72. Infanterie-Division (Wehrmacht)

Militärischer Verband der Wehrmacht

Die 72. Infanterie-Division war ein Großverband des Heeres der deutschen Wehrmacht im Zweiten Weltkrieg.

72. Infanterie-Division

Aktiv September 1939 bis 9. Mai 1945
Staat Deutsches Reich NS Deutsches Reich
Streitkräfte Wehrmacht
Teilstreitkraft Heer
Truppengattung Infanterie
Typ Infanterie-Division
Gliederung Gliederung
Aufstellungsort Trier
Spitzname Gelbkreuz
Kommandeure
Liste der Kommandeure

Divisionsgeschichte Bearbeiten

Aufstellung Bearbeiten

Die 72. Infanterie-Division (ID) (bis 19. September 1939 als Grenzdivision Trier bezeichnet), wurde mit Beginn des Krieges gegen Polen mobilgemacht.

Westwall Bearbeiten

Der Verband sicherte am Westwall. Im Frühjahr 1940 wurde die Division zum Truppenübungsplatz Ohrdruf verlegt.

Westfeldzug Bearbeiten

Beim Westfeldzug folgte die Division ab 15. Mai 1940 in Eilmärschen den vorderen Truppen durch Luxemburg, Belgien und Nordfrankreich. Ab 3. Juni wurde die Aisne und später die Marne bei Sainte-Aulde kämpfend überschritten. In Marschordnung wurde der nun zurückweichende Gegner nach Süden verfolgt. Bis zur Kapitulation Frankreichs am 25. Juni war der Cher an der späteren Demarkationslinie erreicht.

Atlantikwall Bearbeiten

Die Division sicherte dann an der Atlantikküste und wurde Ende September nach Paris verlegt. Größere Teile der Division mussten zur Aufstellung der 342. ID abgegeben werden. Danach wurde der Verband im Januar 1941 aus den Vogesen nach Rumänien verlegt, um als Lehrtruppe zu wirken.

Balkanfeldzug Bearbeiten

Am 1. März marschierte die Division jedoch durch das bergige Bulgarien in Richtung Griechenland ab. Hier erfolgte im Balkanfeldzug am 6. April der Durchbruch durch die befestigte Metaxaslinie. Die griechische Nordarmee kapitulierte bereits am 9. April, als Saloniki fiel. Eine Vorausabteilung der Division schlug Teile des britischen Expeditionskorps am Olymp und in der Schlacht bei den Thermopylen. Noch vor den deutschen Panzereinheiten wurde am 26. April Athen erreicht. Nach Beendigung der Kampfhandlungen wurde im Landmarsch zu den rumänischen Ölfeldern bei Ploiești verlegt.

Unternehmen Barbarossa Bearbeiten

Am 22. Juni 1941 begann der Angriff auf die Sowjetunion. Die Division gehörte zur Heeresgruppe Süd. In hartem Häuserkampf wurde Kischinew erobert. Mit dem Übergang über den Dnjestr bei Beryslaw in Sturm- und Schlauchbooten wurde die Stalin-Linie überrannt. Nach Kämpfen in der Nogaischen Steppe wurde im September Melitopol genommen. Danach wurde die Division zur Halbinsel Krim verlegt, wo sie bis 16. November die Städte Simferopol, Jalta, Alupka und Baidary eroberte.

Sewastopol Bearbeiten

Ein erster Sturmangriff auf die Festung Sewastopol scheiterte am 30. Dezember. Als die Rote Armee im Januar 1942 im Osten der Krim landete, wurde das Regiment 105 dorthin abgestellt. Der Rest der Division lag bis Juni 1942 in Stellungen vor Sewastopol. Bei der Eroberung Sewastopols bis 4. Juli hatte auch die 72. ID schwere verlustreiche Angriffe zu führen.

Verlegung zur Heeresgruppe Nord Bearbeiten

Nach diesen Kämpfen sollte die Division die Leningrader Blockade unterstützen. Während der Eisenbahnfahrt im Herbst 1942 wurde sie jedoch zur Schlacht von Rschew und später zur Schlacht von Kursk beordert. Ab Sommer 1943 nahm sie an den Absetzbewegungen „Sommerreise“ teil.

Tscherkassy Bearbeiten

Im Spätherbst nach Kämpfen in der Dnepr-Schleife bei Chodorow/Medwedowka sollte die Stadt Tscherkassy als Ruhestellung dienen.

 
Ausbruchsrichtung der 72. ID

In einer weiteren sowjetischen Offensive wurde jedoch die Stadt eingeschlossen. In zähen Häuserkämpfen konnten die Teile der Division in der Stadt ihre Stellungen halten, bis zum Entsatz am 30. November. Als die Stadt am 13. Dezember planmäßig geräumt wurde, zeichnete sich bereits ein größerer Kessel ab in den sich die Division nun zurückzog. Wochenlang unter freiem Himmel in Schlamm- und Schneelöchern hausend, hungernd und ohne ausreichende Munition konnte die Division im Februar 1944 im Nordwestteil des Kessels einige Ortschaften erobern, welche später als Basis für den Ausbruch nach Westen dienten. Als erste Division der mittleren Marschgruppe erkämpften die Überlebenden am 17. Februar den Durchbruch zu den Entsatzkräften nach Lissjanka.

Neuaufstellung 1944 Bearbeiten

Im März 1944 wurden die Reste der 72. ID bei Wladimir Wolynsk mit der „Schatten-Division Generalgouvernement“ verschmolzen. Nachdem sie am Brückenkopf von Baranow[1] an der Weichsel, beim Sandomierz-Kessel, bei Opatów und den Absetzbewegungen im Weichselbogen erneut schwere Verluste erlitten hatte, wurde am 27. Januar im Rückzug eine neu aufgebaute Front an der Oder bei Glogau erreicht.

Kapitulation Bearbeiten

Beim Großangriff der Roten Armee am 16. April wurde die Division ins Gebiet des sogenannten Protektorats Böhmen und Mähren abgedrängt, wo sie am 9. Mai 1945 kapitulierte. Nur wenige Soldaten konnten die Linien der US-Armee bei Karlsbad erreichen – die Masse geriet in sowjetische Gefangenschaft.

Standorte der Divisionseinheiten Bearbeiten

In der Neue Goeben-Kaserne lag das I. Bataillon des Infanterieregiment 105, das II. Bataillon in der Neuen Hornkaserne in unmittelbarer Nachbarschaft, das III. Bataillon in Wittlich. Teile des Infanterieregiment 124 lagen in der „Jägerkaserne“ (I. Bataillon) und in der Feyener Kaserne (II. Bataillon), das III. Bataillon in Saarburg. Das Artillerieregiment der Division lag in der Kemmelkaserne, vor Beendigung des Neubaus in Teilen in der Jägerkaserne.

Gliederung Bearbeiten

Veränderungen in der Gliederung der 72. ID von 1941 bis 1945
1941 1942 1944–1945
Infanterie-Regiment 105 Grenadier-Regiment 105
Infanterie-Regiment 124 Grenadier-Regiment 124
Infanterie-Regiment 266 Grenadier-Regiment 266
Artillerie-Regiment 172
Aufklärungs-Abteilung 172 Radfahr-Abteilung 172 Füsilier-Bataillon 72
Pionier-Bataillon 72
Panzerjäger-Abteilung 72
Feldersatz-Bataillon 172
Nachrichten-Abteilung 72
Versorgungseinheiten 172

Kommandeure Bearbeiten

Dienstzeit Dienstgrad Name
1. September 1939 bis 25. Juli 1940 Generalmajor/Generalleutnant Franz Mattenklott
25. Juli bis 4. September 1940 Generalmajor Helge Auleb
4. September 1940 bis 6. November 1941 Generalleutnant Franz Mattenklott
6. November 1941 bis 10. Juli 1942 Generalmajor/Generalleutnant Philipp Müller-Gebhard
10. Juli bis 24. November 1942 Oberst/Generalmajor Curt Souchay
24. November 1942 bis 17. Februar 1943 Generalleutnant Philipp Müller-Gebhard
17. Februar bis 3. Mai 1943 Oberst Ralph Graf von Oriola
3. Mai bis 1. November 1943 Generalleutnant Philipp Müller-Gebhard
1. bis 20. November 1943 Generalleutnant Erwin Menny
20. November 1943 bis 25. März 1944 Oberst/Generalmajor/Generalleutnant Hermann Hohn
25. März bis 10. Juni 1944 Generalleutnant Gustav Harteneck
10. Juni bis 1. Juli 1944 Oberst Karl Arning
1. Juli 1944 bis 20. April 1945 Generalleutnant Hermann Hohn
20. April bis 1. Mai 1945 Generalmajor Werner Kampfhenkel
1. Mai 1945 bis zur Auflösung Generalleutnant Hugo Beißwänger

Auszeichnungen Bearbeiten

Insgesamt wurden 49 Angehörige der 72. ID mit dem Ritterkreuz ausgezeichnet und 144 mit dem Deutschen Kreuz in Gold.

Literatur Bearbeiten

  • Nigel Askey: Operation Barbarossa: the Complete Organisational and Statistical Analysis, and Military Simulation, Volume IIA, Lulu Publishing, 2013, ISBN 978-1-304-45329-7
  • Karl-Heinz Golla: Der Fall Griechenlands 1941, Verlag E.S. Mittler & Sohn, 2007. ISBN 978-3-8132-0882-5.
  • Werner Haupt: Die deutschen Infanterie-Divisionen Band 2 - 2.-4.Aufstellungswelle Sommer 1939. Podzun-Pallas Verlag, Friedberg 1992, ISBN 3-7909-0445-7.
  • Mitcham, Samuel W., Jr. (2007). German Order of Battle. Volume One: 1st – 290th Infantry Divisions in WWII. PA; United States of America: Stackpole Books, S. 122–123. ISBN 978-0-8117-3416-5.
  • Franz Pesch, Hans May, Matthias Roth und Jupp Steffen: Die 72. Infanterie Division 1939–1945 in Wort und Bild, Podzun-Pallas-Verlag, 1962.
  • Werner Schulze: Traditionsgemeinschaft der 72. Inf.Div: 72. Infanterie-Division – 342. Infanterie-Division: Dokumentation, Hannover 1978.
  • Georg Tessin: Verbände und Truppen der deutschen Wehrmacht und Waffen-SS im Zweiten Weltkrieg 1939–1945. 2. Auflage. Band 6: Die Landstreitkräfte 71–130. Biblio-Verlag, Bissendorf 1979, ISBN 3-7648-1172-2.

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. Olaf Kaul: Die 291. Infanterie-Division im Baranowbrückenkopf im Januar 1945 (Memento vom 22. Februar 2007 im Internet Archive)