Caedwalla (auch Cædwalla, Ceadualla, Cedwala, Chedwalla, Caeduald, Petrus etc.; * um 659; † 20. April 689) war von 685 bis 688 König der Gewissæ, einer Volksgruppe, die im späten 7. Jahrhundert als „Westsachsen“ das angelsächsische Königreich Wessex bildete.[1]

Leben Bearbeiten

Familie Bearbeiten

Caedwallas Vater Cenberht († 661) stammte aus dem Haus Wessex und war seit den 640er Jahren bis 661 ein König oder Unterkönig der Gewissæ.[2] Sein keltischer Name deutet an, dass seine Mutter, deren Name unbekannt ist, eine britische Prinzessin war.[3] Sein Bruder Mul (686–687) war kurzzeitig König von Kent.[4]

John Leland (1506–1552) vertrat die Auffassung, Caedwalla wäre mit einer sonst unbekannten Centhryth (Cynethryth)[3] verheiratet gewesen.[5] Diese Theorie wird von modernen Historikern kaum noch vertreten. Nachkommen Caedwallas sind nicht bekannt.

Exil Bearbeiten

 
Caedwalla übergibt Bischof Wilfrid eine Urkunde. Wandgemälde von Lambert Barnard aus dem frühen 16. Jahrhundert

Caedwallas Verwandter Centwine (676–685) bestieg 676 als Nachfolger von Æscwine (674–676) den Thron.[1] Beda zufolge, der Centwine jedoch nicht namentlich erwähnte, ist die Wiedervereinigung des in Unterkönigreiche zerfallenen Königreiches in Centwines Regierungszeit gefallen.[6] In diesem Zusammenhang ist wohl auch die Verbannung Caedwallas zu sehen.[7]

Um 682 überfiel Caedwalla als „Warlord“ mit seinem Heer das Königreich Sussex. Æthelwalh fiel während der Kämpfe und Sussex wurde geplündert.[8] In Sussex lernte Caedwalla Bischof Wilfrid, der dort im Exil lebte, kennen. Wohl unter dessen Einfluss machte er der Kirche großzügige Geschenke.[9] Offenbar setzte Caedwalla Ecgwald (683?–685?), dessen Herkunft unbekannt ist, als subregulus (Unterkönig) in Sussex ein. Ecgwald ist nur durch zwei vermutlich gefälschte Chartas bekannt. In diesen stimmt er 683 und 685 unterwürfig (mente devota) Landschenkungen Caedwallas an Bischof Wilfrid zu.[10] Den Kampf gegen die Eroberer aus Wessex setzten Æthelwalhs Ealdormen Berthun (682?-um 686) und Andhun (682?-vor 686) fort. Sie konnten Caedwalla vertreiben und herrschten gemeinsam über Sussex.[8]

Herrschaft Bearbeiten

Thronfolge Bearbeiten

König Centwine zog sich 685 als Mönch in ein Kloster zurück. Es ist unbekannt, ob seine Abdankung von seinem Nachfolger Caedwalla erzwungen wurde oder freiwillig war.[6] Als Caedwalla die Herrschaft im Königreich übernahm konnte Cenred (fl. 670/676–705/717), mit dem er weitläufig verwandt war, seine Stellung als subregulus (Unterkönig) behaupten.[11] In einer älteren Fassung der Historia Ecclesie Abbendonensis wird Caedwalla als Nachfolger Cissas (fl. ?–699?) bezeichnet, was auf dessen Absetzung als regulus (Kleinkönig) um 685 hindeutet.[12] Eine Charta Caedwallas aus dem Jahr 688 trägt Cissas Unterschrift, jedoch ohne Angabe eines Titels.[13]

Expansion Bearbeiten

 
England zur Zeit Caedwallas

Die Gewissæ waren von Mercia nach Südwesten in britische Gebiete abgedrängt worden. In den 660er Jahren hatte Wulfhere von Mercia seinen Einfluss in den östlich an Wessex angrenzenden Gebieten Hampshire und Sussex weiter gefestigt. Caedwalla mag sich durch diese „Umzingelung“ bedroht gefühlt haben und wandte sich nach Osten.[14]

Um das Jahr 685/686 gelang Caedwalla ein vernichtender Angriff auf Sussex bei dem Ealdorman Berthun ums Leben kam und Sussex wieder unter die Herrschaft von Wessex geriet.[15] Caedwalla herrschte in der Folge offenbar direkt über Sussex. Nachdem Bischof Wilfrid um 686 Sussex verlassen hatte, unterstand die Kirche von Sussex Hædde, dem Bischof von Winchester (Wessex).[8]

Caedwalla eroberte 686 im Bündnis mit König Sighere von Essex schließlich auch Kent, dessen König Eadric er besiegen konnte. Caedwalla setzte daraufhin seinen Bruder Mul als Statthalter in Kent ein,[16] während Sighere im Westen Kents herrschte.[17] Zu einem unbekannten Zeitpunkt erlangte Caedwalla auch die Oberherrschaft über Surrey.[17] In den jütischen Provinzen und in Surrey begann er energisch mit der Schaffung kirchlicher Strukturen.[14]

Es folgte, ebenfalls im Jahr 686, ein Angriff Caedwallas auf die jütische Isle of Wight, wo ein heidnisches Kleinkönigreich unter König Arualdus (Arwald) bestand. Dieser war gegen die Übermacht der Truppen aus Wessex machtlos und kam, ebenso wie seine beiden jüngeren Brüder, in den Kämpfen, in denen auch ein Großteil der Inselbewohner hingemetzelt wurde, ums Leben. Caedwalla wurde in diesen Kämpfen schwer verwundet und ließ die Insel durch Westsachsen neu besiedeln. Er hatte, obwohl selbst noch Heide, geschworen ein Viertel des eroberten Landes an die Kirche zu geben. Als der exilierte Bischof Wilfrid 686 nach Northumbria zurückkehren konnte übergab er die Ländereien an seinen Neffen Beornwine, dem er den Priester Hiddila zur Seite stellte.[18]

In Kent brach im Jahr 687 eine Rebellion aus, in deren Verlauf Mul und zwölf seiner Anhänger verbrannt wurden.[19] Als neuer König wurde Oswine aus der kentischen Dynastie der Oiscingas ausgerufen.[17] Daraufhin überzog Caedwalla Kent erneut mit Krieg und verwüstete das Land.[19] Um 687 schenkte Caedwalla 40 hidas bei Hebureahg (Hoo in Kent) an Abt Ecgbald für das St. Peter's Minster[20] in Medeshamstede (Peterborough).[21] Um 687/688 übergab Caedwalla Grundbesitz am Fluss Wandle in Surrey an den Londoner Bischof Erkenwald,[22] die dieser 693 an die St Mary’s Church in Barking weitergab.[23]

Konsolidierung Bearbeiten

Mit Kent, Surrey, der Isle of Wight, Sussex und dem „verbündeten“ Essex[24] hatte Caedwalla die Vorherrschaft über den größten Teil Englands südlich der Themse erlangt.[9] Er war der letzte Herrscher, der als „König der Gewissæ“ bezeichnet wurde.[25] Die Bezeichnung Seaxe („Sachsen“) hatte im Laufe des 7. Jahrhunderts den alten Stammesnamen Gewissæ verdrängt, der im frühen 8. Jahrhundert endgültig dem Namen Westseaxe („West-Sachsen“, Wessex) gewichen war. Diese Namensänderungen spiegeln die politische Entwicklung vom Stammeskönigtum zur Territorialherrschaft wider.[1][26] In der Charta S235 bezeichnete sich Caedwalla 688 als Rex Saxonum (König der Sachsen), womit er seine hegemoniale Stellung über die germanischen Völker Südenglands zum Ausdruck brachte.[27]

Caedwalla war ein Förderer des Doppelklosters Barking Abbey in Essex.[28] Er gilt auch als möglicher Gründer der Abingdon Abbey, die er mehrfach mit Schenkungen bedachte.[29] Im Jahr 688 tauschten Baldred und Abt Aldhelm von Malmesbury Ländereien nördlich des Flusses Avon. Baldred übergab Stercanlei (Startley Farm in Great Somerford, Wilts.) und Gebiete bei Cnebbanburg gegen ein Gebiet bei Braydon, Wilts. Die Urkunde wurde von Caedwalla als Zeuge unterschrieben.[30] Im August des Jahres 688 übertrug Caedwalla mit der Charta S231 große Ländereien am Wald Kemele (evtl. bei Kemble in Gloucestershire) an die Kirche in Malmesbury. Die Charta S234 ist vermutlich eine verfälschte Abschrift in der S231 mit einer älteren Charta Centwines (676–685) vermengt wurde.[31]

Abdankung und Tod Bearbeiten

Im Jahre 688 trat Caedwalla überraschend zurück, um sich auf eine Pilgerreise nach Rom zu begeben. Die Nachfolge in Wessex fiel an Ine (688–726).[32] Er wurde von Cunincpert (688–700), dem König der Langobarden, gastfreundlich in Pavia aufgenommen, bevor er 689 nach Rom weiterreiste.[33] Caedwalla, der zwar als Christ galt, aber offenbar bis dahin nie tatsächlich getauft worden war, kam schließlich nach Rom, wo er von Papst Sergius I. (687–701) am 10. April 689 die Taufe empfing, den Taufnamen Petrus (Peter) annahm und bald darauf am 20. April 689 im Alter von etwa dreißig Jahren starb. Er wurde in der Sankt-Peters-Basilika beigesetzt. Papst Sergius ließ ein Epitaph an Caedwallas Grab anbringen, der seine militärischen Erfolge und christlichen Tugenden rühmte.[32] Die Grabinschrift, als deren Verfasser Benedikt von Mailand gilt, ist seit dem hohen Mittelalter verschwunden und die genaue Grabstelle unbekannt.[34]

Caedwalla gilt als Heiliger, wenn auch kein Kult um ihn nachgewiesen werden konnte. Sein Festtag ist der 20. April.[35] Er ist der Schutzpatron der Konvertiten und Mörder.[36]

Quellen Bearbeiten

Literatur Bearbeiten

Weblinks Bearbeiten

Commons: Caedwalla – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Anmerkungen Bearbeiten

  1. a b c Simon Keynes: Kings of the West Saxons. In: Lapidge et al. (Hrsg.): The Blackwell Encyclopaedia of Anglo-Saxon England. Wiley-Blackwell, Oxford u. a. 2001, ISBN 978-0-631-22492-1, S. 511–514.
  2. D. P. Kirby: The Earliest English Kings, Routledge, London-New York 2000, ISBN 978-0-415-24211-0, S. 39 und 100.
  3. a b John Cannon, Anne Hargreaves: The Kings and Queens of Britain, Oxford University Press, 2009 (2. überarb. Aufl.), ISBN 978-0-19-955922-0, S. 55–56.
  4. Angelsächsische Chronik zum Jahr 685
  5. John Leland: Collectanea, Band 3, S. 55.
  6. a b Barbara Yorke: Centwine@1@2Vorlage:Toter Link/www.oxforddnb.com (Seite nicht mehr abrufbar, festgestellt im April 2018. Suche in Webarchiven)  Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. (kostenpflichtige Registrierung erforderlich). In: Oxford Dictionary of National Biography, Oxford University Press, 2004. abgerufen am 13. November 2011
  7. Barbara Yorke: Wessex in the early Middle Ages (Studies in the Early History of Britain), Continuum, 1995, ISBN 978-0-7185-1856-1, S. 83.
  8. a b c Beda: HE 4,15
  9. a b Barbara Yorke: Cædwalla. In: Lapidge et al. (Hrsg.): The Blackwell Encyclopaedia of Anglo-Saxon England. Wiley-Blackwell, Oxford u. a. 2001, ISBN 978-0-631-22492-1, S. 81.
  10. Charta S230 und Charta S232
  11. Patrick Wormald: Ine (kostenpflichtige Registrierung erforderlich). In: Oxford Dictionary of National Biography, Oxford University Press, 2004. abgerufen am 13. November 2011
  12. John Hudson (Hrsg.): Historia Ecclesie Abbendonensis. The History of the Church of Abingdon, Volume I, Oxford University Press, 2007, ISBN 978-0-19-929937-9, S. CIX
  13. Charta S231
  14. a b Barbara Yorke: Kings and Kingdoms of early Anglo-Saxon England. Routledge, London-New York 2002, ISBN 978-0-415-16639-3, S. 137–139.
  15. S. E. Kelly: Sussex, Kingdom of. In: Lapidge et al. (Hrsg.): The Blackwell Encyclopaedia of Anglo-Saxon England. Wiley-Blackwell, Oxford u. a. 2001, ISBN 978-0-631-22492-1, S. 431–432.
  16. Barbara Yorke: Kings and Kingdoms of early Anglo-Saxon England, Routledge, London-New York 2002, ISBN 978-0-415-16639-3, S. 30.
  17. a b c Barbara Yorke: Kings and Kingdoms of early Anglo-Saxon England, Routledge, London-New York 2002, ISBN 978-0-415-16639-3, S. 48–49.
  18. Beda: HE 4,16
  19. a b Angelsächsische Chronik zum Jahr 687
  20. Angelsächsische Chronik zum Jahr 686
  21. Barbara Yorke: Nunneries and the Anglo-Saxon Royal Houses. Continuum, 2003, ISBN 978-0-8264-6040-0, S. 38; vgl.: Charta S233
  22. Charta S1246
  23. Susan E. Kelly: Charters of Malmesbury Abbey, Oxford University Press, 2006, ISBN 978-0-19-726317-4, S. 146; vgl.: Charta S1248
  24. Barbara Yorke: Wessex in the early Middle Ages (Studies in the Early History of Britain), Continuum, 1995, ISBN 978-0-7185-1856-1, S. 57–59.
  25. Barbara Yorke: Gewisse. In: Lapidge et al. (Hrsg.): The Blackwell Encyclopaedia of Anglo-Saxon England. Wiley-Blackwell, Oxford u. a. 2001, ISBN 978-0-631-22492-1, S. 203–204.
  26. Barbara Yorke: Wessex in the early Middle Ages (Studies in the Early History of Britain), Continuum, 1995, ISBN 978-0-7185-1856-1, S. 34–35.
  27. Heinrich Beck, Dieter Geuenich, Heiko Steuer (Hrsg.): Reallexikon der germanischen Altertumskunde, Band 12, de Gruyter, 1998, ISBN 978-3-11-016227-1, S. 49; vgl.: Charta S235
  28. Barbara Yorke: Kings and Kingdoms of early Anglo-Saxon England. Routledge, London-New York 2002, ISBN 978-0-415-16639-3, S. 55.
  29. John Hudson (Hrsg.): Historia Ecclesie Abbendonensis. The History of the Church of Abingdon, Volume I. Oxford University Press, 2007, ISBN 978-0-19-929937-9, S. XLVI, LXXXIV und CCI sowie S. 2–5 und 13.
  30. Susan E. Kelly: Charters of Malmesbury Abbey, Oxford University Press, 2006, ISBN 978-0-19-726317-4, S. 96 und 147–148; vgl.: Charta S1170
  31. Susan E. Kelly: Charters of Malmesbury Abbey, Oxford University Press, 2006, ISBN 978-0-19-726317-4, S. 144–145; vgl.: Charta S231 und Charta S234
  32. a b Beda: HE 5,7
  33. Paulus Diaconus: Historia Langobardorum VI, 15
  34. Katherine O’Brien O’Keeffe, Andy Orchard (Hrsg.): Latin Learning and English Lore: Studies in Anglo-Saxon Literature. University of Toronto Press, 2005, ISBN 978-0-8020-8919-9, S. 185.
  35. St. Augustine’s Abbey (Hrsg.): The Book of Saints: A Dictionary of Servants of God canonized by the Catholic Church: extracted from the Roman & other Martyrologies. Macmillan, 1947, S. 32.
  36. Saint Caedwalla (Memento vom 23. Dezember 2014 im Internet Archive) in saints.sqpn.com
VorgängerAmtNachfolger
CentwineKönig von Wessex
685–688
mit Baldred (fl. 681–693), Cissa (fl. ?–699?) und Cenred (fl. um 670/676–705/717) als Unterkönigen
Ine