Digital Mobile Radio

Übertragungsstandard für Sprache und Daten in nichtöffentlichen Funknetzen

Digital Mobile Radio (DMR), zu deutsch: Digitaler Mobilfunk bezeichnet einen Übertragungsstandard für Sprache und Daten in Funknetzen. DMR wird im Behördenfunk, Betriebsfunk, Amateurfunkdienst und weiteren Diensten verwendet.

Handfunkgerät für DMR Tier III, Type Hytera PD785

Geschichte Bearbeiten

DMR wurde 2006 vom Europäischen Institut für Telekommunikationsnormen (ETSI) als Standard verabschiedet (ETSI EN 300 113 Teil 2). Der Standard soll als Grundlage für die digitalen Funkanwendungen für Behörden und professionellen Nutzern in der EU dienen. Die Hersteller und Anbieter von DMR Systemen und Zubehör haben sich in der Industrievereinigung DMR Association zusammengeschlossen.

Technisch bietet DMR Vollduplex-Übertragung und arbeitet mit dem Zeitmultiplex-Verfahren. Wenngleich im ETSI-Standard kein fixer Vocoder vorgegeben ist, wird bei DMR für die Kodierung von Audiodaten üblicherweise Advanced Multi-Band Excitation (AMBE+) eingesetzt. Bei Datenübertragung wird eine Bruttodatenrate von 9,6 kBit/s erreicht und belegt dabei eine Bandbreite von 12,5 kHz. Die Modulation am Funkkanal ist eine Frequenzumtastung (FSK) mit vier verschiedenen Frequenzen (4FSK), die zeitliche Ausrichtung der Zeitschlitze erfolgt asynchron, da keine zentrale Instanz für die Synchronisierung vorhanden ist.

Ein konkurrierendes Verfahren ist dPMR, welches das FDMA-Frequenzmultiplex-Verfahren verwendet und mit einer Bandbreite von 6,25 kHz nur ein Drittel der bisherigen Bandbreite von 20 kHz belegt (ETSI EN 301 166 Teil 2).

Eine spezielle Aktualität erfahren diese beiden Verfahren durch eine Neuregelung der US Federal Communications Commission. Aufgrund eines Mangels an freien Kanälen werden zukünftig in den USA neue Funkanwendungen nur dann genehmigt, wenn sie eine maximale Bandbreite von 6,25 kHz je Sprechweg benutzen. Bei dPMR ist dies genau die Trägerbandbreite, beim DMR mit seinen zwei Zeitschlitzen auf einem 12,5-kHz-Träger spricht man vom 6,25-kHz-Äquivalent.

DMR im Amateurfunk Bearbeiten

 
Relaisstation Typ DR3000 mit Antennenweiche, einsatzbereit in Flightcase montiert

Nach der sukzessiven Einführung von DMR im professionellen Bereich, experimentierten auch Funkamateure mit der Anwendung. Früh wurden in den USA Registrierungsserver für den Amateurfunkdienst aufgesetzt. DMR wurde auch in der europäischen Amateurfunk-Community immer beliebter und der administrative Aufwand für die Verwaltung der DMR Kennungen wuchs. 2014 wurde auf der Basis des DMR-Monitor-Servers ein 2. Registrierungsserver mit Hilfe von Funkamateuren aus den USA aufgesetzt. Der Registrierungsserver vergibt DMR-IDs für Europa und Afrika und ist mit den US-Servern synchronisiert.[1]

Funkamateuren wird in einer internationalen Datenbank nach den Richtlinien der Mobile Country Codes eine ID zugeteilt. Diese kann in den Geräten über Adressbücher mit Amateurfunkrufzeichen und Namen dargestellt werden.[2][3]

Es existieren drei Netzwerke im Amateurfunk: das DMR-MARC (Motorola Amateur Radio Club), das Hytera-Netz und das DMR-BrandMeisternetz. Das DMR-MARC-Netz ist das ältere Netz und basiert auf Motorola-Mototrbo-Repeatern. Das Hytera-Netz basiert auf Repeatern von Hytera. Die Funkgeräte aller Hersteller sind aufgrund der ETSI-Standardisierung kompatibel zu beiden Netzen.

Die Software zur Vernetzung der Hytera-DMR-Repeater wird von Funkamateuren geschrieben. Dadurch lassen sich amateurfunkspezifische Funktionen im DMR-Netz integrieren. Hierzu gehören die Nutzung von Reflektoren, nach dem Vorbild von D-STAR DCS sowie die Möglichkeit zur Positionsmeldung an APRS-Server durch GPS-fähige Funkgeräte.[4]

Da DMR zwei Zeitschlitze zur Verfügung stellt – es sind zwei Gespräche gleichzeitig auf einem Repeater möglich – können so beispielsweise auf Zeitschlitz 1 Gespräche in den Gesprächsgruppen Weltweit, Europa und National geführt werden, wobei es gleichzeitig möglich ist, auf dem Zeitschlitz 2 ein lokales, regionales oder nationales QSO zu führen. Durch die Vernetzung der Relais sind internationale Gespräche möglich. So sind Gespräche mit 100 Teilnehmern auf dem Zeitschlitz 1 in der Gesprächsgruppe Weltweit keine Seltenheit.

Zunächst wurden im Amateurfunkbereich handelsübliche DMR-Geräte von Funkamateuren entsprechend zur Nutzung im Amateurband programmiert. Später zogen vor allem chinesische Hersteller nach und produzieren DMR-fähige Amateurfunk-Geräte. Laut Angabe des Brandmeister-Netzes gibt es weltweit über 5000 DMR-Relais (Stand 3/21)[5], in Deutschland sind derzeit rund 380 DMR-Relais bekannt (Stand 3/21)[6], hauptsächlich im 70-cm-Band, teilweise auch im 2-m-Band und teilweise per IP Site Connect verbunden.[7][8]

DMR als Funkstandard Bearbeiten

DMR wurde vom ETSI[9] als Nachfolger analoger professioneller Funknetze etabliert. In den bestehenden (lizenzierten und lizenzfreien) Frequenzbändern sollen bessere Verständigung, rauschfreie Übertragung sowie höhere Datenraten und zusätzliche Dienstmerkmale als im Analogfunk ermöglicht werden. DMR bietet im Vergleich zu analogem frequenzmoduliertem Funk bei gleicher Bandbreite von 12,5 kHz mit zwei Sprachkanälen eine Verdopplung der Kanalzahl.

Die Bundesnetzagentur BNetzA erteilt Frequenzgenehmigungen auf speziell für diese Betriebsart freigehaltenen Frequenzen im 2-m-VHF-Band und im 70-cm-UHF-Band.

Gegenüber TETRA benötigt DMR geringere Investitionen sowie aufgrund der einfacheren Struktur geringeren Wartungsaufwand und bietet eine gewisse Kompatibilität zu bestehenden Funkanlagen. DMR-Funkanlagen und -Systeme eignen sich für unterschiedliche Anwendungen und können für kleinere lokale Betriebsfunklösungen bis hin zu großen Funknetzen eingesetzt werden. Anwender sind beispielsweise Stadtwerke, ÖPNV-Unternehmen und Energieversorger, aber auch Straßenbauämter und Autobahndienststellen.

Der Mixed-Mode ermöglicht die Umschaltung zwischen analogem Funk im 12,5-/20-/25-kHz-Raster und digitalem Funk im 6,25-kHz-Raster. Die Geräte sind sozusagen „abwärtskompatibel“. Eine Zusammenarbeit mit analogen Geräten auf einem anderen Kanal ist im Gegensatz zu TETRA möglich. Manche Repeater können auch auf demselben Kanal beide Standards (nacheinander) unterstützen – in der Betriebsart, in der er gerufen wird, antwortet der Repeater.

Als Vorteil für DMR gegenüber öffentlichen Mobilfunknetzen wird die höhere Systemverfügbarkeit bei einem Stromausfall (Blackout) gesehen.

Varianten Bearbeiten

LSB-demoduliertes DMR-Tier-2-Signal (Ausgabekanal, Einstellung Gespräch) mit zwei Gesprächssignalen, call idle und slot idle

DMR Tier I ist für Hobbyanwendungen vorgesehen. Es gelten die üblichen technischen Beschränkungen wie bei PMR446-Geräten, d. h. fest angebaute Antenne, maximal 0,5 Watt Strahlungsleistung und Benutzung von allgemein zugewiesenen Frequenzen. Dafür sind sie jedoch frei von Nutzungsgebühren.

DMR Tier II ist für Betriebsfunkanwendungen vorgesehen. Wie im analogen Funk betreibt jede Firma eigene Geräte im Wechselsprechen (DMO), d. h. ohne fremde Infrastruktur oder in Gegensprechen (RMO) über Relaisstellen (BTS – Base Transceiver Station). Durch eine Vernetzung der Repeater (BTS) – auch als IP-Site-Connect bezeichnet – lassen sich aber auch überregionale Funknetze mit DMR Tier II realisieren. Bei Firmen können beispielsweise mehrere Gebäude, bei Nahverkehrsunternehmen ganze Regionen versorgt werden oder wie beim Amateurfunk eine weltweite Vernetzung aller DMR-Repeater/BTS erfolgen. Diese Vernetzung kann (je nach Situation) über leitungsgebundenes DSL, Sat-DSL, UMTS oder Richtfunk realisiert werden. DMR Tier II wird allgemein auch als „konventionelles DMR“ bezeichnet.

DMR Tier III oder auch DMR-Trunking / DMR-Bündelfunk (TMO – Trunked Mode Operation) beschreibt größere Funknetze mit einer oder mehreren Basisstationen und IP-Vernetzung, wobei hier an jedem Standort mehrere physikalische Frequenzen gleichzeitig bedient werden können. Damit ist es möglich, die Kapazität der jeweiligen Funkzelle/BTS zu erhöhen, somit kann eine Vielzahl von Gesprächen gleichzeitig über die BTS vermittelt werden. DMR Tier III ist daher als Alternative zum TETRA-Funkstandard zu sehen.

Herstellervarianten. Da die Implementierung von TIER-III sehr umfangreich ist, haben die meisten Hersteller eigene Varianten, die auf TIER-II aufbauen. Motorola bezeichnet seine Ergänzungen als Capacity Plus oder Linked Capacity Plus. Sie sind dann allerdings nur noch zu sich selbst kompatibel. Für Fremdgeräte sind solche Netze nicht zugänglich. Hytera verwendet in Analogie hierzu XPT (Extended Pseudo Trunk).

Verschlüsselung Bearbeiten

Die ersten DMR-Funkgeräte unterstützten keine Verschlüsselung. Dies liegt daran, dass Verschlüsselung im DMR-Standard ursprünglich nicht definiert war. Jeder Hersteller von DMR-Funkgeräten fügte später sein eigenes Verschlüsselungsprotokoll hinzu. Die Verschlüsselungsprotokolle sind daher nicht miteinander kompatibel. So ist beispielsweise die Basic-Encrypt-Verschlüsselung von Hytera mit der Basic-Encrypt-Verschlüsselung von Motorola oder der Basic-Encrypt-Verschlüsselung von Tytera völlig inkompatibel.

Um dieses Problem zu lösen, hat Motorola eine gemeinsame Verschlüsselung innerhalb der DMRA-Vereinigung vorgeschlagen. Es bietet eine 40-Bit-ARC4-Verschlüsselung und eine 256-Bit-AES-Verschlüsselung.

Die Implementierung dieser beiden Algorithmen ist nicht bekannt, da die DMRA-Verschlüsselung von Motorola nur Herstellern zur Verfügung steht, die zusätzlich zur Zahlung von Nutzungsgebühren eine Geheimhaltungsvereinbarung unterzeichnen.

Einige DMR-Verschlüsselungsalgorithmen wurden veröffentlicht, wie z. B. der PC4, der 2015 veröffentlicht wurde. Es handelt sich um eine Blockchiffre, die speziell für DMR-Funkkommunikationssysteme entwickelt wurde. Es werden 253 Runden verwendet und die Größe des Verschlüsselungsschlüssels kann von 8 Bit bis 2112 Bit variieren. Die Blockgröße beträgt 49 Bit, genau die Größe eines AMBE+ DMR-Voice-Frames.[10]

Eine Firmware, die die PC4-Verschlüsselung implementiert, ist für die Tytera MD-380 und MD-390 Funkgeräte verfügbar.[11]

Obwohl die meisten DMR-Verschlüsselungsprotokolle proprietär und nicht öffentlich sind, gibt es einige Informationen, die verwendet werden können, um die verschiedenen Verschlüsselungsmodi zu definieren, die es gibt: AMBE-Frames werden nach der Digitalisierung des analogen Signals mit einem Verschlüsselungsschlüssel verschlüsselt. Und am Empfang werden die AMBE-Frames mit dem gleichen Verschlüsselungsschlüssel entschlüsselt und erst dann wird das digital-analoge Gespräch geführt.

Im Motorola Basic-Modus gibt es tatsächlich 255 feste Verschlüsselungsschlüssel. Dies ist ein 1-stelliger Verschlüsselungsschlüssel. Der Verschlüsselungsschlüssel Nr. 1 in der Basisverschlüsselung von Motorola lautet beispielsweise: 1F001F001F0000, was bedeutet, dass jeder 49-Bit-AMBE-Frame von XOR mit dem Verschlüsselungsschlüssel 1F001F001F0000 verschlüsselt wird.[12]

Der Basic-Modus anderer Hersteller bietet 10-, 32- oder 64-stellige Verschlüsselungsschlüssel, um eine feste 882-Bit-Zeichenfolge aus zufälligen Zeichen zu erzeugen, die mit AMBE-Frames XOR ist. Anstatt jedoch jeden AMBE-Frame mit einem konstanten Verschlüsselungsschlüssel zu verschlüsseln, wird ein ganzer Superframe mit dieser festen Zeichenfolge verschlüsselt. Ein Superframe enthält 18 AMBE-Frames, d. h. 882 Bit, und es sind diese 882 Bit, die mit diesem 882-Bit-Fixed-String verschlüsselt werden.

Der PC4-Verschlüsselungsmodus verschlüsselt einen gesamten 49-Bit-Frame im ECB-Modus. Ein einzelnes Bit, das anders ist, macht den gesamten verschlüsselten Block völlig anders.

Für den erweiterten (ARC4) oder erweiterten (AES) Modus wird ebenfalls ein vollständiger Superframe verschlüsselt, aber ein 32-Bit-IV (Initialisierungsvektor) hinzugefügt. Daher ist jeder Superframe unterschiedlich verschlüsselt. Und es gibt 2^32 (2 Potenzen von 32) möglichen Vektoren der Initialisierung. Dank des Initialisierungsvektors wird die Verschlüsselung nicht mehr für den gleichen Verschlüsselungsschlüssel festgelegt, sondern ändert sich mit jedem Superframe.

Im DMR-Standard gab es keinen Platz, um diesen IV zu speichern, so dass der IV (mit dem Zusatz eines Fehlerkorrekturcodes, für insgesamt 72 Bits) aufgrund von 4 Bits pro Frame (die Bits niedriger Ordnung) in jeden 49-Bit-AMBE-Frame eingefügt wird. Diese 4 Bits gehen also verloren und die Sprachqualität verschlechtert sich, was bei festen Chiffren im Basic-Modus nicht der Fall ist. 18 AMBE-Frames à 49 Bit mit je 4 Bit ergeben 72 Bit (18*4).

Weblinks Bearbeiten

Amateurfunk Bearbeiten

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. Deutscher Amateur-Radio-Club e V: DMR - DARC. Abgerufen am 22. September 2022.
  2. TRBO Users World Wide. DMR-MARC, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 19. Februar 2015; abgerufen am 22. Februar 2015.
  3. RadioID - Database. Abgerufen am 10. Januar 2021 (englisch).
  4. Hytera DMR Features. ham-dmr.de, archiviert vom Original am 30. September 2022; abgerufen am 21. August 2014.  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/ham-dmr.de
  5. Brandmeister DMR-Netzwerk. Brandmeister, abgerufen am 16. März 2021.
  6. Interaktive Übersichtskarte Amateurfunk-Relais. Repeatermap.de, abgerufen am 16. März 2021.
  7. DMR-MARC Networked Repeaters. DMR-MARC, abgerufen am 22. Februar 2015.
  8. Repeaterstatus – weltweit. DMRplus, abgerufen am 22. Februar 2015.
  9. Digital Mobile Radio. In: ETSI. (etsi.org [abgerufen am 13. April 2017]).
  10. PC4-DMR-Verschlüsselung. In: Alexander Pukall Web Page. 2015;.
  11. Voice Crypt Firmware. In: Archive.org. 2018;.
  12. Analyse der Motorola Basic Encryption. In: Github. 2021;.