Das Defense Support Program (kurz DSP, engl. für Verteidigungs-Unterstützungs-Programm) ist ein Raketen-Frühwarn-Militärsatelliten-Programm der U.S. Air Force. Es bildet die Hauptkomponente der US-amerikanischen Frühwarn-Einrichtungen gegen Angriffe mit ballistischen Raketen.

Illustration eines DSP-Satelliten der dritten Generation. Der Hauptsensor (unten links) ist auf die Erde ausgerichtet.

Die Satelliten verfügen über ein Infrarot-Teleskop um startende Raketen aufzuspüren sowie über Sensoren, die nukleare Explosionen entdecken können. Während der Operation Desert Storm waren die DSP Satelliten in der Lage, Starts der irakischen Scud-Raketen zu lokalisieren und somit Vorwarnungen für Zivilisten und militärische Einheiten in Israel und Saudi-Arabien zu liefern.[1]

Alle Generationen der DSP-Satelliten wurden von TRW (seit 2002 Northrop Grumman) entwickelt und gebaut.

Defense Support Program wird vom Space-Based Infrared System abgelöst.

Technologie Bearbeiten

Die zylindrischen DSP-Satelliten rotieren um ihre eigene Achse, um mittels des schräg eingebauten Schmidt-Teleskops des Infrarot-Sensors die gesamte Erdoberfläche zu scannen. Die Satelliten sind jedoch nicht spinstabilisiert, da die Rotationsachse des Satelliten immer senkrecht zur Erdoberfläche ausgerichtet sein muss. Die Satelliten verwenden ein internes gegenläufiges Schwungrad, um den Drehimpuls auszugleichen.

Der Primärsensor des Satelliten besteht aus einer Matrix von Blei(II)-sulfid-Infrarot-Detektoren.

Die Satelliten haben im Gegensatz zu den meisten geostationären Satelliten keinen eigenen Raketenantrieb (Apogäumsmotor), um den Einschuss in die geostationäre Umlaufbahn vorzunehmen, so dass der Satellit von der Trägerrakete selbst dort abgesetzt werden muss. Für die früheren Satelliten kam dabei eine Titan-3(23)C zum Einsatz, später auch die leistungsgesteigerte Titan-34D Transtage. Für die deutlich größeren Satelliten der Phase 3 wurde primär die Titan-4-Rakete mit IUS-Oberstufe verwendet, jedoch konnte alternativ auch der Start mit einem Space Shuttle und IUS-Oberstufe erfolgen. Für den letzten Satellit kam nach der Außerdienststellung der Titan-Rakete eine Delta IV-Heavy zum Einsatz.

Die Bodenkontrolle für die DSP-Satelliten wird durch die 460th Space Wing auf der Buckley Air Force Base in Colorado ausgeübt. Von dort bestehen Kommunikationseinrichtungen sowohl zum North American Aerospace Defense Command (NORAD) als auch zum Frühwarnzentrum des United States Strategic Command in Cheyenne Mountain bei Colorado Springs. Von diesen Zentren werden die Informationen zu verschiedenen Regierungsbehörden und den Einsatzkräften in aller Welt weitergeleitet.

Geschichte Bearbeiten

 
DSP-16 wird vom Space Shuttle während der Mission STS-44 ausgesetzt
 
Start von DSP-22 auf einer Titan-4B IUS

Das Defense Support Program wurde in den späten 1960er Jahren als Nachfolger des ebenfalls mit Infrarot-Sensoren arbeitenden MIDAS-Systems entwickelt. Im Gegensatz zu dem früheren, experimentellen System befinden sich die DSP-Satelliten im geostationären Orbit, so dass sie immer den gleichen Teil der Erdkugel beobachten.

Seit dem Start des ersten DSP-Satelliten am 6. November 1970 wurde das System zum Rückgrat des US-amerikanischen Raketenfrühwarnsystems. Seit die Satellitenkonstellation mit drei Satelliten eine nahezu globale Abdeckung mit Ausnahme der polaren Gebiete erreichte, waren unbemerkte Raketenstarts praktisch unmöglich geworden. Dies schloss neben in Angriffsabsicht gestarteten Raketen auch Raketentest und Satellitenstarts mit ein.

Die DSP Satelliten wurden im Laufe des Programms stetig weiter entwickelt und steigerten sich von ursprünglich 900 kg Startmasse und 2000 Detektorelementen auf 2380 kg Startmasse und 6000 Detektorelemente. Die geplante Lebensdauer der Satelliten wurde von 1,25 Jahren auf 5 Jahre vergrößert, die tatsächliche Lebensdauer der Mehrzahl der Satelliten betrug letztendlich ein Mehrfaches davon.

Weitere technologische Verbesserungen wurden im Laufe der Zeit eingeführt, wie z. B. Signalverarbeitung an Bord um die Anzahl der Fehlmeldungen zu reduzieren und Detektoren zum Schutz der Sensoren gegen Laser-Blend-Angriffe.

Seit der Phase II MOS/PIM-Generation können die Satelliten auch aus hochelliptischen Umlaufbahnen eingesetzt werden, um eine Verbesserung der Vorwarnung gegen Raketenstarts aus dem Nordpolarmeer zu ermöglichen. In der Praxis wurde diese Möglichkeit jedoch nie genutzt.

Als Nachfolgeprojekt wurde seit den 1990er Jahren das Space-Based Infrared System (SBIRS) entwickelt. Diese neue Generation von Frühwarnsatelliten besitzt anstelle der Scan-Sensoren starrende Sensoren mit deutlich schnellerer Reaktionszeit.

Einsatz Bearbeiten

Der erste Einsatz im Ernstfall erfolgte während der Operation Desert Storm, als DSP-Satelliten die Starts irakischer Scud-Kurzstreckenraketen aufspüren konnten und somit eine Vorwarnung für Bevölkerung und Streitkräfte in Saudi-Arabien und Israel ermöglicht wurde.

Im Laufe der Einsatzzeit erwies sich, dass eine Reihe anderer Ereignisse außer Raketenstarts ebenfalls registriert werden können. So wurden mit dem System regelmäßig Explosionen und Fragmentierungen von Boliden in der Erdatmosphäre detektiert.[2] Die Beobachtungsdaten wurden bis 2009 Forschern zur Verfügung gestellt.[3] Ebenso werden Ereignisse, von denen eine starke Wärmestrahlung ausgeht, registriert. So können Vulkanausbrüche, Waldbrände und Explosionen auch von den DSP-Satelliten gemeldet werden.

Satellitengenerationen Bearbeiten

 
Serie Anzahl Startzeitraum Masse (kg) geplante Lebensdauer (Jahre) Detektorgröße (Pixel) Bemerkungen
Phase I 4 1970–1973 907 1,25 2000  
Phase II 3 1975–1977 1143 2 2000 Verlängerte Lebensdauer  
Phase II MOS/PIM
(Multi-Orbit Satellite Performance Improvement Modification)
4 1979–1984 1170 3 2000 Einsatzmöglichkeit in verschiedenen Umlaufbahnen
Schutz vor Laser-Blendung
 
Phase II Upgrade 2 1984–1987 1674 3 6000 Verbesserte Detektoren
Überarbeitete Satelliten der Phase II
 
Phase III (DSP-I) 10 1989–2007 2386 5 6000 Neuer, vergrößerter Satellitentyp
Über-Horizont-Beobachtungen möglich
 

DSP-Starts Bearbeiten

Satellit Baunummer Datum Trägerrakete Bemerkung
Phase I
DSP-1 SVN-1 6. November 1970 Titan-3(23)C Teilerfolg
DSP-2 SVN-3 5. Mai 1971 Titan-3(23)C
DSP-3 SVN-4 1. März 1972 Titan-3(23)C
DSP-4 SVN-2 12. Juni 1973 Titan-3(23)C
Phase II
DSP-5 SVN-8 14. Dezember 1975 Titan-3(23)C
DSP-6 SVN-7 26. Juni 1976 Titan-3(23)C
DSP-7 SVN-9 6. Februar 1977 Titan-3(23)C
Phase II MOS/PIMS
DSP-8 SVN-11 10. Juni 1979 Titan-3(23)C
DSP-9 SVN-10 16. März 1981 Titan-3(23)C
DSP-10 SVN-13 6. März 1982 Titan-3(23)C
DSP-11 SVN-12 14. April 1984 Titan-34D Transtage
Phase II Upgrade
DSP-12 SVN-6R 22. Dezember 1984 Titan-34D Transtage
DSP-13 SVN-5R 29. November 1987 Titan-34D Transtage
Phase III (DSP-I)
DSP-14 SVN-14 14. Juni 1989 Titan-4(02)A IUS
DSP-15 SVN-15 13. November 1990 Titan-4(02)A IUS
DSP-16 SVN-16 24. November 1991 Space Shuttle IUS
DSP-17 SVN-17 22. Dezember 1994 Titan-4(02)A IUS
DSP-18 SVN-20 23. Februar 1997 Titan-4(02)B IUS
DSP-19 SVN-? 9. April 1999 Titan-4(02)B IUS unbrauchbarer Orbit wegen Fehler der IUS Oberstufe; Satellit wird für technologische Experimente verwendet.
DSP-20 SVN-? 8. Mai 2000 Titan-4(02)B IUS
DSP-21 SVN-? 6. August 2001 Titan-4(02)B IUS
DSP-22 SVN-? 14. Februar 2004 Titan-4(02)B IUS
DSP-23 SVN-? 11. November 2007 Delta-4H Erster operationeller Flug der Delta-4H. Komplettausfall des Satelliten im September 2008, keine Bestätigung durch U.S. Air Force.[4]

Quellen Bearbeiten

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. Defense Support program. FAS, archiviert vom Original am 7. Februar 2008; abgerufen am 14. August 2007.
  2. Fred Simmons, Jim Creswell: IR Eyes High In The Sky. The Defense Support Program. (PDF) In: Crosslink Summer 2000. 2000, S. 20–27, abgerufen am 4. Dezember 2012 (englisch).
  3. Astronomers lose access to military data nature.com; Military Hush-Up: Incoming Space Rocks Now Classified space.com, abgerufen am 24. April 2014
  4. U.S. satellite failure revives tracking concerns. (PDF) Archiviert vom Original am 26. Januar 2009; abgerufen im Jahr 2008.

Weblinks Bearbeiten

Commons: Defense Support Program – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien