Elisabeth Schumann

deutsch-amerikanische Sopranistin

Elisabeth Schumann (* 13. Juni 1888 in Merseburg, Deutschland; † 23. April 1952 in New York, USA) war eine deutschamerikanische Sängerin (Sopran), die ab 1909 am Hamburger Stadttheater und ab 1919 am Wiener Operntheater wirkte. Außer in Opern trat sie auch in Oratorien und als Interpretin von Liedern auf. 1938 wanderte sie in die Vereinigten Staaten aus, wo sie als Gesangspädagogin tätig war. Sie gab zwei Liedersammlungen heraus.

Elisabeth Schumann (1927), Fotografie von Georg Fayer
Schallplatte von Elisabeth Schumann (Berlin 1917)

Leben Bearbeiten

Herkunft und Ausbildung Bearbeiten

 
Geburtshaus in Merseburg
 
Elisabeth Schumann
 
Elisabeth Schumann mit Richard Strauss

Elisabeth Schumann war jüngere Tochter des Merseburger Lehrers und Organisten Alfred Schumann.[1] Zu ihren direkten Vorfahren soll die Primadonna Henriette Sontag gehört haben.

Sie ließ ihre Stimme zunächst in Dresden bei Natalie Haenisch ausbilden,[2][3] anschließend in Berlin bei Marie Dietrich[2] und Valerie Zitelmann.[4] In Hamburg wurde sie von Alma Schadow unterrichtet.[2]

Hamburg Bearbeiten

1909 feierte Elisabeth Schumann am Opernhaus in Hamburg, das damals „Stadttheater“ genannt wurde, ihr Bühnen-Debüt als Hirtenknabe in Wagners Tannhäuser. Mit ihrer schönen Stimme und ihrem auffälligen Charme wurde sie schnell zu einem Publikumsliebling.[5] Aufsehen erregte sie 1912 als Cherubino, später als Susanna in Mozarts Oper Le nozze di Figaro. Es folgten Rollen wie die der Zerlina in Don Giovanni und der Eva in Die Meistersinger von Nürnberg. Dem Ensemble gehörte sie bis 1919 an.

In der Spielzeit 1914/1915 war Elisabeth Schumann Gast an der Metropolitan Opera in New York. Als Debüt sang sie die Sophie im Rosenkavalier von Richard Strauss, mit dem sie jahrzehntelang freundschaftlich verbunden war. An der Metropolitan Oper übernahm sie in dieser Spielzeit zehn Partien, darunter die Musetta in Puccinis La Bohème, die Gretel in Humperdincks Hänsel und Gretel und die Marzelline in Beethovens Fidelio.

Trotz des Ausbruchs des Ersten Weltkriegs konnte sie im Mai 1915 aus den USA nach Hamburg zurückkehren. 1918 trat sie in der Uraufführung der Oper Meister Grobian von Arnold Winternitz auf. Zu dieser Zeit wohnte sie in der Overbeckstraße 20 im Stadtteil Uhlenhorst.[6]

Wien Bearbeiten

1919 wurde Elisabeth Schumann an die Wiener Oper berufen, wo sie bis 1937 blieb; in dieser Zeit wurde das Wiener Opernhaus „Operntheater“ genannt. In Wien übernahm sie Rollen in 30 verschiedenen Opern. Die meisten Auftritte hatte sie als Sophie im Rosenkavalier (85 Vorstellungen) und als Marzelline in Beethovens Fidelio (63 Vorstellungen).[7] Weitere 193 Auftritte hatte sie in fünf Mozart-Opern.[1]

Bei Salzburger Festspielen wirkte sie in den Jahren 1922,[8] 1926,[9] 1927[10] und 1936[11] mit, zumeist in Mozart-Opern.[12] Ihr erster Auftritt in Salzburg war ein Liederabend eine Woche vor dem Beginn der Festspiele 1922, bei dem sie, begleitet von ihrem zweiten Ehemann Karl Alwin, Lieder von Richard Strauss nach Gedichten von Clemens Brentano vortrug, die der Komponist ihr gewidmet hatte.[1]

Außerdem unternahm sie ausgedehnte Konzerttourneen durch Europa, die USA und Südamerika.[13] Eine dieser Tourneen unternahm sie Ende 1921 mit Richard Strauss als Klavierbegleiter in den USA. Strauss war damals Direktor des Operntheaters.[1]

1928 wurde ihr der Titel einer Kammersängerin verliehen, 1937 wurde sie Ehrenmitglied des Wiener Operntheaters.[14]

Emigration Bearbeiten

Im März 1938 kam es zum „Anschluss Österreichs“ durch die Nationalsozialisten. Gleichzeitig reiste Elisabeth Schumann aus Wien ab – ihr Ziel war das Curtis Institute of Music in Philadelphia, wo sie unterrichten sollte, anschließend stand noch eine Tournee in Frankreich und Nordafrika an.[2] Statt nach Österreich zurückzukehren, ging sie nach London. Dort heiratete sie im August 1938 ihren dritten Ehemann, zwei Wochen später emigrierte sie mit ihm in die USA.[1] Sie wurde in die Fakultät des Curtis Institute aufgenommen, wo sie bis 1947 unterrichtete. Im November 1944 wurde sie Staatsbürgerin der USA.[1]

Nach Kriegsende kehrte sie im Herbst 1945 für eine Recital-Tournee nach Europa zurück.[2] Im Oktober 1946 reiste sie in das befreite Österreich und sang nach mehr als acht Jahren Unterbrechung wieder in Wien. Im Großen Musikvereinssaal des Wiener Musikvereins gab sie ein Konzert zugunsten des Wiederaufbaus der Wiener Staatsoper.[1]

Ihren Plan, sich in England niederzulassen, wo ihr Sohn mit seiner Familie lebte, konnte sie nicht mehr verwirklichen. 1952 starb sie überraschend im Alter von 63 Jahren in New York. Sie wurde auf dem Friedhof der Sankt-Martins-Kirche im Londoner Stadtteil Ruislip im Bezirk Hillingdon bestattet.[1] Im selben Grab wurde später auch ihr Sohn bestattet.[15]

Ehen Bearbeiten

In ihrer Hamburger Zeit war Elisabeth Schumann mit dem Architekten Walther Puritz (1882–1957) verheiratet. Zuvor hatte sie sich mit ihm in Berlin verlobt, als er noch Architektur studierte. Dass ihre Karriere in Hamburg begann, hatte mit ihm zu tun. Er war 1909 dort beschäftigt. Als sie ihn in Hamburg besuchte, bat sie im Opernhaus darum, vorsingen zu dürfen. Danach wurde sie sofort engagiert.[2] Als verheiratete Frau ging sie im Herbst 1912 eine Beziehung mit Otto Klemperer ein, der seit 1910 an der Hamburger Oper dirigierte, und zeigte sich mit ihm in der Öffentlichkeit. Am zweiten Weihnachtsfeiertag kam es zu einem Eklat, als der wütende Ehemann während einer Lohengrin-Aufführung plötzlich mit einer Reitpeitsche auf Klemperer eindrosch und dieser in den Orchestergraben fiel. Etliche Opernbesucher mussten einschreiten, um eine weitere Eskalation zu verhindern. Klemperer rief erklärend ins Publikum: „Herr Puritz hat mich angegriffen, weil ich seine Frau liebe. Guten Abend!“ Klemperer und Elisabeth Schumann wichen nach Wien aus und kamen bei Alma Mahler unter. Nach dem Ende der Liaison söhnten sich die Eheleute im August 1913 in Hamburg aus.[5] 1918 kam es zur Scheidung.[2]

Im März 1919 heiratete Elisabeth Schumann in zweiter Ehe den Dirigenten und Pianisten Karl Alwin. Im selben Jahr zog sie mit ihm nach Wien. Alwin begleitete sie am Klavier, zum Beispiel bei Konzerttourneen Anfang der 1930er Jahre in Nord- und Südamerika. Diese Ehe wurde 1933 geschieden.[1]

Danach war sie mit dem Wiener Arzt Hans Krüger (vormals Kohn) liiert. Nach dem „Anschluss Österreichs“ flüchtete er wegen seiner jüdischen Herkunft aus Wien nach London, während sie sich im Ausland entschied, nicht in das nationalsozialistische Wien zurückzukehren. Sie heirateten im August 1938 in London. Anschließend emigrierten sie gemeinsam in die USA. Die Ehe wurde 1942 geschieden.[1]

Aus ihrer ersten Ehe hatte Elisabeth Schumann ihren Sohn Gerd Puritz (1914–2007). Er widmete seiner Mutter eine ausführliche Text- und Foto-Biografie, die im Jahr 1993 – 41 Jahre nach ihrem Tod – erschien. Seine Tochter Joy Puritz ist Mitautorin einer weiteren Biografie (siehe Literatur).

Auszeichnungen Bearbeiten

  • 1928 wurde ihr der Titel einer Kammersängerin verliehen
  • Sie wurde am 29. Februar 1932 von König Christian X. von Dänemark mit der dänischen Verdienstmedaille Ingenio et arti ausgezeichnet.[16]
  • 1937 wurde sie Ehrenmitglied des Wiener Operntheaters.[17]

Gedenken Bearbeiten

 
Gedenktafel am Geburtshaus in Merseburg, Gotthardstraße 27
 
Stolperstein in Salzburg

Im Juni 2006 brachte der Merseburger Altstadtverein eine Gedenktafel an ihrem Geburtshaus an.[18] Der Theater- und Konzertsaal im Erdgeschoss des Merseburger Ständehauses ist nach ihr benannt.[19]

Am 17. August 2020 verlegte der Künstler Gunter Demnig vor dem Haus für Mozart in Salzburg einen Stolperstein für Elisabeth Schumann, der an ihre Emigration im Jahr 1938 erinnert.[20]

Gerald Moore, der Elisabeth Schumann oft am Klavier begleitete, hat ihr mit Worten ein Denkmal gesetzt. Er schrieb über sie:[21]

„Elisabeth war keiner niedrigen Handlung fähig, und ich hörte sie niemals ein unfreundliches Wort über irgendjemanden sagen. […] Wann immer sie vor das Publikum trat, gewann sie die Herzen der Zuhörer durch ihr strahlendes Lächeln, ihren Charme und ihre Einfachheit. Sie vermittelte ihnen sofort die Freude, die sie selbst beim Singen empfand […] und man war überzeugt davon, daß sie dieses Leuchten nicht nur für diesen Abend angenommen und gleichsam mit ihrem Abendkleid angelegt hatte. Man spürte, daß der heitere Glanz, der sie umgab, die Frau selbst sei, und ich kann versichern, dieses Gefühl war richtig.“

Literatur Bearbeiten

Eigene Publikationen Bearbeiten

  • Elisabeth Schumann: Liederbuch. Erstausgabe: Universal Edition, Wien/Leipzig/New York 1928. Überarbeitete Ausgaben: Universal Edition 1955, 1974.
  • Elisabeth Schumann: German Song (Übersetzung von David Millar Craig). Chanticleer Press, London 1948.

Sekundärliteratur Bearbeiten

  • Gerd Puritz: Elisabeth Schumann. A Biography. André Deutsch, London 1993, ISBN 0-233-98794-0.
  • Sabine Keil, Joy Puritz: Elisabeth Schumann. Lebensstationen der weltbekannten Merseburger Sopranistin. AXON, Querfurt 2008, ISBN 978-3-939325-09-3.
  • Joy Puritz: Schumann, Emma Elisabeth, geschiedene Puritz-Schumann, geschiedene Alwin-Schumann, geschiedene Krüger. In: Eva Labouvie (Hrsg.): Frauen in Sachsen-Anhalt. Band 2: Ein biographisch-bibliographisches Lexikon vom 19. Jahrhundert bis 1945. Böhlau, Köln u. a. 2019, ISBN 978-3-412-51145-6, S. 415–419.
  • Schumann, Elisabeth, in: Werner Röder; Herbert A. Strauss (Hrsg.): International Biographical Dictionary of Central European Emigrés 1933–1945. Band 2,2. München : Saur, 1983, S. 1055

Tondokumente Bearbeiten

Beispiele bei YouTube (teils in Schellackplatten-Qualität):

Weblinks Bearbeiten

Commons: Elisabeth Schumann – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. a b c d e f g h i j Gert Kerschbaumer: Schumann, Elisabeth. In: Stolpersteine Salzburg. Abgerufen am 25. Februar 2024.
  2. a b c d e f g Elisabeth Schumann bei Naxos (englisch)
  3. Natalie Haenisch bei Operissimo auf der Basis des Großen SängerlexikonsVorlage:Operissimo/Wartung/Verwendung von Parameter 2
  4. Gerd Puritz: Elisabeth Schumann. A Biography. André Deutsch, London 1993, ISBN 0-233-98794-0.
  5. a b Eine Liebe gegen alle Konvention welt.de, 9. Dezember 2012.
  6. Adressbuch Hamburg für 1918 bei sub.uni-hamburg.de, siehe Puritz-Schumann.
  7. Elisabeth Schumanns Auftritte an der Wiener Staatsoper
  8. Salzburger Festspiele 1922: Così fan tutte, Die Entführung aus dem Serail, Le nozze di Figaro, 2. Orchesterkonzert – Richard Strauss archive.salzburgerfestspiele.at
  9. Salzburger Festspiele 1926: Pergolesi: La serva padrona archive.salzburgerfestspiele.at
  10. Salzburger Festspiele 1927: Fidelio, Don Giovanni archive.salzburgerfestspiele.at
  11. Salzburger Festspiele 1936: Così fan tutte, Le nozze di Figaro archive.salzburgerfestspiele.at
  12. Siehe auch Elisabeth Schumann in Opernbesetzungen der Salzburger Festspiele 1922 bis 1926 und Opernbesetzungen der Salzburger Festspiele 1927 bis 1930.
  13. Biografie (Memento des Originals vom 3. April 2016 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/agso.uni-graz.at im Archiv für die Geschichte der Soziologie in Österreich
  14. Elisabeth Schumann im Wien Geschichte Wiki der Stadt Wien
  15. Elisabeth Schumann in der Datenbank Find a Grave, abgerufen am 22. November 2023 (englisch).
  16. For videnskab og kunst medaljen Ingenio et arti. In: Litterære priser, medaljer, legater mv. litteraturpriser.dk, abgerufen am 5. Dezember 2021 (dänisch). Liste der Empfänger Ingenio et arti .
  17. Elisabeth Schumann im Wien Geschichte Wiki der Stadt Wien
  18. Die Gedenktafeln des Merseburger Altstadtvereins merseburger-altstadtverein.de
  19. Elisabeth-Schumann-Saal merseburg-staendehaus.de
  20. Stolpersteine Salzburg – verlegt am 17.08.2020 am Max-Reinhardt-Platz. Archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 23. Oktober 2020; abgerufen am 17. August 2020.
  21. Gerald Moore, zitiert nach der Biografie Elisabeth Schumann auf fembio.org.