Anne Fausto-Sterling

US-amerikanische Wissenschaftlerin und Biologin

Anne Fausto-Sterling (* 1944) ist eine US-amerikanische Biowissenschaftlerin.

Anne Fausto-Sterling (2013)

Biografie Bearbeiten

Fausto-Sterling absolvierte 1965 ihren Bachelor of Arts in Zoologie an der University of Wisconsin und promovierte 1970 auf dem Gebiet der Entwicklungsgenetik an der Brown University.[1]

Fausto-Sterling ist emeritierte Professorin für Biologie und Gender Studies am Department Molecular and Cell Biology and Biochemistry der Brown University. Sie arbeitet auf den Gebieten der Wissenschafts-, Technik-, Geschlechter- und Sexualitätsforschung und der asexuellen Vermehrung der Plattwürmer (Planarien).

Fausto-Sterling befasst sich in ihren Arbeiten unter anderem damit, wie wissenschaftliches Wissen produziert wird, wie ethnische Zugehörigkeit und Geschlecht die Art und Weise beeinflussen, in der wissenschaftliche Fragen gestellt werden – und Wissenschaft gemacht wird – und was die biologische Natur menschlicher Sexualität eigentlich ist.

Zwei Studien hat Fausto-Sterling für ein allgemeines Publikum verfasst. Mit Gefangene des Geschlechts? Was biologische Theorien über Mann und Frau sagen (dt. 1988) und Sexing the body: gender politics and the construction of sexuality (engl. 2000) ist sie für ihre kritischen Ansätze bekannt geworden.

Am 26. September 2004 heiratete Fausto-Sterling in Truro, Massachusetts, Paula Vogel, eine Hochschullehrerin für Literatur.[2]

Positionen Bearbeiten

In Sexing the body fordert sie „einen Wandel der Medizin im Umgang mit Intersexuellen[3]. Sie kritisiert die geschlechtszuordnende Chirurgie, ohne Zustimmung des betroffenen Kindes, als Genitalverstümmelung.[3] Statt Kinder frühzeitig nach der Geburt durch einen chirurgischen Eingriff einem Geschlecht anzugleichen, sollten Eltern und Kind umfassend medizinisch informiert und langfristig beraten werden.[3] Fausto-Sterling „plädiert darüber hinaus für eine Erweiterung des Spektrums der Geschlechterkategorien, das neben den biologischen Geschlechtern ‚Mann‘ und ‚Frau‘ Raum lässt für Menschen, die zwischen diesen Kategorien stehen“[3].

Sie führt aus, dass die unterschiedlichen Leistungen im Sport von Männern und Frauen zu einem Teil auf eine unterschiedliche Behandlung durch die Gesellschaft zurückzuführen sein könnten. Als Beispiel verwendet sie das Durchschwimmen des Ärmelkanals und den Marathonlauf, bei letzterem glichen sich die Zeiten der besten Männer und der besten Frauen immer weiter an.[4]

Sie sieht sowohl das biologische Geschlecht (Sex), als auch das soziale Geschlecht (Gender) in Teilen als ein soziales Konstrukt an.[5]

Fausto-Sterling behauptete, 1,7 % der Menschen seien möglicherweise intersexuell. Zu dieser Aussage kam sie dadurch, dass sie auch Phänomene wie das Klinefelter-Syndrom oder das Turner-Syndrom berücksichtigte, was jedoch in der Regel nicht getan wird und wofür sie auch in einer Fachzeitschrift kritisiert wurde. Der gebräuchliche Wert ist ungefähr 100-mal niedriger.[6] Heinz-Jürgen Voß hingegen hält die Einbeziehung für richtig und stimmt mit Fausto-Sterling überein.[7]

In einem 1993 erstmals erschienenen Artikel kommt sie zu dem Schluss, dass es fünf Geschlechter bedarf, weiblich, männlich, hermaphroditisch, weiblich pseudo hermaphroditisch und männlich pseudo hermaphroditisch, im Jahr 2000 veröffentlichte sie einen Artikel, der diese Ansicht erneut aufgriff.[7]

Die Einteilung in fünf Geschlechter war nicht ganz ernst gemeint und soll verschiedene Punkte in einem Spektrum beschreiben. Es gibt keine genaue Anzahl von Geschlechtern, denn Sex und Gender sind ein mehrdimensionales Spektrum.[8][9]

Arbeiten Bearbeiten

  • 2012 Sex/gender: Biology in a social world. New York: Routledge.
  • 2005 The Bare Bones of Sex: Part I, Sex & Gender, Signs, 30(2): 1491-528.
  • 2004 Refashioning Race: DNA and the Politics of Health Care. differences: A Journal of Feminist Cultural Studies. 15(3): 1–37.
  • 2002 Gender identification and Assignment in Intersex Children. Dialogues in Pediatric Urology 25: (6) 4–5
  • 2000 (zus. mit Phornphutkul, Chanika; Gruppuso, Philip). Gender self-reassignment in an XY adolescent male born with ambiguous genitalia. Pediatrics 106:135-142
  • 2000 (zus. mit Blackless, Melanie; Charuvastra, Anthony; Derryck, Amanda; Lauzanne, Karl; Lee, Ellen). How Sexually Dimorphic Are We? Review and Synthesis (Memento vom 15. Mai 2011 im Internet Archive). American Journal of Human Biology 12:151-166. doi:10.1002/(SICI)1520-6300(200003/04)12:2<151::AID-AJHB1>3.0.CO;2-F
  • 2000 Sexing the body: gender politics and the construction of sexuality. New York: Basic Books, 2000
  • 1988 Gefangene des Geschlechts?: Was biologische Theorien über Mann und Frau sagen, München/Zürich: Piper, 1988

Auszeichnung Bearbeiten

Weblinks Bearbeiten

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. Curriculum Vitae
  2. New York Times: Paula Vogel, Anne Fausto-Sterling
  3. a b c d Margret Karsch: Feminismus. Geschichte – Positionen, Bundeszentrale für politischen Bildung, Bonn 2016, S. 197.
  4. Heinz-Jürgen Voß: Geschlecht wider die Natürlichkeit. 4., durchgesehene und erweiterte Auflage. Stuttgart 2018, ISBN 978-3-89657-695-8.
  5. Gender & Sexuality. In: Dr. Anne Fausto-Sterling. Abgerufen am 21. November 2021 (amerikanisches Englisch).
  6. Leonard Sax: How common is lntersex? A response to Anne Fausto‐Sterling. In: The Journal of Sex Research. Band 39, Nr. 3, 1. August 2002, ISSN 0022-4499, S. 174–178, doi:10.1080/00224490209552139.
  7. a b Heinz-Jürgen Voß: Making Sex Revisited: Dekonstruktion des Geschlechts aus biologisch-medizinischer Perspektive (= KörperKulturen). 3. Auflage. transcript Verlag, Bielefeld, Germany 2010, ISBN 978-3-8376-1329-2, doi:10.14361/9783839413296 (transcript-open.de [abgerufen am 17. Februar 2022]).
  8. Anne Fausto-Sterling: Gender & Sexuality. In: annefaustosterling.com. Dr. Anne Fausto-Sterling, abgerufen am 7. Mai 2023 (englisch): „At the time I suggested, tongue in cheek, a five-sex system, which I later amended in The Five Sexes Revisited. Rather than identify a specific number of sexes, in the second paper I wrote “sex and gender are best conceptualized as points in a multidimensional space”.“
  9. Maximilian Burkard: Overcoming Sex/Gender and Nature/Nurture – Anne Fausto-Sterling’s Dynamic Systems Theory. 2018, S. 24 (englisch, uni-graz.at [PDF] Masterarbeit zur Erlangung des akademischen Grades Master of Arts (MA)): “Fausto-Sterling suggests in “The Five Sexes” (1993; even if explicitly “with tongue in cheek”) that we are merely wrong in holding that there are only two sexes (representing the nature of homo sapiens). This is wrong because nature confronts us with greater variability of sexes which the dyadic male-female-system just cannot exhaustively account for: “[S]ex is a vast, infinitely malleable continuum that defies the constraints of even five categories” (Fausto-Sterling 1993, 2). In other words, the dimorphic description does not correspond to the biological facts and it therefore needs to be reformulated in terms of an ultimately n-adic spectrum or continuum of sex”
  10. Ehrendoktorin der Philosophisch-historischen Fakultät. In: unibe.ch. Archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 3. Dezember 2020; abgerufen am 6. Dezember 2020.  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.unibe.ch