Bierutów [bʲɛˈrutuf] (deutsch Bernstadt an der Weide, auch Bernstadt in Schlesien) ist eine Stadt in der Woiwodschaft Niederschlesien in Polen. Sie liegt am linken Ufer der Widawa (Weide), einem rechten Zufluss der Oder, ist Sitz der gleichnamigen Stadt- und Landgemeinde und hat etwa 4800 Einwohner.

Bierutów
Wappen von Bierutów
Bierutów (Polen)
Bierutów (Polen)
Bierutów
Basisdaten
Staat: Polen
Woiwodschaft: Niederschlesien
Powiat: Oleśnicki
Gmina: Bierutów
Fläche: 8,37 km²
Geographische Lage: 51° 7′ N, 17° 33′ OKoordinaten: 51° 7′ 28″ N, 17° 32′ 45″ O
Höhe: 148 m n.p.m.
Einwohner: 4809 (31. Dezember 2020)
Postleitzahl: 56-420
Telefonvorwahl: (+48) 71
Kfz-Kennzeichen: DOL
Wirtschaft und Verkehr
Straße: DW451 NamysłówOleśnica
Eisenbahn: Oleśnica–Kluczbork
Nächster int. Flughafen: Breslau



Geographie Bearbeiten

Bierutów liegt im Osten der historischen Region Niederschlesien, 15 Kilometer südöstlich der Kreisstadt Oleśnica (Oels) und 55 Kilometer östlich der Woiwodschaftshauptstadt Breslau in der Schlesischen Tiefebene. Östlich der Stadt verläuft die Grenze zur Woiwodschaft Opole.

Nachbarorte von Bierutów sind im Nordwesten Solniki Małe (Klein Zöllnig), im Osten Bukowie (Buchwald), im Süden Karwiniec (Langenhof) und im Westen Kijowice (Vogelgesang).

Geschichte Bearbeiten

 
Bernstadt um etwa 1815
 
Kirche St. Katharina
 
Rathaus am Ring um 1920
 
Der Rathausturm als letztes Fragment des 1945 zerstörten Rathauses

Das Gebiet von Bernstadt gehörte zunächst zum Herzogtum Glogau und gelangte bei dessen Teilung 1312 an das Herzogtum Oels, das seit 1329 ein Lehen der Krone Böhmen war.

Die erste urkundliche Erwähnung der Stadt stammt aus dem Jahre 1266. Als Lokator wird darin der Vogt Wilhelm von Reichenbach genannt. Zuvor hatte der Breslauer Herzog Heinrich III. an dieser Stelle, wo der bedeutsame Handelsweg von Breslau über Kreuzburg nach Krakau die Weide überschritt und sich zuvor das slawische Dorf „Ligniza“ befand, die Stadt „Fürstenwald“ nach Neumarkter Recht gegründet. „Fürstenwald“ erhielt 1266 das Meilenrecht. Zum Weichbild Fürstenwald gehörten 20 umliegende Dörfer. Der Name Fürstenwald wurde schon 1269 in „civitas Beroldi“ geändert und daraus entwickelte sich schließlich über die Namensformen Beroldestat (1288) und Pernstatt (1495) die Bezeichnung Bernstadt, die zur Unterscheidung von gleichnamigen Orten den Zusatz an der Weide erhielt. Der polnische Name ist eine Abwandlung des deutschen.[1] 1412/13 wurde das Gebiet von Bernstadt aus dem Herzogtum Oels ausgegliedert, das als Herzogtum Bernstadt Residenz mehrerer Herzöge war.

Bernstadt erhielt ein regelmäßiges Stadtbild, dessen Mitte ein quadratischer Ring bildete. Nach Breslau, Namslau und Brieg führten drei mit Stadttoren versehene Straßen aus der Stadt. Um 1323 entstand im östlichen Stadtgebiet eine Burg der Herzöge von Oels, deren Gründung Konrad I. zugeschrieben wird. 1337 erfolgte der Bau der gotischen Backsteinkirche und des Rathauses. 1430 plünderten die Hussiten Bernstadt.

Nach dem Erlöschen der Herzöge von Oels wurde Bernstadt ab 1492 Teil des Herzogtums Münsterberg. Zwischen 1511 und 1515 erhielt die Stadt Breslau Bernstadt als Pfand wegen offenen Forderung an die Münsterberger Herzöge. Nach dem Tode des Herzogs Karl I. 1536 regierten dessen Söhne Joachim, Heinrich II. Johann und Georg II. bis 1542 zunächst gemeinsam. Anschließend erhielt Heinrich II. Bernstadt, das er zu seiner Residenz wählte. Er ließ 1543 die Burg zu einem Schloss umbauen und erweitern. Während seiner Herrschaft, die bis zu seinem Tod 1548 andauerte, erfolgte die Einführung der Reformation und die Errichtung einer Fürstenschule. Zu dieser Zeit war Bernstadt eine wirtschaftlich blühende Stadt, die neben Handwerkern und Händlern vor allem durch die Zunft der Tuchmacher geprägt war.

Heinrichs gleichnamiger Sohn Heinrich III. verkaufte Bernstadt 1574 an das Adelsgeschlecht Schindel, wodurch das Herzogtum erlosch. 1603 zerstörte ein Stadtbrand, den nur sechs Häuser überstanden, Bernstadt völlig. Heinrichs Bruder Karl II. erwarb die zerstörte Stadt 1604 von den Schindels zurück und errichtete das Herzogtum wieder. Während des Dreißigjährigen Krieges war die Stadt mehrmals von Kaiserlichen, sächsischen und schwedischen Truppen besetzt.

1659 brannte Bernstadt erneut nieder. Der Wiederaufbau zog sich hin, und erst 1680 entstanden das Rathaus und die Katharinenkirche wieder. Nachdem Ersten Schlesischen Krieg 1742 fiel Bernstadt mit dem größten Teil Schlesiens an Preußen. Nach dem Tod des Herzogs Karl von Württemberg-Bernstadt wurde 1745 das Schloss als Residenz aufgegeben und dem Verfall preisgegeben. Auch die Stadt, in der 140 Häuser das Braurecht besaßen, verlor dadurch an Bedeutung. 1787 hatte Bernstadt 1963 Einwohner. Mit den Stein-Hardenbergischen Reformen wurde Bernstadt 1815 dem Landkreis Oels im Regierungsbezirk Breslau der Provinz Schlesien zugeordnet.[2]

Im Laufe des 19. Jahrhunderts wurden Vorstädte angelegt und durch den nachfolgenden Straßenbau die Stadttore für den durch Bernstadt führenden Verkehr in den Jahren 1827 und 1887 abgetragen. 1868 wurde die Eisenbahnverbindung von Breslau über Oels nach Kreuzburg in Betrieb genommen, an der Bernstadt einen Bahnhof erhielt. Trotz der Bahnverbindung siedelte sich nur wenig Industrie in Bernstadt an. Die 1883 errichtete Zuckerfabrik war das größte Unternehmen der Stadt.

Nachdem Bernstadt als Teil des früheren Herzogtums Oels zum Thronlehen der Kronprinzen von Preußen bestimmt worden war, wurde das Schloss wieder aufgebaut. Am Anfang des 20. Jahrhunderts hatte Bernstadt zwei evangelische Kirchen, eine katholische Kirche, eine Synagoge, ein Schloss, ein Amtsgericht und ein Forstamt.[3]

Während der Niederschlesischen Operation der Roten Armee wurde Bernstadt im Januar 1945 zur Hälfte zerstört. Als Folge des Zweiten Weltkrieges fiel Bernstadt 1945 mit dem größten Teil Schlesiens an Polen und wurde in Bierutów umbenannt. Die deutschen Bewohner wurden, soweit sie nicht vorher geflohen waren, vertrieben. Die neu angesiedelten Bewohner stammten zum Teil aus Ostpolen, das an die Sowjetunion gefallen war.

Bevölkerungsentwicklung Bearbeiten

Jahr Einwohner Anmerkungen
1840 3.592 davon 280 Katholiken und 126 Juden[4]
1875 3.850 [5]
1880 4.150 [5]
1890 4.426 davon 3.606 Evangelische, 607 Katholiken und 209 Juden[5]
1900 4.298 mit der Garnison (eine Schwadron Dragoner Nr. 8), meist Evangelische[3]
1933 4.518 [5]
1939 4.868 [5]

Sehenswürdigkeiten Bearbeiten

 
Reste des Residenzschloss
 
Friedhofskirche St. Trinitatis
 
Katholische Pfarrkirche St. Joseph
  • Das ehemalige Schloss Bernstadt ist nur noch in Teilen erhalten, darunter der Renaissanceturm und das barocke Portal der Schlossmauer.
  • Die römisch-katholische Filialkirche St. Katharina (Kościół św. Katarzyny Aleksandryjskiej) wurde in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts errichtet; im 17. Jahrhundert durch zwei Brände zerstört und 1661 bis 1686 wieder aufgebaut. Der Hauptaltar wurde 1661 vom Oelser Herzog Silvius I. Nimrod gestiftet; aus dem gleichen Jahr stammt die Kanzel. Das Gestühl ist um 1680 entstanden.[6] Das Gotteshaus diente seit der Reformation bis 1945 als evangelisches Schloss- und Pfarrkirche. Nach dem Übergang an Polen 1945 wurde es teilweise abgetragen und in den 1960er Jahren restauriert.
  • Die katholische Pfarrkirche St. Joseph (Kościół św. Józefa Oblubieńca) wurde 1891–1893 nach Entwurf des Breslauer Diözesanbaumeisters Joseph Ebers errichtet. Neben der Kirche steht das neogotische Pfarrhaus aus der gleichen Zeit.[6]
  • Ruine der evangelischen Friedhofskirche St. Trinitatis (Kościół Świętej Trójcy). Das Gebäude wurde 1622–1630 erbaut und brannte 1945 nieder.
  • Der Rathausturm (Wieża ratuszowa) ist der 2004 restaurierte Turm des zerstörten Rathauses. Er wurde in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts errichtet und nach einer Beschädigung 1945 umgestaltet. Er steht als einziger Rest des Rings im Ortsmittelpunkt. Der Turm erhielt eine ferngesteuerte Uhr mit einem um 12 Uhr ablaufenden Musikstück.
  • Das historische Stadtzentrum wurde zum Nationalen Kulturerbes erklärt.
  • Ehemalige Synagoge, erbaut 1809.
  • Empfangsgebäude des Bahnhofs
  • Reste der mittelalterlichen Stadtmauer
  • Historische Mühle aus Backstein
  • Denkmal zum 700. Jahrestag der Stadt Bierutów
  • Denkmal für Papst Johannes Paul II.

Städtepartnerschaften Bearbeiten

Bierutów unterhält seit dem 10. Mai 1997 eine Partnerschaft mit Bernstadt auf dem Eigen in der Oberlausitz.

Persönlichkeiten Bearbeiten

Söhne und Töchter der Stadt Bearbeiten

Personen, die vor Ort gewirkt haben Bearbeiten

Bürgermeister seit 1990 Bearbeiten

Name Jahre
Bogdan Smolarczyk 1990–1992
Andrzej Wojtkowiak 1992–1997
Edward Puk 1997–1998
Włodzimierz Kubiak 1998–2002
Roman Kazimierski 2002–2004
Grzegorz Michalak 2004–2006
Władysław Bogusław Kobiałka 2006–2018
Piotr Sawicki seit 2018

Gmina Bearbeiten

Zur Stadt-und-Land-Gemeinde (gmina miejsko-wiejska) Bierutów gehören die Stadt selbst und 16 Dörfer mit Schulzenämtern.

Literatur Bearbeiten

Weblinks Bearbeiten

Commons: Bierutów – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. Historia auf bierutow.pl, abgerufen am 27. Dezember 2010.
  2. Verordnung zur Eintheilung des preußischen Staats nach seiner neuen Begrenzung. 1815 (dilibri.de).
  3. a b Bernstadt. 1). In: Meyers Großes Konversations-Lexikon. 6. Auflage. Band 2: Astilbe–Bismarck. Bibliographisches Institut, Leipzig / Wien 1905, S. 721–722 (Digitalisat. zeno.org).
  4. Johann G. Knie: Alphabetisch-statistisch-topographische Uebersicht der Dörfer, Flecken, Städte und andern Orte der Königl. Preusz. Provinz Schlesien. 2. Auflage, Breslau 1845, S. 785–786 (books.google.de).
  5. a b c d e Michael Rademacher: Oels. Online-Material zur Dissertation, Osnabrück 2006. In: eirenicon.com.
  6. a b Dehio-Handbuch der Kunstdenkmäler in Polen. Schlesien. München 2005, ISBN 3-422-03109-X, S. 143.