Carl von Noorden (Historiker)

deutscher Historiker

Carl Friedrich Johannes von Noorden, auch Karl (Friedrich Johannes) von Noorden (* 11. September 1833 in Bonn; † 25. Dezember 1883 in Leipzig) war ein deutscher Historiker.

Carl von Noorden

Leben Bearbeiten

Carl von Noorden entstammte einem friesischen Geschlecht, das seinen Ursprung von der Stadt Norden herleitet. Die weit verzweigte Familie, die Adel und Großbürgertum umfasste, brachte zahlreiche Gelehrte von Rang und Namen hervor. Die letzten Generationen der Familie hatten ihren Wohnsitz in Holland gehabt, so auch sein Großvater, der Mediziner Johannes von Noorden, der in Rotterdam wirkte. Sein Vater Johannes von Norden hatte als Offizier im preußischen Heere gedient und sich später in Bonn niedergelassen. Herausragende Verwandte waren auch Carl von Noordens Großvater mütterlicherseits Christian Friedrich Nasse, Direktor der medizinischen Klinik an der neugegründeten Universität Bonn, sowie dessen Söhne Karl Friedrich Werner Nasse und Otto Nasse, die ebenfalls Mediziner wurden.

Noorden studierte in Bonn, u. a. bei Ernst Moritz Arndt, Friedrich Christoph Dahlmann, Johann Wilhelm Löbell, weiterhin in Marburg und Berlin, insbesondere bei Leopold von Ranke Sprachwissenschaft und Literatur, dann Geschichte. Er habilitierte sich 1863 in Bonn für Geschichte mit einer Arbeit zu Hinkmar, Erzbischof von Reims. 1868 wurde er ordentlicher Professor der Geschichte in Greifswald, 1870 in Marburg, 1873 in Tübingen, 1876 in Bonn und 1877 in Leipzig.[1] Dort wurde er Nachfolger von Heinrich Wuttke, womit auch eine Umbenennung des Lehrstuhls für Historische Hilfswissenschaften in den für Mittlere und Neuere Geschichte einherging. Nach seinem frühen Tod 1883 wurde Noordens Leichnam nach Bonn überführt, sein Grab befindet sich auf dem dortigen Alten Friedhof. Nachfolger auf seinem Lehrstuhl in Leipzig wurde Wilhelm Maurenbrecher.

Noorden hielt auch Vorträge im Kaufmännischen Verein zu Leipzig. Maurenbrecher hob den lebendigen kräftigen Stil der Vorträge Noordens hervor. Noordens wohl bedeutendster Schüler war Karl Lamprecht, der bei ihm und dem Nationalökonomen Wilhelm Roscher mit Beiträgen zur Geschichte des französischen Wirtschaftslebens im 11. Jahrhundert promovierte.

Er war Mitglied der Königlich Sächsischen Gesellschaft für Wissenschaften zu Leipzig, seit 1874 korrespondierendes Mitglied der Bayerischen Akademie der Wissenschaften und seit 1883 der Preußischen Akademie der Wissenschaften. Vor seiner Berufung zum Professor war Noorden auch literaturwissenschaftlich tätig und veröffentlichte musikwissenschaftliche Beiträge und Kritiken.

Carl von Noorden war verheiratet mit der in England geborenen Elizabeth Fanny Lavino, deren Mutter Roseta Levyson noch in Rotterdam geboren worden war. Das Ehepaar hatte drei Kinder, darunter die Mediziner Carl (1858–1944) und Werner von Noorden (1866–1945). Die Tochter Hilde heiratete 1891 den Maler Erich Kubierschky (1854–1944)[2].

Werk Bearbeiten

Carl von Noorden, der wie sein Freund Wilhelm Maurenbrecher ein Schüler Heinrich von Sybels war, schrieb eine dezidiert politische europäische Geschichte als Universalgeschichte. Seine Arbeitsfelder waren hauptsächlich die Geschichte des 17. und 18. Jahrhunderts und das Zeitalter Kaiser Karls V. Sein unvollendetes Hauptwerk sollte sich der Europäischen Geschichte im 18. Jahrhundert widmen. Die erschienenen drei Bände behandeln den Spanischen Erbfolgekrieg. Seine historischen Vorträge lassen erkennen, dass sich seine historischen Forschungen auf die gesamte Geschichte Europas bezogen. So erschienen von ihm Beiträge oder Vorträge u. a. zu Madame de Maintenon, Wilhelm III. von Oranien oder Lord Bolingbroke, also zur politischen Geschichte Englands, Frankreichs und der Niederlande. Die genannten Vorträge sind in einem Sammelband durch Maurenbrecher herausgegeben worden. Ein Aufsatz zu Ranke und Macaulay in der Historischen Zeitschrift, Bd. 17 (1867), S. 87–138, schildert Tendenzen zur Geschichtsschreibung Englands und vermittelt zugleich einen Eindruck seines kritischen Urteilsvermögens und seines Gerechtigkeitssinnes.

Bedeutung Bearbeiten

Wenngleich der wissenschaftliche Wert von Noordens historischen Werken außer Zweifel stand, entfalteten sie im Gegensatz zu den Werken seiner Zeitgenossen Wilhelm Maurenbrecher, Moriz Ritter, Heinrich von Treitschke und Georg Voigt keine nachhaltige Bedeutung. Selbst sein umfangreiches Hauptwerk zum Spanischen Erbfolgekrieg wurde verhältnismäßig wenig zitiert. Daran mag auch sein frühes Ableben schuld sein, das ihm die Vollendung der weiteren von ihm geplanten Bände zu seiner Europäischen Geschichte nicht möglich machte. Wahrscheinlicher ist wohl, dass nach ihm stärker auf die spanische Geschichte eingegangen wurde, als es zu seiner Zeit der Fall war. Als weiterer wichtiger Vertreter der deutschen Geschichtswissenschaft des 19. Jahrhunderts, der sich mit der neueren Geschichte Spaniens beschäftigte, gilt Hermann Baumgarten.

Noorden war in Tübingen maßgeblich an der Institutionalisierung des Historischen Seminars beteiligt. Der Geschichtsunterricht an dieser Universität wurde vorher nur von privaten Historischen Gesellschaften durchgeführt, die staatlich sanktioniert waren. 1877 gründete er das Königlich-Sächsische Historische Seminar an der Universität Leipzig. Damit erhielt die dortige Geschichtsausbildung einen institutionellen Rahmen, verbunden mit geregelter finanzieller Ausstattung und mit einer Institutsbibliothek. Heute ist er außer in Fachkreisen nahezu unbekannt.

Schriften (Auswahl) Bearbeiten

  • Die Sage von Helgi. Liederkreis nach der Edda. Henry und Cohen, Bonn 1857 (Digitalisat).
  • Die Parität in Preußen und die ultramontane Partei. Buddeus, Düsseldorf 1862. (Digitalisat)
  • Hinkmar, Erzbischof von Rheims. Ein Beitrag zur Staats- und Kirchengeschichte des westfränkischen Reiches in der zweiten Hälfte des neunten Jahrhunderts. Cohen, Bonn 1863. (Digitalisat)
  • mit Th. Bernhardt: Zur Würdigung J. W. Löbbels. Braunschweig 1864.
  • Europäische Geschichte im 18. Jahrhundert. 1. Abtheilung: Der spanische Erbfolgekrieg. 3 Bände. Buddeus, Düsseldorf 1870/1874/1882 (3. Band bei Duncker & Humblot, Leipzig).
  • Historische Vorträge. Eingeleitet und herausgegeben von Wilhelm Maurenbrecher. Duncker & Humblot, Leipzig 1884 (enthält eine Lebensbeschreibung Noordens durch Maurenbrecher wie auch ein vollständiges Schriften- und Semesterverzeichnis).

Literatur Bearbeiten

  • Max Braubach: Carl von Noorden. In: Bonner Gelehrte. Beiträge zur Geschichte der Wissenschaften in Bonn. Geschichtswissenschaften (= 150 Jahre Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität zu Bonn 1818–1968. Bd. 8). Bouvier, Bonn 1968, S. 162–169.
  • Gustav BuchholzNoorden, Karl von. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 23, Duncker & Humblot, Leipzig 1886, S. 768–772.
  • Werner Fläschendräger: „Den besten Theil der Wirksamkeit … verdanke ich der Errichtung eines seminaristischen Instituts“. Zur Vor- und Gründungsgeschichte des Historischen Seminars an der Universität Leipzig im Spiegel der Quellen. In: Leipziger Beiträge zur Universitätsgeschichte. Bd. 3, 1989, S. 78–89.
  • Markus Huttner: Die Geschichtswissenschaft an der Universität Leipzig im 19. Jahrhundert (1809–1909/15). Ein Habilitationsprojekt am Historischen Seminar der Universität Leipzig. In: Jahrbuch der historischen Forschung in der Bundesrepublik Deutschland. Berichtsjahr 1997. München 1998, S. 29–35 (online (Memento vom 28. Juni 2006 im Internet Archive)).
  • Markus Huttner: Disziplinentwicklung und Professorenberufung. Das Fach Geschichte an der Universität Leipzig im 19. Jahrhundert. In: Neues Archiv für sächsische Geschichte. Bd. 71, 2000, S. 171–238.
  • Markus Huttner: Historische Gesellschaften und die Entstehung historischer Seminare – zu den Anfängen institutionalisierter Geschichtsstudien an den deutschen Universitäten des 19. Jahrhunderts. In: Matthias Middell, Gabriele Lingelbach, Frank Hadler (Hrsg.): Historische Institute im internationalen Vergleich (= Geschichtswissenschaft und Geschichtskultur im 20. Jahrhundert. Bd. 3). Leipzig 2001, S. 39–83.
  • Willi Kahl: Carl von Noorden als Musikschriftsteller. In: Deutsches Jahrbuch der Musikwissenschaft. Bd. 2 (1958), S. 85–96.
  • Sylvia Paletschek: Duplizität der Ereignisse. Die Gründung des Historischen Seminars 1875 an der Universität Tübingen und seine Entwicklung bis 1914. In: Werner Freitag (Hrsg.): Halle und die deutsche Geschichtswissenschaft um 1900. Beiträge des Kolloquiums „125 Jahre Historisches Seminar an der Universität Halle“ am 4./5. November 2000 Mitteldeutscher Verlag, Halle (Saale) 2002, S. 37–64 (PDF-Datei; 2,73 MB).
  • Leo Philippsborn: Carl von Noorden. Es deutscher Historiker des 19. Jahrhunderts. Göttingen 1965 (Dissertation, Universität Göttingen, 1963; Schrift gibt eine Biographie aufgrund erhaltener Abschriften des Briefwechsels zwischen Maurenbrecher und Noorden durch den Sohn Werner von Noorden).

Weblinks Bearbeiten

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. Brockhaus’ Conversations-Lexikon. 13., vollständig umgearbeitete Auflage. Band 12 (Murrhardt – Phoxos). F. A. Brockhaus, Leipzig 1885, S. 275.
  2. Werner von Noorden: Lebenserinnerungen an unsere Schwester Hilde Kubierschky geb. von Noorden. (Memento vom 26. November 2014 im Webarchiv archive.today) Franz, München 1922.