich in den Herrn einging. Sein Begräbnis erfolgte in der Ermländischen Kathedrale (Dom zu Frauenburg), wo ihm die Seinigen ihren Kummer und ihre Trauer abstatteten. Die Beisetzung war am Freitag, den 2. April.

Vielerlei Meinungen gab es sogleich über seinen Tod, wie das so üblich ist. Manche argwöhnten, dass er einem Gifttrank erlegen sei, wobei Zweifel bezüglich des Anstifters bestehen. Deren Aussage stützend sah man schwarze Flecken, die den Körper nach dem Austritt der Seele sogleich bedeckten. Auch war es erstaunlich, dass gleich zu Beginn der Krankheit seine Kraft so sehr geschwächt wurde, wo er doch von Natur aus sonst stark und kräftig war. Andere glaubten, das Alter sei die Todesursache gewesen, da er schon vierundsechzig Jahre überschritten hatte. Einige meinten, er sei an Kummer und an schwerer seelischer Sorge gestorben, weil er viele Feinde hatte.

Hauptsächlich hochgestellte Persönlichkeiten aus Preußen waren seine Gegner: Der Adel wegen der Distrikte Tolkemit (Tolkmicko) und Scharfau, die er für die Kirche als dauerhafte Schenkung von der königlichen Majestät erhalten hat, auch wegen der Freistellung der Distrikte Stuhm (Sztum) und Dyrsau, über die er anderweitig verfügen konnte. Aber auch die Städte – Elbing wegen des Gerichtsentscheids bezüglich der Fischer, die in dem Hab (Haff) genannten Meeresarm fischten, was sie als Gewohnheitsrecht in der Stadt Tolkemit ausübten, und wegen der Besitzrechte, welche die Bürger als die ihren beanspruchten, wogegen der Bischof aber im Gegensatz dazu in dieser Sache darauf bestand, dass ihm der gesamte Distrikt Tolkemit mit allen Rechten geschenkt worden sei, in dem die Vorgenannten lebten. Danzig aber wegen der Nehrung der Kirche, die er von ihnen zurückverlangte und ferner wegen Besitztümern, die von dessen Bürgerschaft dem Distrikt Scharfau entfremdet worden waren.

Auch war seinem Episcopat vor allem der Ritterorden feindlich gesinnt, mit dem er immer in Auseinandersetzungen lebte. Außerdem hatte Wilhelm von Eisenberg, der Ordensmarschall, kurz vor dem Tode des Bischofs eine unverschämte, berüchtigte Schrift über diesen herausgegeben. Nicht zu sprechen von den Räubern, die damals scharenweise in Preußen einfielen und die auf Vorschlag gewisser Leute dem Bischof viel Böses zufügten, die sogar, damit man ihn verdächtige, Brand legten und nicht aufhörten seiner Person Schaden anzutun.

Es wäre mühsam, alles aufzuzählen. Aber unumstößlich steht fest, dass die obengenannten Gegner all sein Tun mit großem Eifer bekämpften und dies schon lange Zeit, und auch der Unmut des Königs gegen den Herrn Bischof seinen Magen aufregte, wobei der König ihn sonst aber immer sehr schätzte. Um dies zu erreichen, wendeten sie vielerlei Kniffe, Geschick und Einfallsreichtum an. Aber der Bischof hat sich in seinem auf Integrität beruhenden Leben um all die Anstrengungen jener nicht weiter geschert.

Ich aber, der ich die obengenannten Meinungen über seinen Tod verfolgt habe, sehe das nicht so, sondern habe die Begebenheit um seinen Tod so aufgeschrieben wie ich es mit meinen eigenen Augen als Anwesender gesehen habe. Möge jeder frei und nach eigenem Dafürhalten über seinen Tod und sein Leben urteilen. Diejenigen aber, die seine Aussagen und seine Lebensweise kennen, werden zugestehen – was notwendig ist, damit jene, die ein falsches Urteil abgeben, erröten mögen –, dass er ein bedeutender Prälat war, mit aller Tugend und Integrität ausgestattet, klug, sachlich, keusch, gerecht, gewissenhaft, fromm, gelehrt, von bewundernswert beständiger Kraft, großherzig, hocherfahren und deshalb von drei aufeinanderfolgenden polnischen Königen, Albert, Alexander und Sigismund, sowie im ganzen polnischen Königreich hochgeschätzt. Sie pflegten nämlich bei Konsilien und Beratungen zu den großen Themen über seine Geistesgröße zu staunen. Von ganz Preußen, das dem Königreich folgt, wurde er nicht anders als ein Vater verehrt, bevor es sich aus den obengenannten Gründen zu diesen Auseinandersetzungen mit ihm herabließ. Andere mögen sich allenthalben über seine Fehler ergehen, wie es ihnen beliebt. Ich habe bei all den obengenannten Tugenden ausschließlich diesen Makel an ihm bemerkt, dass er an seinen Meinungen mitunter allzu standhaft festhielt, von denen er auch durch die stärksten Argumente nur mit Mühe abgebracht werden konnte. Dennoch hörte er gerne den Rat anderer, wenn auch nicht von allen um ihn herum, sondern nur ganz weniger, und vor allem jener, die von auffälliger Geistesklarheit waren. Ein Mangel auch an ihm ist besonders groß gewesen: dass er sich die Liebe und das Wohlwollen der Menschen nicht gewinnen konnte. Und wenn ihm diese Gunst erwiesen worden wäre, so wäre er ein Schöpfer wunderbarer Werke gewesen. Aber wir alle können nicht alles. Seine Seele ruhe in heiligem Frieden.

Familie Bearbeiten

Watzenrode war der Bruder von Nicolaus Copernicus’ Mutter Barbara, die früh starb. Als 1483 auch der Vater verstarb, übernahm er als Onkel die Erziehung der vier verwaisten Kinder und schickte den späteren Astronomen Nikolaus Kopernikus und dessen Bruder Andreas zum Studium nach Krakau und Bologna, um ihnen eine Laufbahn in der Kirchenverwaltung zu ermöglichen.

Watzenrode hatte selbst einen Sohn, Philipp Teschner, welcher als Bürgermeister von Braunsberg dem Hochmeister Albrecht Dienste leistete[5] und die Reformation unterstützte.

Literatur Bearbeiten

  • Thomas Treter: Liber de episcopatu et episcopis Varmiensibus ex vetusto Chronico Bibliotheca Heilsbergensis in Linguam Latinam ex Germanica translatus. 1594 (Manuskript); gedruckt unter dem Titel: De episcopatu et episcopis ecclesiae varmiensis liber. Chronicon de vitis episcoporum varmiensium. Krakau 1685.[6]
  • Andreas Thiel: Das Verhältnis des Bischofs Lucas von Watzelrode zum deutschen Orden. In: Zeitschrift für die Geschichte und Altertumskunde Ermlands Bd. 1 (1858–1860), S. 244–268 und S. 409–459. MDZ München
  • Christoph Hartknoch: Preußische Kirchen-Historia. Frankfurt a. M., 1668.
  • Gottfried Centner: Geehrte und Gelehrte Thorner ausser ihrer Vaterstadt nebst gelegentlich angebrachten Stammtafeln und Nachrichten von alten Thornischen Familien. Bergmann, Thorn 1763
  • A. Semrau: Katalog der Geschlechter der Schöffenbank und des Ratsstuhles in der Altstadt Thorn 1233–1602, in: Mitteilungen des Copernicus-Vereins für Wissenschaft und Kunst zu Thorn 46 (1938)
  • Wojciech Iwanczak: WATZENRODE, Lucas. In: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon (BBKL). Band 13, Bautz, Herzberg 1998, ISBN 3-88309-072-7, Sp. 389-393.
  • Hans Schmauch: Copernicus, Nicolaus. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 3, Duncker & Humblot, Berlin 1957, ISBN 3-428-00184-2, S. 348–355 (Digitalisat). (Erwähnung)
  • Hans Schmauch: Die Jugend des Nikolaus Kopernikus. In: Johannes Papritz, Hans Schmauch (Hrsg.): Kopernikus-Forschungen. S. Hirzel Verlag, Leipzig 1943. S. 100–131.
  • Poczet biskupów warmińskich. Olsztyn 1998.

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. NDB-Artikel zu Copernicus
  2. Elogia Episcoporum Warmiensium. In: Zeitschrift für die Geschichte und Altertumskunde Ermlands, Bd. 6, 1878, S. 356–359.
  3. Carl Jänig ( Hrsg.): Liber confraternitatis B. Marie de Anima Teutonicorum de urbe, quem rerum Germanicarum cultoribus offerunt sacerdotes aedis Teutonicae B. M. de Anima urbis in anni sacri exeuntis memoriam. Typographia Polyglotta, Rom 1875, S. 29 (Digitalisat der Bayerischen Staatsbibliothek München).
  4. Leopold Prowe: Nicolaus Coppernicus. Weidmannsche Buchhandlung, Berlin 1883–1884, Band 2, S. 476–480
  5. Leopold Prowe: Watzenrode’s Sohn Philipp Teschner
  6. Es handelt sich um die lateinische Übersetzung der deutschen Chronik des ermländischen Domherrn Johannes Kretzmer; nachgewiesen in: Otto Günther (Hrsg.): Katalog der Danziger Stadtbibliothek. Band II: Katalog der Handschriften, Teil 2. Verlag der L. Saunierschen Buch- und Kunsthandlung, Danzig 1903. S. 174–175: Manuskripte 1248 und 1248a.
VorgängerAmtNachfolger
Nikolaus von TüngenBischof von Ermland
1489–1512
Fabian von Lossainen