Amoklauf an der Virginia Tech

Verbrechen mit 32 Todesopfern an einer Hochschule im US-Bundesstaat Virginia 2007

Beim Amoklauf an der Virginia Tech am Morgen des 16. April 2007 wurden auf dem Campus der Virginia Polytechnic Institute and State University (kurz: Virginia Tech) in Blacksburg im US-Bundesstaat Virginia 32 Menschen getötet und 17 weitere verletzt. Der Täter erschoss sich anschließend selbst.[1]

Denkmal auf dem Campus der Virginia Tech
Norris Hall, Tatort der zweiten Schießerei

Die Tat gehört neben dem Schulmassaker von Bath (1927), dem Amoklauf an der Robb Elementary School (2022), dem Amoklauf an der Sandy Hook Elementary School (2012) und dem Schulmassaker von Parkland (2018) zu den folgenschwersten Gewaltverbrechen an einer Bildungseinrichtung in den Vereinigten Staaten.

Tathergang Bearbeiten

 
Lageplan

Die ersten Schüsse feuerte der Täter um 7:15 Uhr (13:15 Uhr MESZ) im Studentenwohnheim West Ambler Johnston Hall ab, wo 895 Studenten leben. Es wurden dabei zwei Menschen getötet und drei verletzt. Die Polizei untersuchte noch den ersten Tatort, als etwa zwei Stunden später (9:00 – 9:30 Uhr), in der ungefähr 600 Meter nördlich gelegenen Norris Hall, auf dem Campus die nächsten Schüsse fielen. Dieses Mal wurden deutlich mehr Menschen ermordet. Nachdem der Täter das Gebäude betreten hatte, verriegelte er die Ausgänge mit Ketten, um die Flucht der Studenten zu verhindern. Er schoss mit zwei legal erworbenen halbautomatischen Pistolen, einer Glock 19 im Kaliber 9 × 19 mm und einer Kleinkaliberpistole vom Typ Walther P22.[2]

Unter den Toten befanden sich auch fünf Lehrkräfte:

Beim Eintreffen der Polizei nahm sich der Täter selbst das Leben.

Hintergründe Bearbeiten

Die Tat wurde von dem 23-jährigen südkoreanischen Studenten Cho Seung-hui[8] (Schreibweise Hangeul: 조승희; lebte in den USA unter der anglisierten Namensreihenfolge Seung-hui Cho) verübt, der etwa 1992 mit seinen Eltern von Südkorea in die USA eingewandert war und zuletzt in einem der Wohnheime der Virginia Tech lebte. Er war kein Staatsbürger der Vereinigten Staaten, sondern besaß eine permanente Aufenthaltsgenehmigung. Er studierte im vierten Jahr Anglistik als Undergraduate, nachdem er dort zunächst Wirtschaft studiert hatte.

Am Tattag verschickte Cho unter dem Pseudonym „A. Ishmael“[9] ein Paket mit einer DVD, auf der 37 Videos und 43 Fotos waren, sowie ein 1800 Wörter umfassendes „Manifest“ an den US-Fernsehsender NBC. Der Zeitstempel (9:01 Uhr Ortszeit) zeigt, dass Cho das Paket am Montag nach seinen ersten Schüssen in einem am Uni-Campus angrenzenden Postamt aufgegeben hatte.[10] Darin erklärte er unter anderem seinen Hass gegen Reiche und äußerte weiter, seine Tat wäre vermeidbar gewesen. Es wird außerdem berichtet, dass etliche Passagen des Textes sich gegen Christentum und Genusssucht wenden.[11] Der Sender informierte das FBI und strahlte Ausschnitte des Videos am Abend des 18. April 2007 (Ortszeit) aus. Auf elf Fotos ist Cho mit zwei Faustfeuerwaffen zu sehen.[12] Außerdem bezog Cho sich in seinem Manifest auf die beiden Täter des Amoklaufs an der Columbine High School, die er als „Märtyrer“ bezeichnete. Die Ermittler gingen deshalb davon aus, dass Cho – zumindest auch – vom Columbine-Amoklauf inspiriert wurde.[13]

Der Sender CNN berichtete, dass Cho 2005 von einem Sonderrichter des US-Bundesstaates Virginia für „geistesgestört[14] erklärt wurde. Der Richter habe zudem festgestellt, dass Cho eine Gefahr für sich selbst darstelle. Bereits zuvor war bekannt geworden, dass sich Cho im selben Jahr in einer psychiatrischen Klinik aufgehalten hatte.[15] Aufgrund der Tatsache, dass er die Psychiatrie freiwillig aufsuchte, konnte er legal Waffen erwerben.[16]

In der achten Klasse war selektiver Mutismus bei Cho diagnostiziert worden. Frühere Mitschüler sagten aus, dass er jahrelang ein Opfer von Mobbing in der Schule gewesen war.

Reaktionen Bearbeiten

Der Präsident der Hochschule, Charles W. Steger, sagte über die Ereignisse: “The university was struck today with a tragedy of monumental proportions.”[17] (dt. „Die Universität wurde heute von einer Tragödie ungeheuren Ausmaßes getroffen.“) Virginias Gouverneur Tim Kaine erklärte nach der Tat den Notstand.

Von einigen Studenten und Lehrkräften wurden die Hochschulleitung und vor allem die Einsatztaktik der Polizei kritisiert, die nach dem Vorfall im Studentenwohnheim von einer Einzeltat ausging. Weder wurden die Angehörigen der Universität gewarnt, noch wurde die Hochschule evakuiert.[18]

Daneben entbrannte durch den Vorfall erneut die Diskussion um die liberalen Waffenrechte in den Vereinigten Staaten. In Virginia kann jeder unbescholtene Bürger über 18 Jahren Handfeuerwaffen erwerben. Präsident George W. Bush betonte in einer ersten Stellungnahme sogleich, dass jeder Bürger der USA das Recht habe, eine Waffe zu tragen. Allerdings müssten sie alle Gesetze beachten.[19] Der republikanische Präsidentschaftskandidaturbewerber John McCain schloss sich dieser Einschätzung an.[20] Die Bewertungen des Amoklaufs durch die amerikanische und internationale Presse gingen stark auseinander und erzeugten ein breites Echo im Internet.[21]

Im April 2008 einigten sich die Angehörigen der Opfer und die Überlebenden des Amoklaufs mit dem US-Bundesstaat Virginia auf eine Entschädigungszahlung von 11 Mio. US-Dollar, im Gegenzug verzichten die Betroffenen auf ihr Recht die Universität zu verklagen.[22]

 
Studenten und Dozenten trauern bei einer Mahnwache um die Opfer des Amoklaufs.

Für die Berichterstattung der Washington Post wurde den Reportern der Pulitzer-Preis für Aktuelle Berichterstattung verliehen. Unter anderem hatte Jose Antonio Vargas einen Augenzeugen interviewt.

Siehe auch Bearbeiten

Weblinks Bearbeiten

Commons: Amoklauf an der Virginia Tech – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. T. Rees Shapiro: After Virginia Tech mass shooting, big miracles at a small hospital. In: The Washington Post. 15. April 2017, abgerufen am 24. März 2019.
  2. Spiegel Online „Wie ein Einzelgänger zum Massenmörder wurde“ 18. April 2007
  3. memory39 (Memento vom 20. Februar 2008 im Internet Archive)
  4. (18. April 2007). Virginia Tech Massacre: The Victims (Memento vom 19. April 2007 im Internet Archive) auf Fox News; David Vickrey (17. April 2007). Professor of German Killed in Virginia Tech Massacre. Beitrag auf www.dialoginternational.com (engl.; abgerufen 18. April 2007)
  5. Spiegel Online „Der Held von Norris Hall“, 17. April 2007
  6. BBC: „Virginia massacre gunman is named“, 17. April 2007 (englisch);
  7. Fox News: „Virginia Tech Massacre: The Victims“ t (Memento vom 19. April 2007 im Internet Archive), 18. April 2007 (englisch)
  8. CNN: „Police: Virginia Tech shooter an English major, 23“, 17. April 2007 (englisch)
  9. NBC: Informationen von NBC; siehe dort unter „Slide Show Manifesto Photos“ (2. Photo zeigt Paket)
  10. N24: „Ihr habt entschieden, mein Blut zu vergießen“ (Memento vom 11. September 2007 im Internet Archive), 19. April 2007
  11. Die Presse: „Blacksburg: Kommission soll US-Massaker untersuchen“
  12. Spiegel Online: „Todesschütze schickte US-Sender zwischen den Morden Videos und Fotos“, 19. April 2007
  13. Kieran Nicholson: Cho: Killers at Columbine “martyrs”. In: The Denver Post. 18. April 2007, abgerufen am 23. März 2019.
  14. FAZ: „Ihr habt entschieden, mein Blut zu vergießen“, 19. April 2007
  15. Spiegel Online: „Amokläufer war in psychiatrischer Behandlung“, 18. April 2007
  16. Tagesschau: Shooting at Virginia Tech (Memento vom 21. Februar 2008 im Internet Archive)
  17. Charles W. Steger: Tragedy at Virginia Tech (Memento vom 10. Dezember 2007 im Internet Archive), offizielle Statements auf der Website der Virginia Tech, abgerufen am 17. April 2007
  18. Netzeitung: „Entsetzen nach blutigstem Amoklauf in den USA“ (Memento vom 2. Januar 2012 im Internet Archive), 17. April 2007
  19. Tagesschau „Täter studierte an Virginia Tech“, 17. April 2007
  20. RP Online: USA diskutiert über schärfere Waffengesetze, 17. April 2007
  21. Der Spiegel: Pressestimmen und die unterschiedliche Reaktion europäischer und amerikanischer Internetnutzer, 18. April 2007
  22. Spiegel Online: Betroffene erhalten 11 Millionen Dollar Schmerzensgeld

Koordinaten: 37° 13′ 46,9″ N, 80° 25′ 23,9″ W