Euphrosyne von Polazk

Schutzheilige der Weißrussen

Euphrosyne von Polazk (* wahrscheinlich 1110 in Polazk; † 1173 in Jerusalem) gilt als Schutzheilige der Belarussen.

Kyrillisch (Belarussisch)
Ефрасіння/Эўфрасіньня Полацкая
Łacinka: Jefrasinnia/Eŭfrasińnia Polackaja
Transl.: Efrasinnja/Ėŭfrasin'nja Polackaja
Transkr.: Jefrassinnja/Eufrassinnja Polazkaja
Kyrillisch (Russisch)
Ефросинья Полоцкая
Transl.: Efrosin'ja Polockaja
Transkr.: Jefrossinja Polozkaja
Das für Euphrosyne geschaffene Altarkreuz
Euphrosyne von Polazk (Ikone)

Euphrosyne war eine herausragende Persönlichkeit innerhalb einer christlichen, kulturell-aufklärerischen Bewegung im damaligen Fürstentum Polazk, betätigte sich als Übersetzerin und förderte Kunst und Kultur. Auf dem Gebiet des heutigen Belarus war sie zu jener Zeit die erste Frau, die als Heilige anerkannt wurde.

Biografie Bearbeiten

Euphrosyne war die Tochter des Polazker Fürsten Georgi Usjaslawitsch und hieß eigentlich Pradslawa (russ.: Predslawa). Als sie (gegen den Willen ihrer Eltern) Nonne wurde, nahm sie den Namen Euphrosyne an. Als junge Nonne war sie vor allem damit beschäftigt, religiöse Werke aus den Beständen der zur Polazker Sophienkathedrale gehörenden Bibliothek zu kopieren, in erster Linie Übersetzungen aus dem Griechischen.

Später gründete sie Nonnen- und Mönchsklöster in Polazk und veranlasste 1160 den Bau der Kirche des Heiligen Erlösers (belarussisch: царква святога Спаса), wo sie auch selbst ihre Zelle hatte und die heute ihren Namen trägt: Euphrosyne-Erlöser-Kirche (belarussisch: Спаса-Ефрасіннеўская царква). Diese Kirche wurde reich mit kulturhistorisch sehr wertvollen Fresken ausgeschmückt. Im Auftrag von Euphrosyne fertigte der Polazker Meister Lasar Bohscha im Jahre 1161 ein Altarkreuz für die Erlöserkirche an. Dieses aus Zypressenholz gefertigte, mit erlesenen Edelsteinen besetzte und mit Darstellungen der Evangelisten, aber auch der Euphrosynes versehene Kunstwerk gilt seither als wertvollste nationale Reliquie der Belarussen. Es verschwand während des Zweiten Weltkriegs und ist bis heute trotz umfangreicher Bemühungen, auch von offiziellen Stellen, nicht wieder aufgetaucht.

Gegen Ende ihres Lebens begab sich Euphrosyne auf eine Pilgerreise nach Jerusalem, wo sie auch starb.

Grab und Verehrung Bearbeiten

Ihr Wunsch war es, im Kloster des heiligen Sabas beerdigt zu werden. Da dieses jedoch ein Mönchskloster ist, wurde ihrem Wunsch nicht entsprochen. Ihre Gebeine wurden zunächst in der Theodosius-Kirche zu Jerusalem aufbewahrt und vermutlich im Jahre 1187 nach Kiew gebracht, wo sie im berühmten Höhlenkloster beigesetzt wurden.[1]

Im 19. Jahrhundert war eine konfessionelle Instrumentalisierung Euphrosynes zu beobachten. Polack stand im konfessionellen Wettstreit. Juden, Katholiken und Orthodoxe teilten sich den öffentlichen Raum und die orthodoxe Bevölkerung war in den Hintergrund gedrängt worden. Nach den letzten Teilungen Polen-Litauens versuchte die orthodoxe Staatskirche die Dominanz über den sakralen Raum der Stadt für sich zu beanspruchen. Dabei erkannten die Kleriker vor Ort schnell die Bedeutung des Euphrosyne-Kultes und versuchten die Gebeine Euphrosynes aus Kiev nach Polack zu bringen. Erst 1870 gelang es ihren Mittelfinger nach Polack zu holen. 1910 dann wurde die Überführung von Kiev nach Polack feierlich unter der Anwesenheit der Zarenfamilie und der griechischen Dynastie vollzogen.[2] Die Gebeine wurden per Schiff über den Dnjepr nach Orscha gebracht und über Land weiter nach Polack. Im Vorfeld wurden dazu Kirchen entlang der Route aufgebaut.[3] Ein Beispiel für eine solche Kapelle am Dnjepr findet sich beispielsweise in Retschyza.[4] Bis 2006 lagen Euphrosynes Gebeine in der Erlöser-Verklärungskirche im Kloster in Polack. Auf Grund von Sanierungsarbeiten an den dortigen Fresken, wurden sie in die benachbarte Kreuzerhöhungskirche des Klosters umgebettet.[5]

Eine ausführliche Schilderung des Heiligenlebens der Euphrosyne von Polazk findet sich in dem Werk „Жыціе Ефрасінні Полацкай“ (russ.: „Житие Ефросиньи Полоцкой“, dt.: Das Leben der Euphrosyne von Polazk). Dieser Text, der wahrscheinlich schon bald nach ihrem Tod verfasst wurde, dessen älteste überlieferte Abschrift jedoch aus dem 14. Jahrhundert stammt, ist eines der wichtigsten frühen orthodoxen Zeugnisse auf dem Gebiet von Belarus, das nicht nur das Leben der Heiligen Euphrosyne schildert, sondern auch ein Beleg für die hohe Geisteskultur im damaligen Fürstentum Polazk ist. Dieser Text verkörpert die Ideale der Euphrosyne von Polazk: die Bedeutung des Wissens, die Liebe zu den Büchern, die geistig-religiöse Vervollkommnung des Menschen und den uneigennützigen Dienst an hohen moralischen Idealen.

Im Jahr 2022 wurde die Universität von Polazk nach der Schutzheiligen benannt.

Weblinks Bearbeiten

Commons: Euphrosyne von Polazk – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. Kerstin S. Jobst: Eŭfrasinnja von Polack, Patronin Weißrußlands. In: Joachim Bahlcke, Stefan Rohdewald, Thomas Wünsch (Hrsg.): Religiöse Erinnerungsorte in Ostmitteleuropa. Konstitution und Konkurrenz im nationen- und epochenübergreifenden. De Gruyter, Berlin 2013, S. 575.
  2. Kerstin S. Jobst: Im Kontext von Hagiographie und nationalen Diskursen: Die Vita der Evrosinija von Polack. In: Historische Zeitschrift. Nr. 284, 2007, S. 335 - 336.
  3. Kerstin S. Jobst: Eŭfrasinnja von Polack, Patronin Weißrußlands. In: Joachim Bahlcke, Stefan Rohdewald, Thomas Wünsch (Hrsg.): Religiöse Erinnerungsorte in Ostmitteleuropa. Konstitution und Konkurrenz im nationen- und epochenübergreifenden. De Gruyter, Berlin 2013, S. 578.
  4. Часовня Евфросинии Полоцкой (russ.). In: tut.by. Archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 29. August 2018; abgerufen am 28. August 2018 (russisch).  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/news.tut.by
  5. Спасо-Преображенский храм Полоцкого Спасо-Евфросиниевского монастыря. In: Internetseite des Klosters in Polack. Abgerufen am 29. August 2018 (russisch).