Akzeptanz- und Commitmenttherapie

Die Akzeptanz- und Commitmenttherapie (kurz ACT, gesprochen auch wie das englische Wort act = handeln) ist eine neuere Form der Psychotherapie, bei der klassische verhaltenstherapeutische Techniken mit achtsamkeits- und akzeptanzbasierten Strategien und mit Interventionen zur Werteklärung kombiniert werden und die statt auf Emotionsunterdrückung auf Emotionsakzeptanz in Form einer positiven Neubewertung negativer Emotionen abzielt.[1] Der therapeutische Ansatz wurde maßgeblich von dem US-amerikanischen Psychologen Steven C. Hayes entwickelt und beruht auf dessen Bezugsrahmentheorie (Relational Frame Theory),[2] einem kontextualistischen Erklärungsmodell für sprachlich-gedankliche Prozesse, welches eine Weiterentwicklung verhaltensanalytischer Erklärungsansätze skinnerscher Prägung darstellt.

Grundlagen Bearbeiten

Bei der ACT wird angenommen, dass folgende psychische Vorgänge zur Entstehung psychischer Störungen beitragen: fehlende Trennung zwischen der Sprache bzw. dem Denken einerseits und der Realität andererseits („kognitive Fusion“), Erlebnisvermeidung, Einengung der Gedanken (mit Grübeln und Überbewertung gedanklicher Prozesse), Fehlen von Werten und wertgeschätzter Handlungen und ein Mangel an Commitment zu sich selbst (innere Selbstverpflichtung).[3] Bei den Problemen, die den Patienten belasten, wird zwischen „sauberem“ und „schmutzigem Leid“ unterschieden. „Sauberes Leid“ ist jenes mit der menschlichen Existenz unvermeidbar in Verbindung stehendes Leid, welches als Teil eines werteorientierten Lebens verstanden wird und sich als unangenehme innere Erlebnisse in Form von schwierigen Gedanken, Gefühlen, Impulsen etc. zeigt. „Schmutziges Leid“ entsteht durch den Versuch, mit Hilfe verschiedener Strategien (Rückzug, Flucht, Betäubung, Argumentieren, übertriebenes Sicherheitsverhalten, spannungsreduzierende Rituale etc.) jene unangenehme innere Erlebnisse zu vermeiden („experiential avoidance“). Die angewandten Strategien haben nicht nur den Nachteil, dass sie nicht oder nur zeitlich begrenzt funktionieren, sondern auch mit erheblichen negativen Konsequenzen für die Lebensführung des Patienten verbunden sind.

Zu den therapeutischen Zielen dieser Therapieform zählen Akzeptanz, Achtsamkeit, eine kognitive Defusion (d. h. Auflösung der Fusion zwischen dem Ich und negativen Emotionen),[4] die Wahrnehmung des Selbst als eigene transzendentale Qualität, sowie eine Ausrichtung des eigenen Handelns auf selbstgewählte Werte.[3] Die Therapie besteht hauptsächlich darin, den Patienten darin zu unterstützen, seine dysfunktionalen Kontrollversuche abzubauen, indem er seine Bereitschaft erhöht, auch unangenehme Empfindungen zu erleben „als das, was sie sind, nicht als das, was sie zu sein vorgeben“, wie es ACT-Therapeuten oft ausdrücken. Hierzu kommen unterschiedliche Techniken zum Einsatz, die zum Teil buddhistischen Meditationspraktiken und dem Methodenrepertoire anderer therapeutischer Schulen (z. B. der Gestalttherapie) entliehen sind. Einen großen Raum nimmt in einer Therapie nach dem ACT-Modell die Klärung von Werten und Lebenszielen ein, aus denen dann konkrete Handlungsabsichten (commitments) abgeleitet werden. Wesentliches Augenmerk der ACT liegt darauf, den Patienten zu einem wertorientierten Leben zu ermutigen.[4] In der ACT werden Techniken der Verhaltenstherapie, der Hypnotherapie[5] und der Meditation eingesetzt.[3]

Wie auch bei anderen Ansätzen der kognitiven Verhaltenstherapie wird an dysfunktionalen Gedanken gearbeitet. Allerdings wird nicht versucht, den Inhalt der Gedanken zu verändern (etwa „negative“ durch „positive“ oder „irrationale“ durch „rationale“ Gedanken zu ersetzen). Solche Versuche führen, wie auch aus der Relational Frame Theory abzuleiten ist, oftmals nur zu einer Stärkung der zugrundeliegenden „Bezugsrahmen“ – mit dem Effekt, dass die entsprechenden Gedanken an Intensität und Frequenz noch zunehmen. Vielmehr wird versucht, die Funktion' der kognitiven Reaktionen zu modifizieren, indem der Patient Techniken erlernt, die ihn in die Lage versetzen, seine eigenen Gedanken gleichmütig („achtsam“) zu betrachten, ohne mit ihnen zu „verschmelzen“, d. h., ohne zwangsläufig sein Verhalten an ihnen auszurichten.

Aufnahme Bearbeiten

Die Grundideen von ACT und die Vorgehensweisen sind vor allem in den USA, Australien und in einigen Ländern Westeuropas (z. B. den Niederlanden, Spanien, der Schweiz und den skandinavischen Ländern) auf großes Interesse gestoßen. Es wurden zahlreiche Bücher publiziert, sowohl solche, die sich an Experten richten, als auch Bücher für Menschen mit bestimmten psychischen Problemen wie z. B. Essstörungen,[6] posttraumatischem Stress,[7] chronischen Schmerzen[8] oder Burn-out.[9]

Anwendung und Evidenz Bearbeiten

ACT wird bei einer Reihe von Störungen und Problemen angewendet und ist bereits mehrfach hinsichtlich seiner Wirksamkeit untersucht worden. So liegen beispielsweise Studien vor zur Behandlung von Personen mit psychotischen Symptomen,[10] mit sozialen Ängsten,[11] Depressions- und Angstsymptomen,[12] Borderline-Persönlichkeitsstörung[13] oder Diabetes.[14] Die bisher vorliegenden Befunde legen nahe, dass ACT möglicherweise mindestens ebenso effektiv ist wie andere empirisch untersuchte etablierte Therapieansätze, etwa die kognitive Therapie nach Beck.

Neuere Untersuchungen zeigen, dass ACT bei Angststörungen effektiver in der Beseitigung der Angstsymptomatik ist und zu einem besseren Outcome führt, als kognitive Verhaltenstherapie.[15]

Literatur Bearbeiten

  • Georg H. Eifert: Akzeptanz- und Commitment-Therapie (ACT). Hogrefe Verlag, 2011, ISBN 978-3-8017-2215-9.
  • Russ Harris: ACT made simple – An Easy-to-Read Primer on Acceptance and Commitment Therapy. New Harbinger Press, Oakland, CA 2009, ISBN 978-1-57224-705-5.
    • Deutsche Übersetzung von Cornelia Eder: ACT leicht gemacht. Ein grundlegender Leitfaden für die Praxis der Akzeptanz- und Commitment-Therapie. Arbor Verlag, Freiburg 2011, ISBN 978-3-86781-031-9.
  • Russ Harris: Wer dem Glück hinterherrennt, läuft daran vorbei – Ein Umdenkbuch. Kösel-Verlag, München 2009, ISBN 978-3-466-30820-0.
  • S. C. Hayes, K. D. Strosahl, K. G. Wilson: Acceptance and commitment therapy: An experiential approach to behavior change. Guilford, New York 1999.
    • Deutsche Übersetzung von Rainer Sonntag: Akzeptanz und Commitment Therapie. Ein erlebnisorientierter Ansatz zur Verhaltensänderung. CIP-Medien, München 2004, ISBN 3-932096-37-1.
  • S. C. Hayes, K. D. Strosahl (Hrsg.): A practical guide to acceptance and commitment therapy. Springer, New York 2004, ISBN 0-387-23367-9.
  • S. C. Hayes, Jason Luoma, Robyn D. Walser: ACT-Training. Handbuch der Acceptance & Commitment Therapie. Junfermann Verlag, Paderborn 2008, ISBN 978-3-87387-700-9.
  • S. C. Hayes, S. Smith: In Abstand zur inneren Wortmaschine: Ein Selbsthilfe- und Therapiebegleitbuch auf der Grundlage der Akzeptanz- und Commitment-Therapie (ACT). Dgvt-Verlag, 2007, ISBN 978-3-87159-069-6.
  • T. Heidenreich, J. Michalak (Hrsg.): Achtsamkeit und Akzeptanz in der Psychotherapie. Ein Handbuch. DGVT-Verlag, Tübingen 2004, ISBN 3-87159-060-6.
  • N. Klingen: ACT – Akzeptanz- und Commitment-Therapie: Ihr Leben ist wichtiger als Ihre Angst (PDF; 289 kB). In: daz. Deutsche Angst Zeitschrift. München 2010.
  • Matthias Wengenroth: Das Leben annehmen. So hilft die Akzeptanz- und Commitmenttherapie (ACT). Hans Huber, Bern 2008.
  • Matthias Wengenroth: Therapie Tools Akzeptanz- und Commitmenttherapie (ACT). Beltz, Weinheim 2017, ISBN 978-3-621-28390-8.

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. Thomas L. Webb, Eleanor Miles, Paschal Sheeran: Dealing With Feeling: A Meta-analysis of the Effectiveness of Strategies Derived From the Process Model of Emotion Regulation. In: Blair T. Johnson (Hrsg.): Psychological Bulletin. Band 138, Nr. 4. American Psychological Association, 2012, ISSN 0033-2909, S. 775–808, doi:10.1037/a0027600 (englisch).
  2. S. C. Hayes, D. Barnes-Holmes, B. Roche (Hrsg.): Relational Frame Theory: A Post-Skinnerian account of human language and cognition. Plenum Press, New York 2001.
  3. a b c Kapitel IV.24 Verhaltenstherapie von Frank Schwärzler und Martin Hautzinger, S. 400–410. In: Siegfried Kasper, Hans-Peter Volz (Hrsg.): Psychiatrie und Psychotherapie compact: Das gesamte Facharztwissen. Thieme, 2014, ISBN 978-3-13-156903-5, Abschnitt Akzeptanz- und Commitment-Therapie (ACT), S. 408.
  4. a b Eskil Burck: Angst. BoD, Norderstedt 2019, ISBN 978-3-7481-9203-9, S. 65 ff., 128 f.
  5. Aus dem Bereich der Hypnotherapie kommen zur Anwendung: „Metaphern, Therapiegeschichten“. Zitiert nach Kapitel IV.24 Verhaltenstherapie von Frank Schwärzler und Martin Hautzinger, S. 400–410. In: Siegfried Kasper, Hans-Peter Volz (Hrsg.): Psychiatrie und Psychotherapie compact: Das gesamte Facharztwissen, Thieme, 2014, ISBN 978-3-13-156903-5, Abschnitt Akzeptanz- und Commitment-Therapie (ACT), S. 408.
  6. M. Heffner, G. H. Eifert: The Anorexia Workbook: How to accept yourself, heal suffering, and reclaim your life. New Harbinger Publications, Oakland, CA 2004, ISBN 1-57224-362-7.
  7. V. M.Follette, J. Pistorello: Finding Life Beyond Trauma. New Harbinger, Oakland, CA 2007, ISBN 978-1-57224-497-9.
  8. J. Dahl, T. Lundgren: Living Beyond Your Pain. New Harbinger, 2006, ISBN 1-57224-409-7.
  9. M. Waadt, J. Acker: Burnout – Mit Akzeptanz und Achtsamkeit den Teufelskreis durchbrechen. Hans-Huber-Verlag Bern, 2013, ISBN 978-3-456-85082-5.
  10. P. Bach, S. C. Hayes: The use of Acceptance and Commitment Therapy to prevent the rehospitalization of psychotic patients: A randomized controlled trial. In: Journal of Consulting and Clinical Psychology. 70(5) 2002, S. 1129–1139.
  11. K. L. Dalrymple, J. D. Herbert: Acceptance and Commitment Therapy for Generalized Social Anxiety Disorder: A pilot study. In: Behavior Modification. 31, 2007, S. 543–568.
  12. E. M. Forman, J. D. Herbert, E. Moitra, P. D. Yeomans, P. A. Geller: A randomized controlled effectiveness trial of Acceptance and Commitment Therapy and Cognitive Therapy for anxiety and depression. In: Behavior Modification. 31(6) 2007, S. 772–799.
  13. K. L. Gratz, J. G. Gunderson: Preliminary data on an acceptance-based emotion regulation group intervention for deliberate self-harm among women with Borderline Personality Disorder. In: Behavior Therapy. 37(1) 2006, S. 25–35.
  14. J. A. Gregg, G. M. Callaghan, S. C. Hayes, J. L. Glenn-Lawson: Improving diabetes self-management through acceptance, mindfulness, and values: A randomized controlled trial. In: Journal of Consulting and Clinical Psychology. 75(2) 2007, S. 336–343.
  15. Joanna J. Arch, Georg H. Eifert, Carolyn Davies, Jennifer Plumb Vilardaga, Raphael D. Rose, Michelle G. Craske: Randomized Clinical Trial of Cognitive Behavioral Therapy (CBT) Versus Acceptance and Commitment Therapy (ACT) for Mixed Anxiety Disorders. In: Pim Cuijpers (Hrsg.): Journal of Consulting and Clinical Psychology. Band 80, Nr. 5. American Psychological Association, 2012, ISSN 0022-006X, S. 750–765, doi:10.1037/a0028310 (englisch).