Dazai Osamu

japanischer Schriftsteller

Dazai Osamu (japanisch 太宰 治; * 19. Juni 1909 in Kanagi-cho (金木町), heute: Goshogawara, Präfektur Aomori; † 13. Juni 1948 in Tokio; eigentlich Tsushima Shūji, 津島 修治) war ein japanischer Schriftsteller.

Dazai Osamu (Februar 1948)

Leben Bearbeiten

Dazai wurde als zehntes von elf Kindern geboren. Sein Vater, Tsushima Gen’emon, war ein wohlhabender Landbesitzer und Abgeordneter des japanischen Parlaments. Tsushima Gen’emon wurde ins Unterhaus gewählt, als Dazai drei Jahre alt war, und zehn Jahre später ins Oberhaus. Das Haus, in dem Dazai geboren wurde, hatte 19 Räume, Küche und Diensträume nicht mitgezählt.[1] Irmela Hijiya-Kirschnereit meint, Dazai habe in seiner Familie eine Außenseiterrolle einnehmen müssen und nur zu seinem Kindermädchen Take eine emotionale Beziehung aufgebaut. Er las viel und begann im Alter von 13 Jahren Geschichten zu schreiben.[2]

Ein einschneidendes Erlebnis in seiner Jugend war der Freitod seines Idols Akutagawa Ryūnosuke im Jahr 1927. An der Universität in Tokio studierte Dazai französische Literatur (1930 bis 1935). Sein Ehrgeiz galt weniger dem akademischen Erfolg und so begann er seine Zeit mehr und mehr mit Schreiben zu verbringen, schloss sich kurzzeitig einer marxistischen Bewegung an und brach das Studium schließlich ab.

 
Wohnhaus Dazais und Gedenkstätte, aus Hibaholz im Juni 1907 gebaut

1933 veröffentlichte er die ersten Kurzgeschichten und nahm das Pseudonym „Dazai Osamu“ an. Er fand erst als Schüler von Ibuse Masuji ab 1935 allgemeine Anerkennung. In den Jahren 1928 bis 1935 beging er drei Selbstmordversuche. 1928 versuchte er sich mit einer Überdosis Schlafmitteln das Leben zu nehmen, 1930 verbündete er sich mit der 19-jährigen Kellnerin Shimeko, beide wollten zusammen ins Wasser gehen: Das Mädchen starb, Dazai überlebte und musste sich vor der Polizei verantworten und schließlich misslang ihm 1935 der Versuch, sich zu erhängen. Drei Wochen nach seinem letzten gescheiterten Suizidversuch bekam er eine Blinddarmentzündung und musste operiert werden. Durch die Behandlung im Krankenhaus wurde Dazai abhängig von Schmerzmitteln. Über ein Jahr kämpfte er gegen die Sucht an und wurde im Oktober 1936 schließlich in eine Anstalt gebracht, in der er sich zu einem kalten Entzug entschloss. Seine dort gemachten Erfahrungen lässt er in das Buch Gezeichnet einfließen. Die Behandlung dauerte über einen Monat; währenddessen betrog ihn seine erste Frau Oyama Hatsuyo (小山 初代) mit einem engen Freund. Als Dazai von der Affäre erfuhr, versuchten die beiden Eheleute gemeinsam Suizid zu begehen. Als dies nicht gelang, ließen sie sich scheiden. Dazai heiratete am 8. Januar 1939 Ishihara Michiko (石原 美知子). Das Paar reiste viel und er schrieb literarische Reiseberichte. Am 7. Juni 1941 wurde ihre Tochter Sonoko geboren. Als Japan in den Zweiten Weltkrieg eintrat, wurde Dazai aufgrund eines Brustkorbleidens nicht eingezogen. Während der Kriegsjahre war sein Schaffen sehr gebremst, nicht zuletzt wegen der stärker werdenden Zensur, die den Druck seiner Arbeiten unterband. Sein Haus wurde mehrmals bombardiert. Am 10. August 1944 wurde der Sohn Masaki geboren. Aufgrund des Bombardements verließ die Familie im April 1945 die Stadt und als sie im November zurückkam, begann Dazai mit mehreren Frauen ein Verhältnis. 1947 kamen zwei Töchter Dazais zur Welt: die zweite eheliche Tochter Satoko (später Yūko (佑子)) am 30. März, außerdem gebar eine Geliebte Dazais, Ōta Shizuko, am 12. November ein Mädchen, das Haruko genannt wurde.

 
Yamazaki Tomie

Nach dem Zweiten Weltkrieg veränderte sich sein Schreibstil und spiegelte vermehrt die Probleme, Rebellionen und selbstmörderischen Gedanken seiner Jugend wieder.

Am 13. Juni 1948 ertränkte sich Dazai mit Yamazaki Tomie (山崎 富栄), seiner Geliebten, im Tama-Kanal (玉川上水, Tamagawajōsui).[3][4] Am 19. Juni, seinem 39. Geburtstag, wurde seine Leiche geborgen. Er hinterließ einen nicht vollendeten Fortsetzungsroman mit dem Titel Guddo bai.

Seine Urne wurde im Tempel Zenrin-ji (禅林寺) in Mitaka, Präfektur Tokio beigesetzt. Das Geburtshaus Dazais beherbergt heute als Dazai-Osamu-Gedenkstätte ein seinem Leben und Werk gewidmetes Museum. Zum Gedenken an den Schriftsteller wird alljährlich der Dazai-Osamu-Preis gemeinsam von der Stadt Mitaka und dem Verlag Chikuma Shobō an Nachwuchsschriftsteller vergeben.

Stammbaum Dazais

  • Dazais älterer Bruder Tsushima Bunji war Bürgermeister von Kanagi und später Gouverneur von Aomori.
  • Seine Tochter Yūko Tsushima wurde ebenfalls Schriftstellerin und veröffentlichte ihre erste Geschichte 1969. Sie starb 2016 im Alter von 68 Jahren.
  • Yūji Tsushima ist der Ehemann von Dazais Tochter Sonoko.
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
Tsushima Gen’emon
 
 
 
Tane
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
Bunji
 
 
 
 
 
 
 
Ōta Shizuko
 
 
 
 
 
Dazai Osamu
 
 
 
Ishihara Michiko
 
Eiji
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
Kōichi
 
?
 
Tazawa Kichirō
 
Ōta Haruko
 
Yūji
 
SonokoMasakiYūko
 
Kazuo?
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
Kyōichi

Werke (Auswahl) Bearbeiten

Dazai war stark vom Shishōsetsu (Ich-Roman) beeinflusst. So sei er laut James A. O’Brien eher an persönlichen, archetypischen Erfahrungen interessiert gewesen, als daran fiktionale Charaktere zu schaffen. Sein Werk ist hochgradig subjektiv.[5]

Dies bedeutet jedoch nicht, dass sein Werk rein autobiographisch ist. Vielmehr erfand er zum Zwecke der emotionalen Kommunikation Ereignisse. Auch wird in seinem Werk ein Einfluss der proletarischen Literatur ausgemacht, der sich vor allem in der Zeit vor 1945 zeigte. Dieser wird auf Dazais Herkunft sowie auf die Attraktivität des Hōgan Biiki zurückgeführt. Hōgan Biiki (判官贔屓), das bedeutet, auf der Seite des Verlierers zu stehen, erkläre auch den Standpunktwechsel Dazai nach Ende des Zweiten Weltkriegs. In Der sinkenden Sonne steht er nun auf der Seite der Landbesitzer.[6]

Dazai behandelte universelle Themen und verwandte eine scheinbar einfache Sprache. Doch machte es u. a. sein eigenwilliger Humor schwer, sein Werk zu übersetzen. Die Traurigkeit, die sein Schreiben durchziehe, werde stets von dem Bewusstsein, dass dies eine absurde Welt sei, ausgeglichen.[7]

Die Erschaffung einer fiktionalen Welt sowie einer Rahmenhandlung waren die Hauptprobleme Dazais beim Schreiben, deren er sich aber bewusst gewesen sei. Er griff daher neben anderen auf Werke von Saikaku und Schiller zurück.[8]

Donald Keene vergleicht Dazais Talent mit dem eines großartigen Kameramannes, der seinen Blick an Momenten des eigenen Lebens schärfe, aber Komposition und Auswahl mache seine Arbeit zu einem kreativen Kunstwerk.[9]

  • 1934 ロマネスク (Romanesuku)
  • 1935 ダス・ゲマイネ (Dasu gemaine) dt. Das Gemeine und andere Erzählungen, 1992
  • 1935 逆行 (Gyakkō), dt. Rückwärtsgang
  • 1936 晩年 (Bannen), dt. Letzte Jahre, Kurzgeschichtensammlung
  • 1937 音について (Oto ni tsuite), dt. Von der Laute
  • 1939 愛と美について (Ai to bi ni tsuite), dt. Von Liebe und Schönheit
  • 1940 (Uso)
  • 1940 走れメロス (Hashire Merosu), dt. Lauf, Melos, lauf!
  • 1940 女の決闘 (Onna no kettō)
  • 1941 新ハムレット (Shin Hamuretto), dt. Der neue Hamlet
  • 1945 惜別 (Sekibetsu)
  • 1946 パンドラの匣 (Pandora no hako)
  • 1947 斜陽 (Shayō), dt. Die sinkende Sonne
  • 1947 ヴィヨンの妻 (Viyon no tsuma)
    • Film von Kichitarō Negishi, Drehbuch: Yōzō Tanaka, 2009
  • 1947 トカトントン (Tokatonton)
  • 1948 人間失格 (Ningen shikkaku), dt. Gezeichnet
  • 1948 グッド・バイ (Guddo bai) – unvollendet (Film Goodbye, von Koji Shima, mit Hideko Takamine, Masayuki Mori, Masao Wakahara, Tamae Kiyokawa, 1949)

Deutsche Übersetzungen Bearbeiten

  • Dazai Osamu: Das Gemeine. Iudicium, München 1992, S. 313 (japanisch: ダスゲマイネ. Übersetzt von Stefan Wundt).
  • Dazai Osamu: Gezeichnet. Insel, Frankfurt 1997, S. 150 (japanisch: 人間失格. Übersetzt von Jürgen Stalph).
  • Dazai Osamu: Ein Besucher. In: Nippon. Moderne Erzählungen aus Japan von Mori Ogai bis Mishima Yukio. Diogenes, Zürich 1965, S. 47–58 (japanisch: 親友交歓. Übersetzt von Monique Humbert).
  • Dazai Osamu: Villons Ehefrau. In: Eduard Klopfenstein (Hrsg.): Träume aus zehn Nächten. Japanische Erzählungen des 20.Jahrhunderts. Theseus, München 1992, ISBN 3-85936-057-4, S. 227–250 (japanisch: ヴィヨンの妻. Übersetzt von Jürgen Berndt).
  • Dazai Osamu: Warten. In: Hefte für Ostasiatische Literatur. 1983, S. 61–63 (japanisch: 待つ. Übersetzt von Jürgen Stalph).
  • Dazai Osamu: Die sinkende Sonne. Hanser, München 1958, S. 167 (japanisch: 斜陽. Übersetzt von Oscar Benl).
  • Dazai Osamu: Blätter. In: Einspruch der Dekadenz. Angkor (Edition Nippon), Frankfurt 2011, S. 133–146 (japanisch: . Übersetzt von Alexander Wolmeringer).
  • Dazai Osamu: Schwarzes Tagebuch. In: Einspruch der Dekadenz. Angkor (Edition Nippon), Frankfurt 2011, S. 147–157 (japanisch: めくら草子. Übersetzt von Alexander Wolmeringer).
  • Dazai Osamu: Der Zug. In: Einspruch der Dekadenz. Angkor (Edition Nippon), Frankfurt 2011, S. 158–162 (japanisch: 列車. Übersetzt von Alexander Wolmeringer).
  • Dazai Osamu: Tand. In: Einspruch der Dekadenz. Angkor (Edition Nippon), Frankfurt 2011, S. 163–169 (japanisch: 玩具. Übersetzt von Alexander Wolmeringer).
  • Dazai Osamu: Der Verbrecher. In: Einspruch der Dekadenz. Angkor (Edition Nippon), Frankfurt 2011, S. 170–183 (japanisch: 犯人. Übersetzt von Alexander Wolmeringer).
  • Dazai Osamu: Der Besucher. In: Einspruch der Dekadenz. Angkor (Edition Nippon), Frankfurt 2011, S. 184–193 (japanisch: たずねびと. Übersetzt von Alexander Wolmeringer).
  • Dazai Osamu: I can speak. In: Hefte für Ostasiatische Literatur. Nr. 50. Iudicium, München 2011, S. 108–110 (japanisch: アイキャンスピーク. Übersetzt von Matthias Igarashi).
  • Dazai Osamu: Die Lampe. In: Hefte für Ostasiatische Literatur. Nr. 50. Iudicium, München 2011, S. 111–117 (japanisch: 灯篭. Übersetzt von Matthias Igarashi).
  • Dazai Osamu: Von Frauen. In: Bergkette in der Ferne: Begegnungen mit japanischen Autoren und Texten. Edition Peperkorn, Thunum 2002, S. 159–168 (japanisch: 雌に就いて. Übersetzt von Siegfried Schaarschmidt).
  • Dazai Osamu: Sado. In: Hefte für Ostasiatische Literatur. Nr. 35. Iudicium, München 2003, S. 47–61 (japanisch: 佐渡. Übersetzt von Jutta Marlene Vogt).[Anm. 1]
  • Dazai Osamu: Die Teufel des Tsurugi-Bergs. Erzählungen. Übersetzt und mit einem Nachwort von Verena Werner. be.bra verlag, Berlin 2012, ISBN 978-3-86124-915-3.
  • Dazai Osamu: Alte Freunde. Cass, Löhne 2017 (japanisch: Shin'yū-kōkan. Übersetzt von Jürgen Stalph).

Literatur Bearbeiten

  • Phyllis I. Lyons: The Saga of Dazai Osamu: A Critical Study With Translations, Stanford, Calif.: Univ. Press, 1985. ISBN 0-8047-1197-6.
  • James A. O’Brien: Dazai Osamu, Boston: Twayne Publishers, 1975. ISBN 978-0-8057-2664-0.
  • Alan Wolfe: Suicidal Narrative in Modern Japan: the Case of Dazai Osamu, Princeton, NJ: Princeton Univ. Press, 1990. ISBN 0-691-06774-0.
  • S. Noma (Hrsg.): Dazai Osamu. In: Japan. An Illustrated Encyclopedia. Kodansha, 1993. ISBN 4-06-205938-X, S. 275.

Weblinks Bearbeiten

Commons: Osamu Dazai – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Anmerkungen Bearbeiten

  1. Die Auflistung folgt der Datenbank der Japan Foundation (Memento des Originals vom 11. Februar 2012 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.jpf.go.jp

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. Eintrag zum Shoyoukan auf der Sehenswürdigkeiten Website der Region
  2. Irmela Hijiya-Kirschnereit, Nachbemerkung, in: Dazai Osamu, Gezeichnet, Frankfurt/Main, Leipzig 1997, S. 137–151, S. 140.
  3. Irmela Hijiya-Kirschnereit, Nachbemerkung, in: Dazai Osamu, Gezeichnet, Frankfurt/Main, Leipzig 1997, S. 137–151, S. 139.
  4. Sato, Takanobu (佐藤隆信): 太宰治 (= 新潮日本文学アルバム19). Shinchosha, Tokyo 1983, ISBN 978-4-10-620619-1, S. 108.
  5. Ivan Morris, Review of Dazai Osamu. by James A. O'Brien, The Journal of Asian Studies, Vol. 35, Nr. 3 (Mai 1976), S. 500–502, S. 500.
  6. Ivan Morris, Review of Dazai Osamu. by James A. O'Brien, The Journal of Asian Studies, Vol. 35, Nr. 3 (Mai 1976), S. 500–502, S. 501.
  7. Ivan Morris, Review of Dazai Osamu. by James A. O'Brien, The Journal of Asian Studies, Vol. 35, Nr. 3 (Mai 1976), S. 500–502, S. 501.
  8. Ivan Morris, Review of Dazai Osamu. by James A. O'Brien, The Journal of Asian Studies, Vol. 35, Nr. 3 (Mai 1976), S. 500–502, S. 502.
  9. Donald Keene, Translator’s Introduction, in: Dazai Osamu, No Longer Human, New Directions, 1997, S. 1 – 10, S. 10. ISBN 978-0-8112-0481-1

Weblinks Bearbeiten