Das Corps Tigurinia Zürich ist ein Corps (Studentenverbindung) an der Universität Zürich. Es ist pflichtschlagend und farbentragend. Seine Farben sind tiefrot–weiss–dunkelblau auf weiss (Renoncenfarben: tiefrot–dunkelblau), die Mützenfarbe rot (Sommer: weisser Stürmer). Tigurinia ist Mitglied im Kösener Senioren-Convents-Verband (KSCV).

Wappen
Wappen
Wappen
Basisdaten
Kanton: Zürich
Universität: Universität Zürich, Eidgenössische Technische Hochschule Zürich
Gründung: 11. November 1850 in Zürich (Tigurinia I), 30. Juni 2007 (Tigurinia II)
Verband: KSCV
Wahlspruch: Fortes fortuna adiuvat!
Wappenspruch: Sit ensis noster vindex!
Farben: Corpsburschen- und Fuchsenband des Corps Tigurinia Zürich
Zirkel Tigurinia I: Zirkel des Corps Tigurinia I Zürich
Zirkel Tigurinia II: Zirkel des Corps Tigurinia II Zürich
Homepage: www.tigurinia.org

Geschichte Bearbeiten

Tigurinia I Bearbeiten

Tigurinia – der Name leitet sich von Lat. Tigurum/Turicum für Zürich respektive korrekterweise vom Pagus der helvetischen Tiguriner ab – wurde am 11. November 1850 von drei Mitgliedern des ehemaligen Corps Hilaria Zürich (1847–1849) und neun Angehörigen der nur im Sommer 1850 bestandenen Verbindung Fuchsia Zürich gestiftet, nahm schnell einen bedeutenden Aufschwung und wurde durch seine straffe Organisation zum Vorbild für viele andere studentische Verbindungen in Zürich. Bereits im ersten Semester gehörten ihr 10 % der gesamten Studentenschaft Zürichs an. Ihre Mitglieder rekrutierten sich etwa je zur Hälfte aus Schweizern und Deutschen. Auch als die Schweizer Mitglieder im Winter 1856/57 im Konflikt um das Fürstentum Neuenburg (Neuenburgerhandel) geschlossen in das Freicorps der Zürcher Studentenschaft eintraten, tat dies dem inneren Zusammenhalt keinen Abbruch.

Seit den 1860er Jahren bestanden offizielle Beziehungen zu deutschen Corps wie Hansea Bonn, Nassovia Würzburg, Rhenania Heidelberg, Franconia München, Guestphalia Berlin, Franconia Tübingen, Teutonia Gießen, Rhenania Straßburg und Saxonia Leipzig. Gustav Kern initiierte das 1875 abgeschlossene Freundschaftsverhältnis mit Baltia Königsberg. Es war das geografisch weiteste in Deutschland.

1862 trat Tigurinia als Einzelcorps dem KSCV bei. 1881 war sie das präsidierende Vorortcorps und stellte mit Vermeil den Vorsitzenden des oKC.

Universitätsgeschichtliche Bedeutung erlangte sie am 2. August 1864 während des Auszugs der Polytechniker nach Rapperswil. Als Universitätscorps war Tigurinia eigentlich nicht betroffen, erklärte sich aber solidarisch und wurde um die Übernahme der Führung ersucht. Die Aufnahme von Angehörigen des Polytechnikums in das Corps wurde damals allerdings noch abgelehnt.

1870 erfolgte wegen der Mobilmachung der deutschen Mitglieder eine vorübergehende Suspension, 1873 die Rekonstitution durch Angehörige der roten Helvetia. Probleme bereitete in dieser Zeit immer wieder das behördliche Verbot des studentischen Fechtens.

 
Aktive und Alte Herren der Tigurinia im WS 1902/03

Das Corps wurde 1882 wegen Verstosses gegen das Duellgesetz kurzfristig aufgelöst, konnte aber unter dem Decknamen Teutonia weiterbestehen. Während sich an anderen Schweizer Universitätsstandorten über den Ersten Weltkrieg hinaus keine Kösener Corps halten konnten, bestand Tigurinia mit weiteren kurzen Unterbrechungen (1884–1893, 1914–1918) zunächst bis 1923, musste dann aber aus Nachwuchsmangel erneut den Aktivenbetrieb einstellen. Pläne zu einer Übersiedlung nach Frankfurt am Main, wie sie 1914 vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs bereits beschlossen waren, wurden ebenso wenig verwirklicht wie eine wiederholt diskutierte Fusion mit Franconia München. Stattdessen wurde Tigurinia 1927 bei erneuter Rekonstitution nach Köln verlegt. Bis zur Verlegung war Tigurinia Mitglied im "Losen Verband" (LV), dem 1915 gegründeten Zusammenschluss der schlagenden Korporationen in Zürich.[1]

In Köln formierte sich am 13. Mai 1928 mit dem Verband alter Tiguriner auch erstmals ein organisierter Zusammenschluss der Alten Herren des Corps. Unter dem 1. November 1931 suspendierte Tigurinia letztmals und beschloss die Rückverlegung nach Zürich ohne Rekonstitution. Mit dem Ablauf der in den Kösener Statuten vorgegebenen Rekonstitutionsfrist und dem Ableben des letzten Mitglieds ist das Corps erloschen.

Tigurinia kommt als einzigem über einen längeren Zeitraum bestehenden Kösener Corps in der Schweiz studentengeschichtlich eine besondere Bedeutung zu. Schon in seinen ersten Jahren fand es Interesse und Anerkennung bei der Professorenschaft der Universität, die seine Veranstaltungen regelmässig besuchte. Durch einen hohen Anteil Schweizer Militärs (darunter General Ulrich Wille), Politiker und Wissenschaftler spielte es auch im außeruniversitären Gesellschaftsleben eine grosse Rolle.

Tigurinia II Bearbeiten

Tigurinia II wurde am 30. Juni 2007 in bewusster Aufnahme der Tradition der früheren Tigurinia in Zürich durch Angehörige auswärtiger Kösener Corps gestiftet. Sie fühlt sich ebenso den Traditionen der anderen schweizerischen Corps verpflichtet, die dem KSCV angehörten, namentlich dem Corps Alamannia Basel (1869–1878), dem Corps Rhenania Bern (1870–1880) und dem Corps Helvetia Zürich (Grün-Helvetia) im KSCV.

Tigurinia II, die sich in der Tradition der Tigurinia I als dem grünen Kreis nahestehend betrachtet und lockere Verbindungen zu diesem pflegt, ist ebenfalls Mitglied des Kösener Senioren-Convents-Verbandes und heute das einzige Mitgliedscorps, das seinen Sitz in der Schweiz hat. Befreundete Verhältnisse bestehen (wieder) mit Rhenania Heidelberg und Teutonia Gießen.

Von 2015 bis 2019 besaß Tigurinia II eine Corpswohnung in Zürich Oberstrass in der Nähe von Universität und ETH. Die Corpszeitung der Tigurinia ist benannt nach dem ersten Kneiplokal der Tigurinia I in Zürich, der "Häfelei", und erscheint zwei Mal im Jahr.

Mitglieder der Tigurinia I Bearbeiten

Name Lebensdaten Tätigkeit Abbildung
Hans Baur 1870–1937 Schweizer reformierter Pfarrer
Karl Friedrich Beug 1883–1965 deutscher Industrieller
Otto Binswanger 1852–1929 Psychiater und Neurologe, Professor für Medizin an der Universität Jena
 
Otto Binswanger
Georg Bluntschli 1878–1948 Schweiz. Oberst der Artillerie, Artilleriechef der Gotthard-Besatzung
Richard Camenisch 1837–1904 Schweizer Anwalt und Politiker
Benno Credé 1847–1929 deutscher Chirurg und Generalarzt
Fritz Doerr 1858–1935 Lederfabrikant
Friedrich Erismann 1842–1915 Professor für Hygiene an der Universität Moskau, Stadtrat in Zürich
Victor Fehr 1846–1938 Gutsbesitzer und Offizier, Kantonsrat im Thurgau für die freisinnig-demokratische Partei, Mitgründer und Präsident der Gesellschaft schweizerischer Landwirte, Oberst und Brigadekommandant der Kavallerie
Fritz Fick 1871–1929 Rechtsanwalt
Eugen von Gienanth 1846–1893 Industrieller
Robert Göldlin von Tiefenau 1832–1903 Schweizer Militärarzt, Oberinstruktor der eidgenössischen Sanitätstruppen
Max Horn 1890–nach 1962[2] Vorsitzender des Bundesverbandes der freien Berufe
Johann Friedrich Horner 1831–1886 Professor für Augenheilkunde an der Universität Zürich
Hans Knüsli 1841–1921 Kantonsrat, Verwaltungsratspräsident der Schweizerischen Lokomotiv- und Maschinenfabrik; Mitglied des Verwaltungsrats der Schweizerischen Bundesbahnen (SBB)
Hans Mayenfisch 1882–1957 Bankier, Teilhaber des Bankgeschäfts Julius Bär & Co. (Zürich), Kunstsammler
 
Karl Mellinger 1858–1917 Ordinarius für Ophthalmologie an der Universität Basel
Hans von Meyenburg 1887–1971 Schweizer Pathologe, Rektor der Universität Zürich
 
Ernst Meyer 1908–1972 Versicherungsjurist, Vorstand der Allianz-Versicherungs-AG
Johannes von Muralt 1877–1947 Schweiz. Oberstdivisionär, Vorstand der Sektion für Festungswesen, Präsident des Schweizerischen Roten Kreuzes
 
Johannes von Muralt
Carl Passavant 1854–1887 Arzt und Forschungsreisender
 
Carl Passavant
Carl von Peistel 1862–1930 Verwaltungsjurist in Preußen
 
Carl von Peistel
Otto Schärrer 1877–1938 Regierungsrat und Regierungsratspräsident des Kantons Schaffhausen
 
Otto Schärrer
Max Schede 1844–1902 Chirurg, Professor für Medizin an der Universität Bonn
 
Max Schede
Rudolf von Schoen-Angerer 1857–1943 Regierungsvizepräsident in Minden, Breslau und Marienwerder
Anton Schrafl 1873–1945 Generaldirektor der SBB
 
Anton Schrafl
Carl Schwenk 1852–1942 Unternehmer, Inhaber der Cement- und Betonsteinwerke Ulm
Albert Stadler 1817–1890 Schweizer Oberstdivisionär
Hermann Steinbuch 1863–1925 Oberstkorpskommandant der Schweizer Armee
 
Hermann Steinbuch
Jakob Johann von Weyrauch 1845–1917 Mathematiker, Professor und Rektor der Technischen Hochschule Stuttgart
 
Jakob Johann (James) von Weyrauch, 1868
Ulrich Wille 1848–1925 General und Oberbefehlshaber der Schweizer Armee
 
Ulrich Wille als CB der Tigurinia

Mitglieder der Tigurinia II Bearbeiten

Name Lebensdaten Tätigkeit Abbildung
Peter Hauser * 1943 Schweizer Rechtsanwalt
 
Peter Hauser
Jürgen Herrlein * 1962 deutscher Rechtsanwalt
 
Jürgen Herrlein

Siehe auch Bearbeiten

Quellen Bearbeiten

Tigurinias Archiv befindet sich im Staatsarchiv des Kantons Zürich.

Literatur Bearbeiten

  • Hans Erb: Geschichte der Studentenschaft an der Universität Zürich 1833–1936, Zürich 1937
  • Heinrich Giesker: Geschichte des Corps Tigurinia Zürich, Ms., o. J.
  • Johannes v. Muralt: Das Corps Tigurinia Zürich. 1850–1940, Zürich 1940
  • Max Richter: Auf die Mensur! Geschichte der schlagenden Korporationen der Schweiz. Beiträge zum schweizerischen akademischen Leben und zum Waffenstudententum des Auslandes. Zürich 1978

Weblinks Bearbeiten

Commons: Corps Tigurinia Zürich – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. Hans Erb: Geschichte der Studentenschaft an der Universität Zürich 1833–1936. Zürich 1937, S. 798
  2. 60 Jahre Bundesverband der Freien Berufe. (PDF) Abgerufen am 7. Oktober 2020 (englisch).