Haftungsbeschränkung

Verringerung der rechtlichen Verantwortlichkeit

Haftungsbeschränkung ist in der Rechtswissenschaft die Verminderung der Haftung durch Milderung des Sorgfaltsmaßstabs und/oder Begrenzung des Haftungsumfangs.

Allgemeines Bearbeiten

Von einer Haftungsbeschränkung kann sowohl die Tatbestands- als auch die Rechtsfolgenseite betroffen sein. Die Milderung des Sorgfaltsmaßstabs betrifft die Tatbestandsseite, die Begrenzung des Haftungsumfangs (betragsmäßige Begrenzung der Schadensersatzpflicht) die Rechtsfolgenseite. Haftungsbeschränkungen sind im deutschen Recht und international die Ausnahme, weil das Schadensersatzrecht vom Grundsatz der Totalreparation beherrscht wird (§ 249 BGB). Danach ist der gesamte Schaden – unabhängig von Haftungsgrund, Vorhersehbarkeit und Verschuldensgrad – zu ersetzen.[1] Dieser Grundsatz wird jedoch vielfach durchbrochen.

Arten Bearbeiten

Es gibt vom Gesetz vorgesehene Haftungsbeschränkungen, institutionelle und rechtsgeschäftliche Haftungsbeschränkungen.

Gesetzliche Haftungsbeschränkungen Bearbeiten

Hierbei wird oft zwischen Personen- und Sachschaden unterschieden, wobei Sachschäden regelmäßig eine betraglich niedrigere Haftungsbeschränkung als Personenschäden aufweisen.

Die verschuldensunabhängige Gefährdungshaftung des Gastwirts beträgt nach § 702 Abs. 1 BGB maximal 3.500 Euro für Sachschäden.
Die Haftung von Kindern für von ihnen verursachte Schäden ist nach § 828, § 829 BGB ausgeschlossen oder beschränkt.
Grundsätzlich muss der Besteller eines Verrichtungsgehilfen gemäß § 831 BGB für diesen haften, es sei denn, er kann nach § 831 Abs. 1 Satz 2 BGB den Nachweis führen, den Verrichtungsgehilfen richtig ausgewählt und angeleitet zu haben.
Ferner gibt es gesetzliche Haftungsbeschränkungen auf die eigenübliche Sorgfalt (diligentia quam in suis) beim BGB-Gesellschafter§ 708, § 277 BGB), im Verhältnis der Eheleute untereinander (§ 1359 BGB), im Verhältnis zu ihren Kindern (§ 1664 BGB) oder im Verhältnis der Vorerben zu den Nacherben (§ 2131 BGB).

Institutionelle Haftungsbeschränkungen Bearbeiten

Institutionelle Haftungsbeschränkungen gelten für das Gesellschaftsvermögen von Kapitalgesellschaften und Genossenschaften (§ 1 Abs. 1 AktG, § 13 Abs. 2 GmbHG, § 2 GenG). Bei diesen juristischen Personen ist die Haftung für Verbindlichkeiten auf das Gesellschaftsvermögen beschränkt. Bei der Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) kommt dieser beschränkte Haftungsumfang bereits in ihrem Namen zum Ausdruck. Die GmbH haftet für Verbindlichkeiten allerdings unbeschränkt mit ihrem Gesellschaftsvermögen; gemeint ist vielmehr die beschränkte Haftung ihrer Gesellschafter, weil diese für die Verbindlichkeiten der GmbH nicht mit ihrem Privatvermögen haften. Haben die Gesellschafter ihre Kapitaleinlage vollständig erbracht, sind sie haftungsfrei. Die Durchgriffshaftung durchbricht dieses Prinzip, so dass die Gesellschafter von Kapitalgesellschaften in bestimmten Fällen gegenüber den Gesellschaftsgläubigern persönlich, unbeschränkt und gesamtschuldnerisch mit ihrem Privatvermögen für Verbindlichkeiten der Gesellschaft haften müssen. Bei Personengesellschaften ist die Haftung der Gesellschafter im Regelfall unbegrenzt (auch mit ihrem Privatvermögen), nur der Kommanditist haftet den Gläubigern der Gesellschaft lediglich bis zur Höhe seiner Einlage (§ 171 Abs. 1 HGB).

Vertragliche Haftungsbeschränkungen Bearbeiten

Vertragliche Haftungsrisiken unterliegen einer gesetzlich vorgesehenen Haftungsverteilung, die von den Vertragsparteien im Rahmen von Haftungsklauseln ganz oder teilweise verändert werden kann. Dabei sind dieser Vertragsfreiheit Grenzen der §§ 305 ff. BGB gesetzt.

International Bearbeiten

Die in der Europäischen Union geschaffene Rechtsform der Europäischen Gesellschaft (SE) entspricht der deutschen AG und weist damit eine haftungsbeschränkende Form auf, die in allen EU-Mitgliedstaaten gilt. In der Schweiz gibt es die Schadensbemessung nach richterlichem Ermessen und die Minderung der Haftung für Fahrlässigkeit in Notlagen (Art. 43 Abs. 1, 44 Abs. 2 OR). „Art und Größe des Ersatzes für den eingetretenen Schaden bestimmt der Richter, der hierbei sowohl die Umstände als die Größe des Verschuldens zu würdigen hat“ (Art. 43 Abs. 1 OR). Ähnlich begrenzende Regelungen bestehen in Spanien (Art. 1103 Código Civil) und nordischen Rechtsordnungen; vorhersehbare Schäden sind im französischen und teilweise englischen Vertragsrecht beschränkt.[1] Im internationalen Luftverkehr sieht das Montrealer Übereinkommen keine Haftungsbegrenzung für Personenschäden, aber bei Sachschäden eine Obergrenze von 141.833 Euro, bei Gepäckschäden von 1.418 Euro vor.

Die den Vereinigten Staaten gemeinhin nachgesagte unbeschränkte Schadenshaftung mit astronomisch hohen Schadenssummen für vergleichsweise unbedeutende Schäden besteht in dieser Form allgemein nicht, auch wenn spektakuläre Einzelfälle dies suggerieren.[2][3] Mehr als die Hälfte aller Bundesstaaten besitzt Haftungshöchstgrenzen für Schadensersatz.[4] Eine kleine Zahl von Bundesstaaten hat Höchstgrenzen für Körperverletzungen und Tötungen eingeführt, fast ein Drittel der Staaten begrenzt zumindest die Arzthaftung (englisch medical malpractice) für nicht wirtschaftliche Schäden (englisch noneconomic damages). Dabei hat der Richter sowohl das Recht der Remittitur, also der Reduzierung unverhältnismäßig hoher Schadensersatzverdikte, als auch das Recht der Additur, falls eine Jury offensichtlich unterhalb des angemessenen Schadensersatzes geblieben ist.[5] Praktisch besonders bedeutsam ist die Haftungsbegrenzung für implizit übernommene Garantien (englisch implied warranties). Freizeichnungsklauseln zielen darauf ab, die implizite Garantie für Marktgängigkeit (englisch implied warranty of merchantability) auszuschließen (UCC 2-316 [2] Satz 1).[6]

Siehe auch Bearbeiten

Literatur Bearbeiten

  • Burkard Lotz: Haftungsbeschränkungen in Anlagenverträgen, ZfBR 2003, 424 ff.

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. a b Alexander Bruns, Haftungsbeschränkung und Mindesthaftung, 2003, S. 8.
  2. Die Witwe des 1997 an Lungenkrebs verstorbenen Rauchers Jesse Williams erhielt von dem Zigarettenhersteller Philip Morris USA 145 Millionen US-Dollar Schadensersatz
  3. siehe Artikel Stella Liebeck
  4. Alexander Bruns, Haftungsbeschränkung und Mindesthaftung, 2003, S. 64 ff.
  5. Alexander Bruns, Haftungsbeschränkung und Mindesthaftung, 2003, S. 70 ff.
  6. Alexander Bruns, Haftungsbeschränkung und Mindesthaftung, 2003, S. 82.