Anneliese Groscurth

deutsche Ärztin und Widerstandskämpferin

Anneliese Groscurth (* 12. September 1910 in Essen als Anneliese Plumpe; † 28. September 1996 in Berlin) war eine deutsche Ärztin und Widerstandskämpferin gegen den Nationalsozialismus in der Gruppe „Europäische Union“.

Gedenktafel am Anneliese-und-Georg-Groscurth-Platz (Mai 2012)

Leben Bearbeiten

 
Ehrengräber von Anneliese und Georg Groscurth auf dem Friedhof Heerstraße in Berlin-Westend

Anneliese Groscurth gehörte zusammen mit ihrem Ehemann Georg Groscurth sowie Robert Havemann, Herbert Richter und dem Ehepaar Paul und Margarete Rentsch zu den Initiatoren der Widerstandsgruppe Europäische Union. Zu ihren sechzehn 1943/44 zum Tode verurteilten Angehörigen gehörte auch ihr Mann Georg.

Nach Kriegsende lebte Anneliese Groscurth mit den beiden gemeinsamen Söhnen Peter und Jan in Wehrda, kehrte aber wieder zurück nach Westend im jetzt West-Berliner Bezirk Charlottenburg und arbeitete als Ärztin im bezirklichen Gesundheitsamt. Am 28. April 1951 beteiligte sie sich an der Gründung des Berliner Ausschusses für die Volksbefragung gegen Remilitarisierung Deutschlands und für den Abschluss eines Friedensvertrages.[1], eine unter Oberaufsicht der Sowjetischen Kontrollkommission ständig von der SED-Führung angeleitete „Schöpfung der kommunistischen Deutschlandpolitik“.[2] Am 9. Mai 1951 wurde sie aus politischen Gründen aus dem öffentlichen Dienst entlassen, weil sie sich gegen die Wiederbewaffnung engagierte. Sie wurde als Kommunistin diffamiert und ihr wurde der Reisepass entzogen, den sie erst in den 1960er Jahren zurückerhielt.

Nachdem es 1951 in West-Berlin während der Weltfestspiele der Jugend und Studenten zu Straßenschlachten der FDJ mit der Polizei gekommen war,[3] gründete sie zur Untersuchung den Groscurth-Ausschuss.[4]

Durch eine nachhaltige Boykott-Kampagne der West-Berliner Presse, allen voran die Tageszeitung Der Tagesspiegel, konnte sie mit der eigenen Praxis ihre Familie nicht mehr ernähren und übernahm eine Anstellung in der Poliklinik des Berliner Rundfunks in Ost-Berlin. Die Witwenrente und die OdF-Hinterbliebenenrente wurden ihr ebenfalls entzogen. Auch die Zahlungen der Waisenrente für die beiden Söhne wurden eingestellt. Die gerichtlichen Auseinandersetzungen, die Groscurth darum führen musste, kommentierte das LaZ-Magazin mit der Feststellung: „Die Auseinandersetzung mit der DDR-Vergangenheit hat nach 1989 in Vergessenheit geraten lassen, dass es auch im Westen politisch motivierte Rechtsbeugung gab.“[5]

Anneliese Groscurth starb, nur zwei Wochen nach ihrem 86. Geburtstag, am 28. September 1996 in Berlin. Ihr Grab befindet sich auf dem landeseigenen Friedhof Heerstraße (Waldfriedhof Heerstraße) in Berlin-Westend.[6][7] Sie liegt dort an der Seite ihres Mannes Georg.

Die letzten Ruhestätten des Ehepaars Groscurth (Grablage: I-Erb.-Mauer) sind seit 2020 als Ehrengräber des Landes Berlin gewidmet. Die Widmung gilt zunächst für die übliche Frist von zwanzig Jahren, kann anschließend aber verlängert werden.[8][9]

Groscurth-Ausschuss Bearbeiten

 
FDJ-Mitglieder berichteten dem Ausschuss 1951 über diese Vorfälle, im Foto auch Robert Havemann

Im Zusammenhang mit einem Polizeieinsatz gegen Teilnehmer der III. Weltfestspiele der Jugend und Studenten am 15. August 1951, bei dem es zahlreiche Verletzte gab, wandte sich Groscurth mit einem Aufruf an die Öffentlichkeit, die Vorfälle zu untersuchen. Am 28. August 1951 bildeten einige Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens den „Groscurth-Ausschuss“, der in einer öffentlichen Verhandlung in Ost-Berlin Ursachen und Zusammenhänge des Polizeieinsatzes klären sollte. In der Folgezeit übernahm der Ausschuss zusätzlich die Aufgaben der Rechtshilfe des Ausschusses der Nationalen Front des demokratischen Deutschland und konstituierte sich am 2. Oktober 1951 unter dem Namen Groscurth-Ausschuss zum Schutze der demokratischen Rechte und zur Verteidigung von Patrioten in Westberlin. Zu seiner Führung gehörte neben Groscurth unter anderem der Rechtsanwalt Friedrich Karl Kaul. Rechtshilfe sollten vor allem West-Berliner erhalten, die von Polizeigewalt, politischer Maßregelung und Verfolgung oder von Berufsverboten betroffen waren, aber auch bei Agitationseinsätzen verhaftete SED- und FDJ-Mitglieder.

Ehrungen Bearbeiten

Publikationen Bearbeiten

  • Frontstadt – Terror in Westberlin, Hrsg. vom Groscurth-Ausschuss zum Schutze der Demokratischen Rechte und zur Verteidigung von Patrioten in Westberlin, DNB 990270203

Literatur Bearbeiten

Weblinks Bearbeiten

Commons: Anneliese Groscurth – Sammlung von Bildern

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. Eine Geschichte aus dem alten Berlin (Memento vom 25. Juni 2010 im Internet Archive)
  2. Michael Lemke: Einheit oder Sozialismus. Die Deutschlandpolitik der SED 1949 bis 1961. Böhlau, Köln 2001, ISBN 3-412-14200-X, S. 145, dort auch das Zitat
  3. Die Weltfestspiele damals und heute (Memento vom 26. September 2007 im Internet Archive)
  4. Andreas Ruhl: Stalin-Kult und Rotes Woodstock. Die Weltjugendfestspiele 1951 und 1973 in Ostberlin (Memento vom 17. Dezember 2014 im Internet Archive)
  5. Mein Jahr als Mörder. In: lernen-aus-der-geschichte.de. Lernen aus der Geschichte, abgerufen am 29. Januar 2023.
  6. Klaus Nerger: Das Grab von Anneliese Groscurth. In: knerger.de. Abgerufen am 29. Januar 2023.
  7. Hans-Jürgen Mende: Lexikon Berliner Begräbnisstätten. Pharus-Plan, Berlin 2018, ISBN 978-3-86514-206-1, S. 487.
  8. Ehrengrabstätten des Landes Berlin (Stand: Oktober 2017) (Memento vom 10. Dezember 2017 im Internet Archive) (PDF, 439 kB, S. 29)
  9. Anerkennung von Grabstätten als Ehrengrabstätten des Landes Berlin – Drucksache 18/2864. (PDF, 163 kB) In: parlament-berlin.de. Abgeordnetenhaus von Berlin, 7. August 2020, abgerufen am 29. Januar 2023.
  10. Neues Deutschland vom 7. Oktober 1954, S. 4
  11. bsm: Gedenkstätte Yad Vashem ehrt "Gerechte unter den Völkern". In: welt.de. Die Welt, 20. Juni 2006, abgerufen am 29. Januar 2023.
  12. Anneliese- und Georg-Groscurth-Platz. In: berlin.de. Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf, abgerufen am 29. Januar 2023.