Dinoseb ist eine chemische Verbindung aus der Gruppe der substituierten Phenole (genauer der Dinitrophenole).

Strukturformel
Strukturformel von Dinoseb
Grundstrukturformel (Stereozentrum ist mit einem * markiert)
Allgemeines
Name Dinoseb
Andere Namen
  • (RS)-2-(1-Methylpropyl)-4,6-dinitrophenol (IUPAC)
  • 6-(1-Methylpropyl)-2,4-dinitrophenol
  • 4,6-Dinitro-o-sec-butylphenol
  • Gebutox
  • Butyl-Gelb
  • Dibutox
  • DNBP
  • Hivertox
  • Ladob
  • (±)-2-(1-Methylpropyl)-4,6-dinitrophenol
Summenformel
  • C10H12N2O5 (Dinoseb)
  • C10H11N2NaO5 (Dinoseb-Natriumsalz)
  • C10H15N3O5 (Dinoseb-Ammoniumsalz)
  • C12H14N2O6 (Dinoseb-Essigsäureester)
Kurzbeschreibung

gelber brennbarer Feststoff mit schwachem Geruch[1]

Externe Identifikatoren/Datenbanken
CAS-Nummer
EG-Nummer 201-861-7
ECHA-InfoCard 100.001.692
PubChem 6950
ChemSpider 6684
Wikidata Q415111
Eigenschaften
Molare Masse
  • 240,22 g·mol−1 (Dinoseb)
  • 257,24 g·mol−1 (Dinoseb-Ammoniumsalz)
  • 282,25 g·mol−1 (Dinoseb-Essigsäureester)
Aggregatzustand

fest (Dinoseb)[2]

Dichte

1,27 g·cm−3[1]

Schmelzpunkt
  • 38–42 °C (Dinoseb)[2]
  • 26–27 °C (Dinoseb-Essigsäureester)[2]
Siedepunkt

332 °C[1]

Dampfdruck

0,09 Pa (50 °C)[1]

pKS-Wert

4,62 (Dinoseb)[3]

Löslichkeit
  • praktisch unlöslich in Wasser (50 mg·l−1 bei 20 °C)[1]
  • in den meisten organischen Lösungsmitteln löslich (Dinoseb)[2]
  • löslich in Aromaten (Dinoseb-Essigsäureester)[2]
Sicherheitshinweise
GHS-Gefahrstoffkennzeichnung aus Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 (CLP),[4] ggf. erweitert[1]
Gefahrensymbol Gefahrensymbol Gefahrensymbol Gefahrensymbol

Gefahr

H- und P-Sätze H: 300​‐​311​‐​315​‐​317​‐​318​‐​360Df​‐​410
EUH: 044
P: 201​‐​280​‐​301+330+331+310​‐​302+352+312​‐​305+351+338​‐​308+313[1]
Zulassungs­verfahren unter REACH

besonders besorgnis­erregend: fortpflanzungs­gefährdend (CMR)[5]

Toxikologische Daten

27–50 mg·kg−1 (LD50Ratteoral)[6]

Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen.

Geschichte Bearbeiten

Die chemische Grundform der Verbindung in Form von Dinitro-ortho-cresol wurde in Deutschland entdeckt und im Jahre 1892 als Insektizid patentiert. Bis 1925 wurde dieses als Herbizid verwendet und bald auch seine fungiziden Eigenschaften entdeckt. Dow Chemical wandelte 1948 die grundlegende Struktur von 2,4-Dinitrophenol bzw. dem Dinitrokresol (2-Methyl-4,6-dinitrophenol) leicht ab und produzierte so Dinoseb, welches 1948 in Verkehr gebracht wurde.[7] Am 13. Januar 1984 verlor das dänische Containerschiff Dana Optima auf der Fahrt von North Shields (GB) nach Esbjerg (DK) in schwerer See achtzig 200-Liter-Fässer mit Dinoseb in der Nordsee, von denen nach vier Monaten 72 durch eine umfangreiche Suchaktion zum Teil beschädigt wiedergefunden wurden.[8] 1986 wurde Dinoseb in Amerika von der EPA verboten.

Stereoisomerie Bearbeiten

Dinoseb enthält in der Alkyl-Seitenkette ein Stereozentrum, es ist chiral. Folglich gibt es zwei Stereoisomere (R)-2-(1-Methylpropyl)-4,6-dinitrophenol und das spiegelbildliche (S)-2-(1-Methylpropyl)-4,6-dinitrophenol. Der Pflanzenschutzmittel-Wirkstoff wird als Racemat [1:1-Gemisch der (R)-Form und der (S)-Form] eingesetzt.

Dinoseb
(2 Stereoisomere)
 
(S)-Konfiguration
 
(R)-Konfiguration

Gewinnung und Darstellung Bearbeiten

Dinoseb wird aus Phenol hergestellt durch dessen Sulfonierung zu 4-Phenolsulfonsäure, anschließende Alkylierung mit 2-Buten oder Isobutanol in Gegenwart von Schwefelsäure und wird dann letztendlich durch Nitrierung zum Dinitroderivat umgesetzt.[9]

Verwendung Bearbeiten

Dinoseb wurde als Pflanzenschutzmittel verwendet. Es wurde auch in Form seiner Salze und Ester eingesetzt (Diethanolamin-Dinoseb CAS-Nummer: 53404-43-6, Amin-Dinoseb CAS-Nummer: 8048-12-2, Ammonium-Dinoseb CAS-Nummer: 6365-83-9). Ein häufig verwendetes Derivat ist Dinosebacetat (gelbe Kristalle, Schmelzpunkt 26–27 °C, Siedepunkt 170 °C, CAS-Nummer: 2813-95-8), welches auch als Grundstoff für die Herbizide Premilan und Herbasol dient. Nach der Pflanzenschutz-Anwendungsverordnung besteht ein vollständiges Anwendungsverbot für Dinoseb, seine Acetate und Salze.[9] Weder in einem EU-Staat noch in der Schweiz ist ein Dinoseb-haltiges Pflanzenschutzmittel zugelassen.[10]

Es dient auch als Polymerisationsinhibitor für Styrol.[9]

Wirkung Bearbeiten

Dinoseb wirkt wie andere Dinitrophenole als Entkoppler, der dafür sorgt, dass die Energiegewinnung der Endoxidation im Stoffwechsel nicht stattfinden kann. Der normalerweise aufgebaute H+-Gradient kann nicht erzeugt werden.[6]

Sicherheitshinweise Bearbeiten

Dinoseb ist als reproduktionstoxisch eingestuft.[1]

Verwandte Verbindungen Bearbeiten

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. a b c d e f g h Eintrag zu Dinoseb in der GESTIS-Stoffdatenbank des IFA, abgerufen am 15. Januar 2020. (JavaScript erforderlich)
  2. a b c d e The Merck Index: An Encyclopedia of Chemicals, Drugs, and Biologicals, 14. Auflage (Merck & Co., Inc.), Whitehouse Station, NJ, USA, 2006; S. 556–557, ISBN 978-0-911910-00-1.
  3. Rene P. Schwarzenbach, Philip M. Gschwend, Dieter M. Imboden; Environmental Organic Chemistry, ISBN 0-471-35750-2.
  4. Eintrag zu Dinoseb im Classification and Labelling Inventory der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA), abgerufen am 1. Februar 2016. Hersteller bzw. Inverkehrbringer können die harmonisierte Einstufung und Kennzeichnung erweitern.
  5. Eintrag in der SVHC-Liste der Europäischen Chemikalienagentur, abgerufen am 17. Juli 2014.
  6. a b Eintrag zu Dinitrophenole bei vetpharm, abgerufen am 25. Januar 2018.
  7. Allan S. Felsot: Dinoseb – Banned But Not Forgotten, The Tale of an Unusually Hazardous Pesticide. In: Agricultural and Environmental News. 146, 1998.
  8. P. S. Stamp: The Dinoseb Incident. In: Chemical Spills and Emergency Management at Sea: Proceedings of the First International Conference on "Chemical Spills and Emergency Management at Sea", Amsterdam, The Netherlands, November 15-18, 1988. Springer, 1988, ISBN 0-792-30052-1, S. 325–345 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  9. a b c Toxikologische Bewertung von 2-(1-Methylpropyl)-4,6-dinitrophenol (Dinoseb) (PDF) bei der Berufsgenossenschaft Rohstoffe und chemische Industrie (BG RCI), abgerufen am 22. August 2012.
  10. Generaldirektion Gesundheit und Lebensmittelsicherheit der Europäischen Kommission: Eintrag zu Dinoseb, its acetate and salts in der EU-Pestiziddatenbank; Eintrag in den nationalen Pflanzenschutzmittelverzeichnissen der Schweiz, Österreichs und Deutschlands, abgerufen am 17. Februar 2016.

Weblinks Bearbeiten